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Interkulturelle Kommunikation: Wie meinst du das?

Indische Gäste, chinesische Kollegen: Drei Berufseinsteiger erzählen, wie sie mit Kulturschocks umgehen.


Missverständnisse über den Wolken

"Ich habe jeden Tag mit Menschen aus aller Welt zu tun, denn ich arbeite als Flugbegleiterin. Missverständnisse lassen sich an Bord nicht vermeiden. Einmal habe ich eine Frau aus Indien bedient. Sie hat sich nie bedankt, wenn ich ihr Getränke und Essen serviert habe. Ich dachte mir: Da muss sie wohl unzufrieden sein. Aus Deutschland bin ich es gewohnt, dass schon Kinder aus Höflichkeit 'Bitte' und 'Danke' sagen. Beim Aussteigen kam die indische Frau dann aber zu mir und nahm sich Zeit, sich für die Gastfreundschaft an Bord zu bedanken. Am Ende hat sie mich sogar umarmt. In manchen Kulturen wird das Wort Danke eben seltener benutzt. Das heißt aber nicht, dass die Menschen etwas weniger schätzen. Ein weiterer Unterschied: Manche Passagiere, vor allem aus Ostasien, lehnen aus Höflichkeit ab, wenn man ihnen das erste Mal ein Wasser oder einen Tomatensaft anbietet. Dann gehe ich als Deutsche weiter und denke: Okay, die möchten nichts trinken. In meiner Ausbildung habe ich aber gelernt, bei den Leuten lieber mehrmals nachzufragen. Oft möchten sie eben doch etwas. Zwar ist jeder Flug anders, trotzdem lassen sich auf bestimmten Strecken Gemeinsamkeiten erkennen. Auf Flügen nach Südamerika machen die Gäste Small Talk, landen wir in Japan, müssen wir kaum aufräumen. Mit meinen Kollegen spreche ich oft darüber, was wir so erleben. Wir fragen uns dann: Warum hat der Gast in bestimmten Situationen wohl so gehandelt? Diskussionen darüber sensibilisieren mich dafür, dass nicht alle Menschen den gleichen Hintergrund haben. Wichtig ist aber auch: Man kann nicht einfach von der Kultur auf den Menschen schließen. Sie macht nur einen Teil seiner Persönlichkeit aus."

Carolin Falk, 26, arbeitet seit zwei Jahren als Flugbegleiterin bei der Lufthansa. Jeden Monat darf sie sich ein Wunschziel aussuchen, meistens wählt sie Mexiko oder Indien.


Deadlines in Shanghai

"China und Deutschland trennen mehr als 8000 Kilometer. Und natürlich viele kulturelle Unterschiede. Um die Entfernung zu überbrücken gibt es Züge. Beim Überbrücken der kulturellen Unterschiede kann ich helfen. Ich arbeite als Wirtschaftsingenieurin bei DB Cargo, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Um etwa chinesische Laptops exportieren und deutsche Autos importieren zu können, baut die chinesische Regierung die Schienenstrecke zwischen China und Europa aus. Auch die Deutsche Bahn arbeitet beim Bau der 'neuen Seidenstraße' mit.

Momentan arbeite ich drei Monate in . Ich übersetze zum Beispiel technische Texte vom Deutschen ins Chinesische und recherchiere potenzielle Partner für unsere Transporte. Ich habe einen deutschen und zwei chinesische Kollegen. In Meetings habe ich mir angewöhnt, unterschiedlich zu kommunizieren. Dem Deutschen gebe ich ein klares, direktes Feedback. Zum Beispiel: 'Nein, so funktioniert das nicht.' Zu meinen chinesischen Kollegen sage ich eher: 'Ja, ich denke noch einmal darüber nach, vielleicht finden wir eine Lösung.' Beiden ist klar: Das wird eher nichts. Auch Deadlines kündige ich unterschiedlich an. Zu den Deutschen sage ich nur: 'Freitag 10 Uhr ist Deadline.' Bei den chinesischen Kollegen lasse ich noch einen Puffer. Ich sage: 'Es wäre toll, wenn du es bis Donnerstagvormittag schaffst, aber nachmittags passt auch noch.' Weil es normal ist, dass eine Deadline ein wenig überschritten wird, habe ich es dann Freitagmorgen. Ein sensibler Umgang mit meinen Kollegen erleichtert die Zusammenarbeit und vermeidet peinliche Situationen.

