Cottbus Energie Cottbus steht vor dem Problem: Wie kann er sich als Viertligist gegen ein rechtsradikales, gewaltbereites Netzwerk wehren?
Die Hand gehoben zum Hitlergruß: So offen präsentierten sich die Neonazis im Cottbuser Block beim Spiel in Babelsberg. Foto: Presseservice Rathenow
Fans des FC Energie Cottbus haben es in diesen Tagen nicht leicht. Einige von ihnen wurden offenbar aus einer rechtsradikalen Gruppe heraus bedroht. Das bestätigt FCE-Präsident Michael Wahlich: "Das ist ein offenes Geheimnis, seit es auf der Nordwand still geworden ist." Er habe auch davon gehört, dass einige Fans verprügelt wurden, die sich nicht an die Anweisungen der Extremisten halten wollten.
Die Polizei in Cottbus hat inzwischen eine besondere Ermittlungsgruppe gebildet, um gegen eine spezielle Mischung im Umfeld des Cottbuser Fußballs vorzugehen: Hooligans, Rechtsex tremisten, Rocker und Kickboxer. Etwa 100 Personen werden dazugerechnet.
Ende März war es bei einem Auswärtsspiel in Bautzen durch Böller und Fackeln im Cottbuser Fanblock zu Randale gekommen. Die Verursacher waren in der "Unbequemen Jugend" festgestellt worden, eine Art Jugendabteilung der rechtsradikalen Fangruppe "Inferno". Der Verein weitete daraufhin das für "Inferno" längst geltende Darstellungsverbot auch auf diese Gruppe aus.
Die Antwort darauf und offenbar ein Zeichen der Machtdemonstration war die Einschüchterung anderer Fangruppen. Nach dem Motto: Wenn wir unsere Banner nicht zeigen dürfen, dürft ihr auch nicht. Seitdem ist es bei Spielen des FCE im sonst so stimmungsvollen Fanblock sehr still, so gut wie keine Fanclub-Banner hängen am Zaun.
Dass sich "Inferno", trotz einiger Stadionverbote längst nicht zurückhält, wurde gut einen Monat nach Bautzen in Potsdam sichtbar: Böller, Brandfackeln, ein versuchter Platzsturm, antisemitische Parolen und das Zeigen des Hitlergrußes aus einer zum Teil vermummten Menge im Energie-Fanblock.
Der FC Energie Cottbus zeigt inzwischen klare Kante gegen diese gefährliche Mischung, die dem Verein neben einem schlechten Ruf auch immer wieder hohe Geldstrafen einbringt. Vereinspräsident Wahlich, seit elf Monaten im Amt, nimmt dabei die Namen "Inferno" und "Unbequeme Jugend" in den Mund und sagt auch, wer dahinter steckt: lose und organisierte Rechtsextremisten.
Jahrelang war eine so klare Sprache von Seiten des Vereins nicht zu hören. Seit Sommer 2012 hatte die RUNDSCHAU immer wieder über die enge Verbindung der Gruppe "Inferno" mit der Neonaziszene, dem Cottbuser Kickboxteam und dem Rockermilieu berichtet.
Der Verfassungsschutz hatte ebenfalls darauf hingewiesen, dass der FCE auf seinen Rängen ein rechtsextremes Problem hat. Wichtige Akteure bei "Inferno" gehörten zu dem vor Jahren verbotenen Neonazi-Netzwerk "Widerstand Südbrandenburg". Ein bekannter Neonazi und Inferno-Mitgründer war jahrelang Spitzenkämpfer des Cottbuser Kickboxteams.
Doch die damalige Vereinsspitze wollte davon nicht viel hören. Als die damalige Chefin des Brandenburger Verfassungsschutzes, Winfriede Schreiber, Anfang 2013 dem Verein vorhielt, nicht konsequent genug gegen die rechtsex tremen Fans vorzugehen, wurde sie vom damaligen FCE-Präsidenten Ulrich Lepsch heftig attackiert. Er bezeichnete ihre Äußerungen als "hanebüchen" und unterstellte ihr, nur von Missständen beim Verfassungsschutz ablenken zu wollen. Den Namen "Inferno" nahm damals öffentlich niemand beim FCE in den Mund. Eine Isolierung der Rechtsextremisten in der Fanszene zeichnet sich auch deshalb erst jetzt ab. Schon beim Spiel in Bautzen Ende März stellte sich ein Großteil der mitgereisten Fans aktiv mit Sprechchören gegen die Krawallmacher.
