Fast 20 Millionen Katzen und Hunde leben in deutschen Haushalten. Ihr Appetit lässt die Kassen der Fertigfutterhersteller klingeln: Etwa drei Milliarden Euro geben die Halter jährlich für die Ernährung ihrer Haustiere aus. Zum Vergleich: Der Markt für Babynahrung und -pflege ist nur halb so groß. Die Hersteller betonen, dass im Fertigfutter alle Nährstoffe, die die Tiere brauchen, in bedarfsgerechten Mengen enthalten seien. Kritiker wie die Autorin Jutta Ziegler sehen das ganz anders. Die seit über 30 Jahren praktizierende Tierärztin hält Fertigfuttermittel für ungeeignet.
Einen Grund dafür sieht sie im Herstellungsverfahren des Tierfutters: "Durch hohe Erhitzung und hohen Druck werden fast alle Nährstoffe, Aminosäuren, Vitamine, Enzyme und Vitalstoffe komplett zerstört. Die müssen darum später in Form von synthetischen Stoffen zugeführt werden. Man kann nicht einfach Kohlenhydrate, Fett und Eiweiße mixen und künstliche Vitamine dazugeben, das ergibt keine vollwertige Ernährung. Dieses Futter ist tot."
Ebenso kritisiert sie den meist viel zu hohen Getreideanteil. "Eine Katze braucht überhaupt kein Getreide", sagt Ziegler. "Die Katze ist ein reiner Fleischfresser, doch die meisten Fertigfutter enthalten überwiegend Getreide." Hunde seien zwar keine reinen Fleischfresser, doch auch sie könnten einen zu hohen Getreideanteil nicht wirklich verstoffwechseln. Die Folgen seien massive Verdauungsbeschwerden und mitunter sogar Allergien.
"Rohfutter ist artgerecht"Ziegler hat mit ihrem 2011 erschienenen Bestseller "Hunde würden länger leben, wenn..." einen Trend mitbefördert, der die Industrie einiges an Umsatz kosten dürfte. Denn immer mehr Tierhalter setzen statt auf Fertigfutter auf "biologisch artgerechte Fütterung", kurz BARF. Im Internet tauschen sie sich aus über optimale Mengen und Zusammensetzung und über Bezugsquellen für das Futter. Auch die Tierheilpraktikerin Silke Volkmann aus Hamburg "barft" ihren vier Jahre alten Bordercollie: "Biber" kriegt ausschließlich rohe Kost, eine Fleisch-Gemüse-Kombination, die ihm offenbar bestens bekommt. Das Fleisch liefert ein auf BARF spezialisierter Händler tiefgekühlt frei Haus. Das Gemüse kauft Volkmann einmal die Woche frisch auf dem Markt ein. "Biber" schmeckt es.
Kampf um die FutternäpfeDoch die Tiernahrungsbranche will die lukrativen Futternäpfe nicht kampflos aufgeben. Sie warnt vor Mangelerscheinungen und Krankheiten bei den Tieren: Gebarftes Futter könne die "Anforderungen an ausgewogenen Mengen der jeweiligen Bedarfselemente nicht erfüllen" (Deutscher Verband Tiernahrung). Der renommierte Tierernährungswissenschaftler Professor Jürgen Zentek von der Freien Universität Berlin sieht das differenzierter: Eine ausgewogene Ernährung mittels Barfen sei ohne weiteres möglich, doch in unerfahrenen Händen bestehe womöglich das Risiko einer Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen.
Keine WissenschaftTierheilpraktikerin Volkmann will das so nicht stehen lassen. "Rohfütterung ist keine Wissenschaft", sagt sie. "Vor Einführung der Fertigfuttermittel haben Generationen von Tierhaltern schließlich nichts Anderes gemacht." Möglichen Mangelerscheinungen bei "Biber" beugt sie durch eine ausgewogene Ernährung vor - zu der ab und an auch ein roher Knochen zum darauf Rumkauen gehört. "Der sorgt gleichzeitig für Mineralstoffzufuhr und eine gute Zahnpflege."
"Barfer" wie Volkmann nehmen gern etwas Mehrarbeit in Kauf, um ihren Tieren etwas Gutes zu tun. Auch wenn dies eher ein subjektives Gefühl ist, denn wissenschaftlich abgesichert ist das Ganze bisher nicht. Es gibt bislang keine einzige unabhängige Studie, die die Rohfütterung mit der von hocherhitzten Fertigfuttermitteln vergleicht. Das räumt auch Jürgen Zentek ein: "Es gibt kaum Daten zur Gegenüberstellung von BARF zu Trockennahrung. Man müsste das über eine lange Zeit beobachten."
Tierfutterhersteller an den UniversitätenUnd das wäre teuer. Doch unabhängige Forschung im Bereich Tierernährung gibt es kaum. An den Universitäten läuft kaum etwas ohne die Fördermittel der großen Tiernahrungshersteller. Zentek kennt Studien, die zeigen, dass Getreide für die Heimtiere durchaus verträglich ist, räumt aber ein: "Wenn der Hund die Wahl hat, frisst er Fleisch."