"Refugee-LGBTIQ*-Conference" in Brandenburg: Kennenlernen und Vernetzen gegen Homophobie und Rassismus. Ein Gespräch mit Emma Silberstein (junge Welt)
Emma Silberstein gehörte zum Organisationsteam der »Refugee-LGBTIQ*-Conference«, die am vergangenen Wochenende in Brandenburg an der Havel stattfand. Sie fungierte als Pressesprecherin und hat selbst keine Fluchterfahrung. Die Abkürzung und Selbstbezeichnung LGBTIQ* steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transident, intersexuell und queer
Sie haben am Wochenende bereits die zweite »Refugee-LGBTIQ*-Conference« in Brandenburg an der Havel veranstaltet. Wie lautet Ihr erstes Resümee?
Wir sehen, dass es einen großen Bedarf gibt, sich zu treffen und zu vernetzen. Hierfür hat die Konferenz einen guten Raum geboten. Gleichzeitig ist solch ein Projekt für unser kleines Organisationsteam kräftezehrend, knapp hundert Menschen zu verpflegen, unterzubringen und zugleich das Konferenzprogramm am laufen zu halten ist schwierig.
Nach der Konferenz sind wir traurig und glücklich zugleich. Traurig, weil wir als Team manchmal gern intensiver mit den Teilnehmenden diskutiert hätten. Glücklich, weil so viele Menschen unserer Einladung gefolgt sind, sich austauschen konnten und viele sich so herzlich von uns verabschiedet und bedankt haben.
Welche Angebote auf der Konferenz waren bei den geflüchteten LGBTIQ* besonders gefragt?
Wir haben am Freitag eine Diskussion mit integrierter Gruppenarbeit auf dem Plan gehabt, mit dem Ziel, allen Teilnehmenden die Chance zu geben, zu Wort zu kommen, Meinungen und Erfahrungen auszutauschen und die Ergebnisse dann zusammen zu diskutieren. In den Arbeitsgruppen haben sich die Menschen näher kennengelernt. Am Samstag hatten wir eine Workshopreihe zum Themenbereich »Recht und Gesetze«. Sie war sehr gut besucht, es wurde viel diskutiert und nachgefragt, denn die deutschen, europäischen und internationalen Gesetze sind teilweise schwer zu verstehen und zu interpretieren, gleichzeitig stellen sie die Basis für eine mögliche Anerkennung als Flüchtling dar.
Wie gut funktionierte auf der Konferenz die Zusammenarbeit zwischen geflüchteten LGBTIQ* und Unterstützerinnen sowie Unterstützern, die ja häufig keine Fluchterfahrung haben?
Auf der Konferenz funktionierte das fast immer reibungslos, denn viele Unterstützende wissen, was sie erwartet, wenn sie zu uns kommen. Sie haben nur in seltenen Fällen eine Fluchterfahrung, ein Teil jedoch hat ebenfalls einen Migrationshintergrund oder rechnet sich selbst der LGBTIQ*-Community zu, so dass Anknüpfungspunkte vorhanden sind.
In den letzten Tagen gab es Berichte über zunehmende Anfeindungen und Übergriffe auf geflüchtete LGBTIQ* in den Sammelunterkünften und Behörden Berlins. Die Stadt hat insoweit reagiert, als eine spezielle Einrichtung eröffnet wurde. Wie gehen Betroffene sonst mit dem Problem um?
Viele Betroffene versuchen in diese speziellen Unterkünfte zu gelangen, die es nicht nur in Berlin gibt. Da sie aber immer voll sind, sind die Chancen entsprechend schlecht. Das Resultat ist, dass die Menschen zurückgezogen und möglichst unauffällig in ihren Unterkünften leben oder bei Bekannten unterkommen, bis sich eine dauerhafte, legale Lösung finden lässt. Viele Geflüchtete sind in den Lagern gezwungen, ihre sexuelle Orientierung geheimzuhalten, da sie sonst Gefahr laufen, von Mitbewohnern physisch und psychisch diskriminiert zu werden. Dies betrifft besonders Menschen aus dem arabischen und afrikanischen Raum, denn dort stehen nichtheterosexuelle Handlungen häufig unter Strafe. Heterosexuelle Geflüchtete legen während ihrer Flucht nicht einfach ihre Abneigung gegenüber LGBTIQ* ab.
Das Verstecken der eigenen sexuellen Orientierung führt fast immer zur Isolation der Betroffenen, so dass sie häufig keinen Zugang zu Hilfsangeboten haben. Somit erleben sie vom Prinzip her die gleiche Situation wie in ihren Herkunftsländern.
Am Sonntag haben Sie die Räumlichkeiten verlassen und mit einer Pride-Parade in der Innenstadt von Brandenburg an der Havel ihre Anliegen kundgetan. Welche Reaktionen gab es?
Die Reaktionen waren sehr vielfältig, denn es war dort erst die zweite Pride seit Bestehen dieser Stadt. Die Mehrzahl der Menschen auf der Straße wippten mit zur Musik und erkundigten sich, warum wir demonstrieren. Es gab nur eine unschöne Szene: Ein Radfahrer passierte den Umzug und zeigte den sogenannten Hitlergruß. Einige Meter weiter stieg er ab, gesellte sich zu seinen Freunden und provozierte weiter. Einige Teilnehmende des Umzugs wollten sich dies nicht gefallen lassen. So kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung, die von der Polizei beendet wurde. Im Anschluss zog die Demonstration ohne weitere Störungen bis zum Endpunkt.
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