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Radio FM4 - Online (2)

"Alle mit Blumen zur Plaça de Catalunya kommen!" Die Twitter-Timeline rattert, während über dem Platz mitten im Zentrum Barcelonas ein Polizeihubschrauber kreist. Man hört Sirenen, Schreie, Schüsse. "¡No nos vamos! - Wir gehen nicht!"

Mitte Mai begann sich die Protestwelle über ganz Spanien auszubreiten. Alles begann mit großen Demonstrationen. Sie sollten auf den Unmut der Bevölkerung über die hohe Zahl an Arbeitslosen, die wachsende Perspektivenlosigkeit und das herrschende System aufmerksam machen. Seitdem halten Tausende Menschen zentrale Plätze in den Städten des ganzen Landes besetzt. So auch die Plaça de Catalunya in Barcelona. Bis Freitag Früh war der Protest in der katalanischen Hauptstadt friedlich, dann eskalierte die Situation. Kurz nach Tagesanbruch tauchten die Mossos d'Esquadra, die Polizei Kataloniens, im Zentrum auf. Sie sollte der städtischen Putzkolone den Weg freimachen, damit diese den Platz reinigen könnte. Denn am Wochenende ist das große Finale der Champions League, es wird der FC Barcelona gegen Manchester United antreten und sollte Barça gewinnen, werden die Fans auf die Plaça de Catalunya strömen, um den Sieg zu feiern. "Es geht nicht darum, den Platz zu räumen", sagt Manuel Prat von der spanischen Polizei in einem Gespräch mit dem Fernsehsender Antena 3, "wir müssen nur garantieren, dass der Platz sauber gemacht werden kann". Den Besetzern auf der Plaça de Catalunya wurde mitgeteilt, dass sie fünfzehn Minuten Zeit hätten, um ihre persönlichen Gegenstände einzusammeln und den Ort zu verlassen. Viele kamen der Aufforderung nach, andere aber blieben, um eine Räumung des Platzes zu verhindern.


Blumen und Polizei

Wie Darth Vader aus Star Wars sehen die Polizisten aus, die auf die am Boden sitzenden Demonstranten zustürmen und wahllos auf Menschen einknüppeln. Die Angst ist diesen ins Gesicht geschrieben, sie strecken die Arme in die Luft. Friedlich soll der Protest sein. Eine am Boden liegende Frau klammert sich an ihr Handy, während sie von einem Polizisten am Arm über den Asphalt gezogen wird. Einzelne Personen stellen sich schützend vor Verletzte und versuchen die Situation zu deeskalieren. "¡El pueblo unido, jamás sera vencido! - Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden!", wurde Tage zuvor noch auf der ebenfalls besetzten Plaza Puerta del Sol in Madrid gesungen. An diesem Freitagmorgen verbreitet sich die Nachricht von der Polizeirepression gegen die Menschen in Barcelona in Windeseile. Aus allen Ecken Spaniens wird Solidarität bekundet und dazu aufgerufen mit Blumen zu den besetzten Plätzen Spaniens zu kommen. Sechs Stunden lang wüten die Mossos auf der Plaça de Catalunya, bevor sie wieder abziehen.

Laut der spanischen Tageszeitung El Pais gab es in diesen sechs Stunden mehr als 90 Verletzte. Felip Puig, Abgeordneter des katalanischen Parlaments, erklärt Stunden später, die Aktion am Morgen wäre eine Preventionsmaßnahme gewesen. Es sollten Zwischenfälle während einer möglichen Siegesfeier der Barças am darauffolgenden Tag vermieden werden. Das brutale Vorgehen gegen die Menschen auf dem Platz im Zentrum Barcelonas aber hat der Bewegung Aufschwung gebracht. Nach den Wahlen vergangenes Wochenende war es still um die Proteste geworden, überhaupt wagten nur wenige der internationalen Medien darüber zu berichten.


European Revolution

Freitag Abend aber sind die Plätze Spaniens wieder gut gefüllt. In Barcelona haben die Protestierenden ihre Zelte erneut aufgebaut und Zulauf bekommen. Waren es den Tag zuvor noch Hunderte, die die Plaça de Catalunya besetzt hielten, so sind es jetzt Tausende. Über Twitter und Facebook haben sich die Meldungen über die Vorfälle in Barcelona wie ein Lauffeuer verbreitet. Auch in Frankreich und Italien formieren sich Massenproteste. In Athen haben die Griechen den Syntagma Platz vor dem Parlament besetzt. Und im Internet wird zur European Revolution" aufgerufen. Am Sonntag sollten in den Städten Europas die zentralen Plätze besetzt werden und sich das europäische Volk zeitgleich gegen die herrschenden Machtverhältnisse auflehnen. Immer wieder versuchten Menschen in den letzten Jahren mittels Protesten in Europa Veränderungen durchzusetzen. Eine aufkeimende Demokratiekrise, ökonomisches Konkurrenzdenken und der damit einhergehende Druck auf die junge Generation lassen sich als Ursachen ausmachen. Ob die "European Revolution" tatsächlich vonstatten gehen wird, hängt wohl mitunter vom Ausgang des heutigen Fußballspiels zwischen FC Barcelona und Manchester United ab. Und der Frage, wie die spanische Polizei reagieren wird, wenn die Spanier das Spiel tatsächlich gewinnen und Barça-Fans wie auch Demonstranten die Plaça de Catalunya gleichzeitig für sich beanspruchen.

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