Ich mache das schon mein Leben lang so, denn meine Eltern kommen aus China. Zu Hause gab es das Chinesische und in der Schule das Deutsche. An einiges musste ich mich nach meiner Ankunft in Shanghai trotzdem erst einmal gewöhnen. Zum Beispiel erwarten die Unternehmen, dass man permanent erreichbar ist. Es ist schon passiert, dass ich auch nachts im Bett noch mit dem Smartphone Fragen von Kunden beantwortet habe. Außerdem ist alles digital. Miete und Kaution bezahlt man per QR-Code. Als Bestätigung bekommt man nur eine SMS, dass man gerade einen Haufen Geld überwiesen hat."

Haoxi Wang, 27, hat Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Darmstadt studiert und arbeitet als Trainee bei DB Cargo. Momentan ist sie für drei Monate in Shanghai.


Dildos in Australien

"Ob Vietnam, Brasilien oder Südafrika: Dildos und Penisringe sind überall auf der Welt beliebt. Im Marketing von Fun Factory muss ich überlegen, wie ich unsere Produkte verkaufe. Wir haben Kunden in etwa sechzig verschiedenen Ländern, da müssen wir uns als Marke anpassen. Es lassen sich zwar keine regionalen Vorlieben für bestimmte Sexspielzeuge erkennen, aber in Japan und China haben unsere Händler zum Beispiel Schwierigkeiten, Personal zu finden, das unser Sexspielzeug verkaufen will. Das liegt vielleicht daran, dass Sex dort ein größeres Tabu ist. In einem Werbevideo zur Handhabung eines Auflegevibrators mussten wir auch mal die Illustrationen einer Vulva rausnehmen, weil mehrere Händler in Asien sagten: ›So was kann ich meinen Kunden doch nicht zeigen!‹ In Australien wiederum können wir häufig keine Schaufenster gestalten, weil in den Innenstädten Sexshops im Erdgeschoss verboten sind. Um solche Themen zu besprechen, machen wir Workshops und holen uns Tipps von Händlern, aber auch von Bloggern, Sexologen und Paartherapeuten aus den Regionen.

Der größte Teil unseres Teams arbeitet in Bremen, ein kleinerer Teil in Kalifornien, auch meine Chefin. In unserem Büro in den USA war ich bisher nur dreimal, die Zusammenarbeit läuft in der Regel virtuell ab. Eine meiner wichtigsten Aufgaben ist es, die Arbeit meines Teams in Bremen und unserer Marketingleitung in Kalifornien zu koordinieren. Projekte müssen abgestimmt, Entscheidungen erklärt und Konflikte gelöst werden. Da ist es wichtig, dass es bei der Kommunikation keine Missverständnisse gibt. Unterschiede in der Arbeitskultur bemerke ich schon, beispielsweise wie in beiden Abteilungen Entscheidungen getroffen werden. Meine deutschen Kollegen werden lieber einbezogen, weshalb alles etwas länger dauern kann. Dafür steht das ganze Team dann hinter einer Entscheidung, die ungern revidiert wird. In den USA wollen die Angestellten weniger vom Vorgesetzten einbezogen werden. Dafür ist allen bewusst, dass die Entscheidung möglicherweise noch einmal angepasst wird.

Was bei beiden Teams allerdings gleich ist: Wenn wir besprechen, wie die Sextoys verwendet werden sollen, sind viele Kollegen zunächst peinlich berührt. Aber nach einer Weile haben sich alle daran gewöhnt."

Alexander Schlobohm, 26, ist Product Manager bei Fun Factory in Bremen. Er hat einen Bachelor in International Management und macht einen berufsbegleitenden Master in Bremen.

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