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Radio FM4 - Online (16)

"Sigo aferrado a Cristo y confiado en mis médicos y enfermeras. Hasta la victoria siempre!! Viviremos y venceremos!!!"

Hugo Chávez mag sich darüber bewusst gewesen sein, dass seine Zeit gekommen war, als er diese letzten Zeilen am 18. Februar über Twitter in die Welt hinaus schickte: "Ich halte weiter an Christus fest und vertraue meinen Ärzten und Krankenschwestern. Auf den ewigen Sieg!! Wir werden leben und gewinnen!!!"

Doch Chávez hat nicht gewonnen. Der Krebs, gegen den er seit Monaten ankämpfte, hat den venezolanischen Präsident schlussendlich doch besiegt. Seit gestern Abend ist die Nachricht offiziell: Hugo Chávez ist tot.


Der selbsternannte Revolutionär

Dass Chávez einer der einflussreichsten Politiker Lateinamerikas war, ist unbestritten. Und eine Sache ist gewiss: Er, der er zu Lebzeiten polarisiert hatte wie sonst kaum jemand, tut dies auch über seinen Tod hinaus. Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer um die Welt und aus allen Ecken ertönten Lobgesänge auf Lateinamerikas letzten Revolutionär. Andere atmeten hörbar auf: Endlich ist er weg und kann in dieser Welt keinen Schaden mehr anrichten.

Doch wer war dieser Mann, der die Welt in die zwei Lager der Chávez-Verehrer und der Chávez-Hasser teilte? Der den Argentinier Che Guevara zitierte und eine enge Freundschaft mit Kubas abgetretenem Präsidenten Fidel Castro pflegte? Den manche als Diktator verteufelten, andere als Befreiungskämpfer bejubelten?

Sein Geheimnis: Er hatte einen Traum, der ihn sein ganzes Leben lang antrieb und seine Politik prägte, den Traum der Bolivarischen Revolution. Als Vorbild galt der Venezolaner Simón Bolívar, der die südamerikanischen Länder gegen die spanischen Kolonialherren in die Unabhängigkeit führte. Auf ähnliche Art und Weise wollte Hugo Chávez Lateinamerika aus den Händen der USA und deren Wirtschaftsdoktrin, dem Neoliberalismus, befreien. Basierend auf sozialistischen und marxistischen Ideen sollten die lateinamerikanischen Staaten eigenständig und unabhängig vom großen Nachbarn im Norden agieren und dadurch neues Selbstbewusstsein erlangen.

Wie in ganz Lateinamerika, versuchten die USA während der 1970er und 1980er Jahre auch in Venezuela ihre Macht geltend zu machen, indem sie ihnen gegenüber positiv gesinnte Politiker einsetzten und das Land als Experimentierfeld neoliberaler Ideologien verwendeten. In Venezuela schienen die Ideen des selbsternannten Revolutionärs Chávez daher auf fruchtbaren Boden zu fallen. Der Militärputsch, den der Comandante im Jahr 1992 gegen die damalige Regierung angeführt hatte, war zwar gescheitert. Doch wusste er schon früh, die Medien für seine Anliegen einzusetzen. Unter der Bedingung, eine kurze Ansprache im Fernsehen halten zu dürfen, ergab er sich. Er nutzte die Gunst der Stunde, erklärte sich verantwortlich für den Putsch, versprach aber auch, dass der Moment eines politischen Wandels für Venezuela kommen würde.

Und er hatte Recht.


Der volksnahe Präsident

Sechs Jahre nach dem misslungenen Putsch, stellte sich Chávez in regulären Wahlen dem Volk und schaffte es, mit 56% der Stimmen in den Präsidentenpalast einzuziehen. Der neue Führer gab sich volksnah und schien damit einen großen Teil der Venezolaner überzeugen zu können. Kurz nach Amtsantritt ließ er über eine neue Verfassung abstimmen, die unter anderem neuerliche Wahlen für alle Ämter, einschließlich jenes des Präsidenten, vorsah. Bei den Wahlen im Jahr 2000 konnte Hugo Chávez seinen Erfolg von 1998 toppen: Er wurde mit 60,3% der Stimmen in seinem Amt bestätigt.

Seitdem war er von der politischen Bildfläche Lateinamerikas nicht mehr wegzudenken. Kaum jemand, der seine permanenten Tiraden nicht kennt, die er regelmäßig Richtung USA und Westen schickte. Ohne diese Verbal-Attacken wäre Chávez im Weltgeschehen womöglich großteils unbeachtet geblieben. Doch jemand, der den US-Präsident George W. Bush während einer Rede vor den "Vereinten Nationen" als Teufel und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als Hitler bezeichnete, konnte kaum übersehen werden.