Die gefährliche Mischung von Rechtsextremisten und anderen gewaltbereiten Gruppen in Cottbus macht sich jedoch inzwischen auch immer wieder durch Aktionen außerhalb des Fußballstadions bemerkbar. Im Februar 2016 gaben vermummte Hooligans maßgeblich mit den Ton an, als sich nachts rund 600 Energieanhänger anlässlich des 50. Vereinsjubiläums auf dem Cottbuser Altmarkt versammelten. Sie brüllten "Bambule, Randale, Rechtsradikale", warfen Böller und zündeten Brandfackeln.
Beim Spiel am nächsten Tag zündeten sie Bengalos im Fami lienblock. Ein großes Banner nutzten sie als Deckung. Es gab drei Verletzte.
Im Januar dieses Jahres marschierten etwa einhundert Vermummte in einer Blitzaktion nachts kurz durch die Cottbuser Fußgängerpassage und verteilten Flugblätter gegen die Aufnahme nordafrikanische Flüchtlinge. Auch an dieser Aktion waren offenbar "Inferno"-Anhänger beteiligt. In Sicherheitskreisen wird eine Verjüngung und verstärkte rechtsradikale Ausrichtung der Gruppe beobachtet. Rechtsextrem zu sein sei dort nicht mehr die Ausnahme, sondern gehöre zum guten Ton. In dieser Woche will sich der Innenausschuss des Potsdamer Landtages mit der Situation rund um die rechtsradikale Fußballszene in Cottbus beschäftigen.
Der FC Energie sieht sich als Viertligist mit finanziellen Problemen auch durch die Strafen nun in einer äußerst schwierigen Situation. Was der Club mit besserer Finanz- und Personallage in der zweiten und dritten Liga versäumt hat, rächt sich jetzt.
Vor allem durch ein klares öffentliches Stellungbeziehen, will der Verein nun das Ruder herumreißen. "Mitglieder, Fans, aber auch Sponsoren dürften sich jetzt nicht wegducken oder dem FEC den Rücken kehren", so Präsident Michael Wahlich. Der Verein arbeite gerade an Ausschlussverfahren für zwei Mitglieder, die mutmaßlich an der Randale in Potsdam beteiligt waren.
Für Wahlich ist ein ganz wichtiges Ziel, dass jeder Stadionbesucher ohne Angst die Spiele des Cottbuser Vereins besuchen könne. Darin ist er sich mit der Cottbuser Polizei einig. "Dass eine klar rechtsextreme und gewalttätige Szene hier den Ton angibt, wird nicht toleriert", kündigt Polizei direktor Sven Bogacz an.
Zum Thema: Für die Rechtsextremisten im Cottbuser Energie-Fan-Block ist der als "links" geltende Potsdamer Verein Babelsberg 03 ein besonderes Hassobjekt. Nicht erst jetzt Ende April, schon beim Hinspiel des FCE gegen die Potsdamer im November 2016 machte die braune Truppe gegen Babelsberg mobil. Rund 100 Schwarzgekleidete hatten aus einem Sitzplatzblock heraus die Babelsberger als "Juden und Zigeuner" beschimpft, "Sieg heil" geschrien und den Hitlergruß gezeigt. Sie skandierten "Arbeit macht frei, Babelsberg 03". "Arbeit macht frei" war die Inschrift am Tor des Vernichtungslagers Auschwitz und anderer Konzentrationslager der Nazis. Auch bei diesem Zwischenfall galten "Inferno"-Anhänger als die wichtigsten Akteure. Etwa ein Dutzend Mitglieder der Gruppe, die bereits Stadionverbote hatten, wurden in Stadionnähe von der Polizei festgenommen.