Alleine am Limit: Sie arbeiten hart und verdienen wenig.
Es geht um Solidarität - und um Arbeitsbedingungen, die mit dem Familienleben vereinbar sind. Lokführer und GDL-Mitglied Björn H. erklärt, warum er streikt.
Björn H. arbeitet seit acht Jahren als Lokführer im Ruhrgebiet. 2007 legte der 27-Jährige zum ersten Mal die Arbeit nieder, um für seine Rechte einzutreten. Seitdem ist er in der GDL organisiert. H. identifiziert sich mit seiner Gewerkschaft und kämpft gerne an der Seite seiner Kollegen. Obwohl Lokführer schon immer sein Traumberuf war, ist H. mit den heutigen Arbeitsbedingungen unzufrieden, besonders, weil sein Familienleben darunter leidet. Aus Angst vor negativen Konsequenzen bei künftigen Bewerbungen möchte er nicht mit vollem Namen genannt werden.
Herr H., wieso streiken Sie?
Mir ist wichtig, dass wir solidarisch miteinander umgehen. Wir wollen unserem Arbeitgeber zeigen, was für ein verschworener Haufen wir sind. Ich persönlich wünsche mir einen besseren Dienstplan, Überstundenabbau und mehr Lohn. Im Moment habe ich 185 Überstunden, die immer wieder aufgeschoben werden. Aber am wichtigsten ist, dass wir als GDL auch für das restliche, gewerkschaftlich organisierte Zugpersonal Verträge aushandeln dürfen.
Was würde sich für Sie persönlich verbessern, wenn die GDL mit ihren Forderungen durchkommen sollte?
Der wilde Wechseldienst, den wir bei uns haben, bedeutet, dass ich mal um 3 Uhr und mal um 18.45 Uhr Dienstbeginn habe. Das ist schwierig für die Familie. Die leidet darunter. Oder wenn der Dienstverteiler am Donnerstag anruft und fragt, ob ich Samstag, an meinem eigentlich freien Tag, arbeiten kann, ist das nicht so toll. Im Moment ist es schwierig, Familie und Beruf zu vereinen. Obwohl es ein Traumberuf ist, kommt man irgendwann damit nicht mehr klar.
Erleben Sie Druck unter Kollegen oder vonseiten der GDL, am Streik teilzunehmen?
Unter uns gibt es keinen Streit. Es ist jedem freigestellt, ob er mitstreiken möchte oder nicht. Manche haben andere Ansichten, aber ich habe nie daran gezweifelt mitzumachen. Wir ziehen alle an einem Strang. Wir müssen zusammenhalten und ein Ausrufezeichen setzen.
Können Sie denn die Kritik der Bahnreisenden verstehen?
Ja, verständlich ist das. Besonders wenn Leute sich eine Monatsfahrkarte gekauft haben oder jetzt um 5 Uhr statt um 6 Uhr aufstehen müssen, ist das natürlich nicht angenehm und mit Stress verbunden. Ich glaube aber, dass viele Kunden gar nicht hinterfragen, wieso wir streiken und die Gründe auch gar nicht kennen.
Lokführer wurden bereits beschimpft und bespuckt. Ist Ihnen so etwas schon passiert?
Ich wurde beim Streik 2007 beschimpft. Das trifft einen persönlich hart, weil man immer versucht, im Job sein Bestes zu geben. Natürlich gibt es jetzt negative Seiten, Beleidigungen und versuchte Gewaltanwendung. In sozialen Netzwerken wird sogar offen zu Gewalt gegen uns aufgerufen. Das hat auch mit der Hetze in den Medien zutun, in der „Bild“ oder im „Focus“ etwa.
Wie ist das in Ihrem persönlichen Umfeld? Was sagen Ihre Freunde, Ihre Familie?
Wenn ich den Leuten vernünftig erkläre, worum es uns geht, dann gibt es Rückendeckung. Aber es kommen schon viele Fragen, die ich beantworten muss.
Wie verbringen Sie die kommenden drei Tage?
Kollegen, die keinen Dienst haben, kommen vorbei. Wir trinken Kaffee und reden, wie es weitergehen soll. Auch wie es überhaupt so weit kommen konnte. Aber wir besprechen auch normale Dinge, zum Beispiel, welcher Zug gerade Verspätung hat.
Interview: Hannah Weiner
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