Sein Erfolg mag auch darin gelegen haben, dass er den Venezolanern tiefgreifende Reformen versprochen hatte und das Land gegenüber den langen Armen der USA abzuschotten versuchte. Im Zuge der Bolivarischen Revolution veranlasste er unzählige Projekte, die der sozial schwächeren Gesellschaftsschicht zugute kommen sollten: Es wurden Lebensmittel verteilt, der Analphabetismus bekämpft, 50 neue Universitäten gebaut, mobile Ambulanzen eingerichtet und neuer Wohnraum geschaffen. Die Liste ist lang. Jedenfalls reichte Chávez' Engagement zu einer neuerlichen Wiederwahl im lateinamerikanischen "Super-Wahljahr" 2006, während dem zehn der 20 Länder des Kontinents ihre Staatsoberhäupter neu wählten und damit die Ära der linksgerichteten Regierungen einläuteten.

Auf internationaler Ebene versuchte er die lateinamerikanische Integration voranzutreiben. So initiierte er etwa 2004 die Bolivarische Allianz für Amerika, ein Wirtschaftsbündnis gleichgesinnter lateinamerikanischer Staaten. 2007 wurde als Alternative zu IWF und Weltbank die Bank des Südens gegründet, die den einzelnen Staaten Lateinamerikas finanzielle Unabhängigkeit garantieren sollte. Von Globalisierungskritikern wurde Chávez für dieses Engagement durchaus gelobt.


Der ewige Gewinner

Doch so ganz kritiklos konnten und wollten seine Gegner die Politik und das Auftreten Chávez' nicht hinnehmen. Er unterhielt dubiose Freundschaften zu politischen Persönlichkeiten wie Irans Präsident Ahmadinedschad oder Libyens Ex-Diktator al-Gaddafi. Unter demokratischen Gesichtspunkten war dieser Umstand schwer gutzuheißen.

Doch die Opposition in Venezuela hatte ein Problem: Sie brachte es über Jahre hinaus nicht fertig, einen aussichtsreichen Kandidaten in die Wahlen zum Präsidenten zu schicken. In seiner gesamten politischen Karriere hatte Chávez keine einzige Wahl verloren. Erst 2012 kam Hoffnung auf, als sich die 32 oppositionellen Kleinparteien auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten, der Chávez zumindest in Ansätzen das Wasser reichen konnte. Der 40-jährige Henrique Capriles Radonski, Gouverneur des Bundesstaates Miranda, war die neue Polithoffnung des Landes. Auch er hatte bis dahin keine einzige Wahl verloren.

Zwar musste sich Capriles bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2012 gegen Chávez geschlagen geben, doch konnte er beinahe 45% aller Stimmen für sich gewinnen - ein Erfolg, der die Opposition für die Zukunft wieder ins Rennen um politische Ämter bringen könnte.


Die verlorene Leitfigur

Seinen Amtseid für die aktuelle Amtsperiode konnte Hugo Chávez nicht mehr ablegen, der Tod kam ihm zuvor. Offen steht die Frage im Raum, wie es jetzt um die Zukunft Venezuelas bestellt ist, nachdem die jahrzehntelange Leitfigur nicht mehr da ist. Der Schock scheint in der Gesellschaft tief zu sitzen. Überall im Land betrauern die Menschen den Tod ihres Präsidenten. Dennoch wurden Neuwahlen angesetzt: In 30 Tagen soll die Bevölkerung über einen neuen Präsidenten entscheiden.

Dies könnte die Chance für den oppositionellen Capriles sein, der angibt, das Land nach brasilianischem Vorbild gestalten zu wollen. Vielleicht schaffen es aber die verbliebenen Führer der bisherigen Regierungs-Partei, den Mythos Chávez auch nach dessen Ableben aufrecht zu erhalten und eine ähnlich starke Leitfigur in ihren Reihen zu etablieren. Es ist durchaus möglich, dass die Zukunft eine moderate Öffnung des Landes bedeutet, so wie sie derzeit auch Kuba erlebt. Eine Rückkehr zu jenen Machtstrukturen, wie sie vor der Ära Chávez geherrscht hatten, kann unter Anbetracht der neuen politischen Orientierung, die sich in ganz Lateinamerika unter Mitwirken Chávez' ausgebreitet hat, so gut wie ausgeschlossen werden.

Gewiss ist, dass das Engagement und der Einfluss des Comandante Chávez nicht verloren ist und in irgendeiner Art und Weise in Venezuela und ganz Lateinamerika weiterleben wird.

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