Der Streusalzverbrauch in Deutschland steigt. Darunter leiden Bäume, Bauwerke und Straßen. Mit der Solesprühtechnik läßt sich der Salzverbrauch drastisch reduzieren.
"Wann kommt der Schnee?" Diese Frage ist in den letzten Wochen häufig gestellt worden. Bis auf kurze Perioden zeigte sich der Winter 2013/14 bisher eher von seiner milden Seite. Dennoch haben die Winterdienste einiges zu tun: "Unser Ziel ist es, rechtzeitig unterwegs zu sein, das heißt Glätte möglichst zu verhindern, bevor sie entsteht", sagt Thomas Nass von der Stadtreinigung Hamburg. Die Streufahrzeuge rücken auch dann aus, wenn kein Schnee in Sicht ist, etwa um überfrierender Nässe auf Brücken vorzubeugen.
So hat der Winterdienst der Stadt Hamburg - trotz vergleichsweise milder Temperaturen - bis Ende Januar bereits 3.600 Tonnen Salz gestreut. Für eine Bilanz des Winters ist es noch zu früh. Maximal kann die Hansestadt 17.000 Tonnen einlagern. Diese Menge werde in einem typischen, starken Winter benötigt. "Bei einem normal starken Winter liegen wir bei 10.000 bis 12.000 Tonnen und in einem schwachen Winter bei 5.000 bis 6.000 Tonnen", sagt Nass. Bundesweit landen im langjährigen Mittel pro Winter durchschnittlich 1,6 Millionen Tonnen Salz auf den Straßen. Ein Ausreißer nach oben sei der Extremwinter 2009/10 gewesen. "Da haben wir letztlich 27.000 Tonnen in einer Saison streuen müssen", sagt Nass. Damals herrschten aber monatelang arktische Zustände in Deutschland mit einer dicken Eisschicht auf vielen Straßen und Gehwegen.
Die Bäume leidenIm darauf folgenden Jahr zeigten sich vielerorts starke Schäden an Straßenbäumen. Die Überdosis Salz führte zu deutlich sichtbaren Nekrosen an Blättern und Trieben, von denen sich nicht alle Bäume wieder erholten. Denn die Aufnahme von salzreichem Tauwasser durch die Wurzeln führt auf längere Sicht zur Schädigung und zum Absterben von Zellen im Inneren der Bäume, da der Wasser- und Nährstofftransport behindert wird. Dies bestätigte ein fünfjähriges Streusalzmonitoring, mit dem die Stadt Hamburg die Auswirkungen des Tausalzeinsatzes auf das Straßenbegleitgrün im Zeitraum 2007 bis 2011 untersucht hat. Bodenkundler analysierten zudem die Straßenrandböden an 70 Standorten. Durch den Eintrag von Salzen wird auch das Bodenleben beeinträchtigt. Zum Beispiel werden für Bäume lebensnotwendige Pilze und Kleinlebewesen stark geschädigt oder sterben ab.
StreusalzmonitoringVor allem an Einzelbäumen fanden die Forscher starke salzbedingte Schädigungen. Verantwortlich dafür sei eine zusätzliche Salzbelastung, etwa durch Wasserpfützen und Spurrinnen, die zu einer vermehrten "Salzgischt" führen oder durch die Anhäufung von salzbelastetem Schnee auf den Pflanzflächen der Bäume. Als besonders problematisch sehen die Forscher den Salzeinsatz auf Geh- und Radwegen an, der in Hamburg streng verboten ist. "Auf keinen Fall sollte dieses Verbot gelockert werden", sagt Thomas Däumling von der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde, der das Monitoring geleitet hat. Problematisch sei, dass sich viele Privatleute nicht an dieses Verbot hielten.
Weniger Salz als auf dem SteakDer städtische Winterdienst in Hamburg beschränkt den Salzeinsatz weitgehend auf Hauptverkehrsstraßen und Brücken. Jedes nicht gestreute Gramm spart Geld und schont die Straßenbäume. Deshalb hat die Hamburger Stadtreinigung in moderne, sparsame Streufahrzeuge investiert. Die Dosierung hängt nicht nur von dem ab, was der Fahrer am Streustoffautomaten einstellt. Die Fahrzeuge verfügen auch über eine Wärmebildkamera, welche die Temperatur der Fahrbahn in Echtzeit ermittelt. "Binnen Bruchteilen von Sekunden wird danach der Streuer eingestellt", sagt Nass. So kommen die Streufahrzeuge mit 10 bis 20 Gramm Salz pro Quadratmeter aus. "Das ist wahrscheinlich weniger als Sie auf Ihr Steak streuen würden im Verhältnis".
