Als das Leben im März heruntergefahren wurde, als Kinos, Theater und Büros schlossen und Distanz zu allen Lieben zum Gebot wurde, fühlten sich viele Menschen zunehmend einsam. In den Köpfen vieler waren es vor allem die Singles, die Alleinstehenden, die davon betroffen waren. Weil Alleinsein mit Einsamkeit und Unglück gleichgesetzt wurde. Muss es aber nicht. Im Gegenteil, die letzten Monate haben uns auch bewiesen: Singles sind bestens für die Krise gerüstet.
Denn warum soll eine Beziehung in jedem Fall besser sein, als allein durch die Krise zu kommen? Solche Zuschreibungen funktionieren höchstens in Filmen wie Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück.
Sicher gibt es Paare, die sich nichts sehnlicher wünschen, als endlich genug Zeit zu haben, um sich alle Wünsche von den Augen abzulesen. Für viele war die Realität der letzten Monate dann aber doch eine andere: Es flogen die Fetzen. Die Familienrechtlerin Alicia von Rosenberg sagt im Gespräch am Telefon: "Die Krise hat wie ein Brennglas gewirkt. Viele Probleme in Beziehungen sind präsenter geworden, sie ließen sich schlechter umgehen, da es weniger Ablenkung gab." Wie sich das in den Statistiken niederschlägt, werden wir erst im nächsten Jahr wissen, aber schon jetzt ist klar, dass die vielen Beziehungen zugesetzt hat. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey fassten zwischen Ende März und Ende Mai 2,2 Prozent der Befragten die Entscheidung, sich scheiden zu lassen. Im gleichen Zeitraum seien es 2018 nur 0,42 Prozent aller Verheirateten gewesen. Die Familienrechtlerin Karin S. Delerue, Mitglied im Ausschuss für Familien- und Erbrecht der Bundesanwaltskammer, konnte noch keine vermehrten Nachfragen nach Scheidungsverfahren seit März beobachten, allerdings haben sie und die Kollegen im Ausschuss einen starken Anstieg in Umgangs- und Sorgerechtsverfahren bemerkt: "Die Pandemie hat als massiver Stressor auf Beziehungen gewirkt, gerade auch auf Elternebene," sagt sie am Telefon.
Man kann sich also durchaus auch als Teil eines Paares einsam fühlen: wenn man sich alleingelassen fühlt mit all dem Stress, den diese Pandemie zusätzlich bereithält. Ob Single oder Paar: Nur wer grundsätzlich einsam ist, dem wird Alleinsein auch etwas anhaben.
Zu glauben, Singles würde die fehlende Partnerschaft während des Social Distancing besonders zusetzen, heißt, nicht verstanden zu haben, was eben gerade das Kostbare am Singlesein ist: dass man sich sehr gut um sich selbst kümmern kann.