Mit Anfang 20 war sie einmal verlobt, doch zu einer Hochzeit ist es nicht gekommen. Seitdem hat sie sich 15 Mal verliebt und wurde 15 Mal abgewiesen, wie sie schreibt. Heute ist Malin Lindroth Mitte 50 und hat genug von dem Stereotyp der sorglos glücklichen Singlefrau. Zum Alleinsein gehören auch Scham und Traurigkeit, sagt sie - und will den Begriff der "alten Jungfer" neu definieren.
ZEIT ONLINE: Frau Lindroth, die alte Jungfer wird als frigide, verhärmt und nicht liebenswert angesehen - als jemand, vor dem man sogar Angst hat. Aber warum ist eine ältere Singlefrau eigentlich so bedrohlich?
Malin Lindroth: Die alte Jungfer bündelt all unsere Ängste. Sie ist allein, alt und hat keine Kinder, niemand will sie. Aber das Schlimmste ist, dass sie noch nicht mal versucht, damit glücklich zu erscheinen. Und wir haben nun mal keine Geduld mit Menschen, die nicht so tun, als wären wir alle unseres eigenen Glückes Schmied.
ZEIT ONLINE: Und darum wollen Sie zu ihrer Ehrenrettung beitragen?
Lindroth: Ja, ich möchte diesen negativ konnotierten Begriff zurückfordern. Denn es gibt immer nur diese eine Geschichte, die wir über Singlefrauen erzählen und zwar, dass sie es sich selbst so ausgesucht haben. Aber mit dieser Sichtweise habe ich mich noch nie wohlgefühlt, ich brauchte für mich eine andere Geschichte. Die Erfahrungen von alten Jungfern werden so zugedeckelt von Scham und Schweigen, dass es ein Wort braucht, um diese Erfahrungen endlich sichtbar zu machen, um sie zu verstehen. Und so habe ich beschlossen, dass der Begriff der alten Jungfer dazu beitragen soll. Er hilft uns, die Erfahrungen von diesen Frauen aufzuschlüsseln.
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ZEIT ONLINE: Sie schreiben über Ihr eigenes Leben als alte Jungfer, aber was ist mit anderen alten Jungfern, haben Sie ein Vorbild?
Lindroth: Zeitgenössische Vorbilder sind schwer zu finden, das sagt schon einiges. Die Stimme der alten Jungfer gibt es nicht. Aber natürlich gibt es jede Menge Singlefrauen, die beeindruckende Leben führen und ganz bemerkenswert davon berichten. Im Buch erwähne ich Freuds berühmte Patientin Bertha Pappenheim, die später zur Frauenrechtsaktivistin wurde, ich denke aber auch an die Lyrikerin Emily Dickinson, die ihr Alleinsein in Kunst umsetzen konnte. Aber wenn es um eine alte Jungfer mit einer kritischen Perspektive geht, fallen mir nur fiktionale Charaktere ein.
ZEIT ONLINE: Zum Beispiel?
Lindroth: Miss Marple aus den Krimis von Agatha Christie. Sie ist ein exzellentes Vorbild, denn sie nutzt ihre Erfahrungen, ihren ganz besonderen Blick, um Kriminalfälle zu lösen. Ihre Harmlosigkeit ist nur vorgeschützt. So etwas würde ich gerne öfter sehen, die alte Jungfer als Kritikerin, als Kritikerin der Umstände. Sie kann das so gut, weil sie sowohl außerhalb als auch innerhalb der Gesellschaft steht - sie ist dazwischen.