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"Ganz viel Kraft, Frau Kraft"

Wetter. Da komme sie einmal nach Wetter, und dann sei eben dieses „so schlecht", ärgert sich Hannelore Kraft mit einer vielsagenden Handbewegung gen Himmel. Tatsächlich; just, als die Ministerpräsidentin im schwarzen Audi in der Ruhrstadt vorfährt, beginnt es zu schütten wie aus Eimern. Einen ersten Gang durch die Kaiserstraße lässt sie sich trotzdem nicht nehmen - schließlich hofft die Stadt Wetter auf die finanzielle Förderung des Landes NRW, um die Straße umzugestalten.

Auch die Opelaner, die unter der schützenden Plane eines Blumenstandes auf dem Wochenmarkt Zuflucht gefunden haben, übersieht sie nicht, spricht ihnen Mut zu, drückt Hände. Begleitet von SPD-Bundestagskandidat Ralf Kapschack und Bürgermeister Frank Hasenberg, verteilt Kraft Rosen; rosafarbene, keine roten. „Macht nichts, es gibt ja verschiedene Rottöne", sagt Kapschack schmunzelnd.

Dann verlagert sich das Geschehen ins Trockene, vom Bahnhofsvorplatz ins Ruhrtalcenter. „Ich hoffe, ich kann ihr die eine oder andere Frage stellen", sagt Bürgerin Edda Oberhauser. Sie ist nicht die einzige; besonders viele ältere Wetteraner wollen ihre Sorgen an diesem Morgen mit der Ministerpräsidentin teilen. Kein Wunder also, dass die Themen Rente, Arbeit und Gesundheit dominieren. Trotz Krücken hat es ein Wetteraner bis ganz nach vorn geschafft. Gerade sei er vom Arzt gekommen, ein Privatversicherter habe ihm seinen nächsten Termin „weggeschnappt". Die Reaktion: „Schluss mit der Zwei-Klassen-Medizin", sagt Kraft, „wir wollen eine Bürgerversicherung."

Plakat der Gewerkschaft

Gewerkschaftler Günther Stamm hat sogar ein Plakat gebastelt, das er, an zwei Stäben festgemacht, hoch über seinen Kopf hält. „Mehr Geld für Bildung" steht dort unter anderem. „Könnt Ihr denn auch mal drauf schreiben, dass wir das längst machen?", fragt Kraft mit einem energischen Nicken Richtung Günther Stamm. „Wir haben eine Milliarde mehr für Kinder und Bildung ausgegeben." Der Gewerkschaftler scheint verunsichert, er grinst verlegen. Dann aber entbrennt zwischen ihm und der Landesmutter eine lebhafte Diskussion zum Thema Bildung und Hauptschule am Ort, wo der Fachunterricht nicht abgedeckt sei und es nicht ausreichend Vertretungslehrer gäbe. Kraft hört aufmerksam zu, nickt, stellt mehrfach klar: „Bildung ist uns wichtig."

Und weiter geht's durch das Ruhrtal-Center, mal in die Apotheke, dann in den Lottoladen, schließlich zu Kodi - ein Röschen hier, ein nettes Wörtchen da. Und auf die Frage nach ihrem Verbleib im Falle von Steinbrücks Niederlage in Berlin immer wieder das Versprechen: „Ich bleibe in NRW. Die 18 Millionen Menschen hier brauchen mich." Auch mit Demag-Mitarbeitern spricht die Ministerpräsidentin, denn „die Entwicklung der Firma habe ich verfolgt", so Kraft, „und halte sie für äußerst bedenklich."

Herzenswünsche zu erfüllen

Der Betriebsrat habe ihr versichert, dass nach wie vor Verhandlungen laufen. „Ich hoffe sehr, dass die Geschichte für Wetter gut ausgeht."

Schließlich hat sich auch Edda Oberhauser durch die Menge durchgekämpft und Kraft die Hand geschüttelt. „Ich arbeite, seit ich 14 bin, und würde gerne mit 63 aufhören, ohne Abschläge inkauf nehmen zu müssen" , so die 60-Jährige. Hannelore Kraft hält ihre Hand fest, nickt und sagt: „Wir setzen uns dafür ein, dass alle, die 45 Jahre eingezahlt haben, keine Abschläge hinnehmen müssen." „Damit würden Sie mir einen Herzenswunsch erfüllen", versichert Oberhauser, „und dafür wünsche ich Ihnen ganz viel Kraft, Frau Kraft."

Hanna Voß

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