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Bunker in Albanien: Backpacker statt Bomben

Foto: Team Bed&Bunker HS-Mainz

Rund 400 000 Bunker stehen in Albanien. Sie erinnern an eine von Krieg und Isolation geprägte Ära. Das wollte eine Architektur-Studentin aus Mainz ändern.


Es ist die Geschichte vom großen Traum einer albanischen Studentin in Deutschland. Ihre Idee: Den Überbleibseln kriegerischer Vergangenheit eine neue Funktion geben. Es ist der Versuch, Bunker, die errichtet wurden, um sich vor den Angriffen Fremder zu schützen, zur Unterkunft für internationale Reisende zu machen. Aber es ist auch eine Geschichte ohne richtiges Happy End.

Iva Shtrepi lebt seit sieben Jahren in Deutschland. Um an der Fachhochschule (FH) Mainz Innenarchitektur zu studieren, verließ die heute 32-Jährige ihr Heimatland Albanien. Bis 1990 regierten dort die Kommunisten um den Diktator Enver Hoxha. Sukzessive wurde Albanien seinerzeit von der Außenwelt isoliert. Die 400 000 Bunker, die damals gebaut wurden, erzählen noch heute davon. „Für jeden Albaner sind sie etwas Negatives. Sie symbolisieren die Zeit der Verschlossenheit und Isolation", sagt die Innenarchitektin.

Sthrepi gehört einer neuen albanischen Generation an, die die Vergangenheit aufarbeiten will. Seit ein paar Jahren wagen sie sich an die Bunker heran, bemalen oder zweckentfremden sie. Bars werden daraus, Lagerräume und Ställe. Touristen können Miniaturbunker inzwischen sogar als Souvenir kaufen.

Weil Shtrepis Mittel die Raumgestaltung ist, hat sie 2011 für ihre Diplomarbeit eine „Bunkerkunft" entworfen. Es ist eine Anleitung, eine dieser Schutzhütten aus dem Krieg zu einer für Individualreisende umzubauen. Darin ist Platz für acht Touristen und zum Schlafen, Kochen und Duschen. Eine Idee zu gut, um sie nur auf dem Papier zu sehen, dachte sich Markus Pretnar, Professor für Innenraumgestaltung und Farbe im Raum. Basierend auf der Diplomarbeit starteten Studierende der FH Mainz und der Polis Universität in Tirana kurz darauf das Projekt „Bed&Bunker" mit dem Ziel Shtrepis Traum zu realisieren.

Das Team machte sich auf die Suche nach einem Bunker, der ihren Vorstellungen entsprach. Fast 25 Jahre nach dem politischen Umbruch ist Albanien noch immer übersät von den Beton-Iglus, durch die wie durch große Poren die dunkle Vergangenheit atmet. Einer von ihnen steht in Tale, einem kleinen Ort am Meer, 60 Kilometer nordwestlich von Tirana. Fast 600 Tonnen wiegt der verwaiste, graue Koloss, der wie alle seiner Art noch immer der Regierung gehört.

21 Studierende arbeiteten an der Realisation der „Bunkerkunft". Zehn von ihnen studierten Innenarchitektur an der FH Mainz, die elf anderen Architektur an der albanischen Polis Universität in Tirana. Nach je einem Workshop in Deutschland und Albanien trafen sie sich für zwei Wochen in Albanien um einen Bunker vom Typ M45 umzubauen.

Für zwei Wochen kamen die albanischen und deutschen Studierenden im September 2012 in Tale zusammen und machten sich an die Sanierung. Sie legten Holzbohlen aus, wechselten die schwere Tür durch eine neue aus Holz aus, aus der Schießscharte machten sie ein großes Fenster. Die Jungarchitekten zimmerten, hämmerten, tranken Raki in der Abendsonne, gingen im Meer schwimmen und transformierten diesen tristen Zeitzeugen zu einer modern-minimalistischen Unterkunft.

Doch an Tag 14, als alles schon fast fertig war, wendet sich das Blatt. Erst raste ein Gewitter über Tale hinweg, die Jungdesigner arbeiteten im Regen, das nahende Ziel, eine Eröffnungsparty mit hunderten von Gästen, vor den Augen. Um 14.13 Uhr schickt der albanische Professor eine unerwartete SMS: „Baustopp" heißt es darin. Wenige Stunden später ist klar, die Studierenden müssen abreisen, das Projekt ist beendet.

Der Grund, so erzählen es Shtrepi und Pretnar heute, sei der Dorfpolizist gewesen, der in Tale eine Strandbar unterhält, und das „Bed&Bunker"-Team unter Druck setzte. Er habe Geld gewollt. „Wir haben entschieden, wir kooperieren nicht", sagt Pretnar. Die Studierenden packten ihre Sachen, schlossen die Tür des Bunkers, schmissen den Schlüssel in den Briefkasten des Nachbarn und fuhren ab. „Es gab keinen, der da nicht geweint hat", erinnert sich Pretnar.

Was heute mit ihrer „Bunkerkunft" ist, wissen die beiden nicht. Shtrepi hat es nicht übers Herz gebracht, noch mal hinzufahren. Doch der Traum lebt weiter. Anfang des Jahres wurde das „Bed&Bunker"-Projekt für den „Mies van der Rohe Award", den Architekturpreis der Europäischen Union, nominiert. Gewonnen haben sie zwar nicht, aber stolz ist Shtrepi dennoch: „Alle wissen jetzt, dass man einen Bunker verändern kann. Wir haben viel erreicht."

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