Privater Salzeinsatz problematischDer restriktive Einsatz hat sich für die Straßenbäume ausgezahlt, wie das Streusalzmonitoring gezeigt hat. Der Einfluss des Winterdienstes auf die Baumgesundheit sei geringer als erwartet und zumindest tolerabel. "Schlimm wird es erst dann, wenn man eben auf Geh- und Radwegen direkt an die Baumscheiben streut, das geht direkt rein", sagt Nass. Deshalb ist es in vielen Städten streng verboten, Fuß- und Radwege mit Salz zu streuen. Andere Gemeinden erlauben den Salzeinsatz in diesen Bereichen nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei Eisregen bzw. an besonders gefährlichen Stellen, wie etwa Brücken. Auch die nördlich von Hamburg gelegene Nachbargemeinde Norderstedt hat eine solche Regelung. Dennoch hat der dortige Winterdienst im letzten Winter begonnen, auch die Radwege routinemäßig mit Salz zu streuen.
Streitpunkt Geh- und RadwegeBernhard Kerlin hält das für verantwortungslos. Er war im Rathaus lange für den Schutz der Straßenbäume zuständig und kümmert sich auch im Ruhestand noch um seine Schützlinge. Mit Fotos hat er die Baumschäden dokumentiert, die er auf die Streuung der Radwege zurück führt: "Das wirkt sich ganz katastrophal auf den Baumbestand aus", sagt Kerlin, "einige sind abgestorben, andere sind sehr schwer geschädigt worden."
Mit Sanierungsmaßnahmen zur Revitalisierung von Straßenbäumen will Norderstedt nun den Schäden begegnen. Doch für Joachim Krüger, Leiter des städtischen Bauhofs, führt am Salz kein Weg vorbei. "Wir streuen das Radwegenetz in Norderstedt, damit eben die Pendler bzw. die Berufstätigen auch übern Winter weiter mit dem Rad zur Arbeit können", sagt Krüger.
Sole sprühen statt Salz streuenUm möglichst wenig Salz auszubringen, testet Krüger nun die sogenannte Solesprühtechnik. Statt Streusalz verteilt ein neu angeschafftes Gerät eine verdünnte Salzlösung. Studien haben gezeigt, dass diese "Sole" länger auf der Straße haftet als kristallines Salz. Das senkt den Verbrauch etwa um die Hälfte. Ob die Methode aber Bäume retten kann, ist dennoch fraglich. Denn sie eignet sich nur für vorbeugende Einsätze bei leichtem Frost. "Wenn wir richtig Winter haben mit richtig Schnee und wiederholten Schneefällen, dann brauchen wir den Solesprüher nicht mehr, dann werden wir wieder Feuchtsalz streuen", sagt Krüger.
Und Baumschützer Kerlin wird weiter dagegen protestieren, denn auch die beste Spartechnik werde nichts daran ändern, dass Salz auf Fuß- und Radwegen Bäume gefährdet. Kerlin fordert die Gemeinde auf, sich an die eigene Satzung zu halten. "Die ist ja mal entstanden, weil es Tausalzschäden gegeben hat. Und da steht eindeutig drin, dass auf Geh- und Radwegen kein Tausalz gestreut werden darf, sondern wenn, nur im Extremfall zum Beispiel bei Eisregen." Andernfalls könne man doch von den Anliegern nicht erwarten, dass die diese Satzung ernst nehmen und auf Streusalz verzichten.
Schneeschieber statt SalzGenau das erwartet die Stadt Hamburg von ihren Bürgern - und geht mit gutem Beispiel voran. Sie streut Rad- und Fußwege mit Sand oder Granulat statt mit Salz. Und appelliert an die Eigenverantwortung: "Winter ist Winter und ich glaube, wir sind gut beraten uns lieber was an die Schuhe, an die Sohlen zu machen, was abstumpft, als unsere Bäume totzumachen", sagt Thomas Nass und empfiehlt neben Streusand den guten alten Schneeschieber.
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