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Frauen wollen mitbestimmen | Global Ideas | DW.DE | 15.10.2013

Kopenhagen 2009 sollte eine der wichtigsten UN-Klimakonferenzen überhaupt werden. An der wegweisenden Konferenz, bei der über das weitere Bestehen des Kyoto-Protokolls entschieden werden sollte, wollte auch Judie Roy teilnehmen. Die Politikerin aus Haiti arbeitete damals für das Umweltministerium des Karibikstaates. Doch das Geld für eine Reise nach Europa würde für sie nicht mehr reichen, so ihr damaliger Chef. Sie sollte nicht zu der kleinen Delegation ihres Landes gehören.

Daraufhin bewarb Judie Roy sich beim Fonds für weibliche Delegierte der Organisation Women´s Environment & Development Organization (WEDO). Sie erhielt die Unterstützung und konnte so doch an den Verhandlungen teilnehmen. Auch wenn dank des Fonds seit 2009 mehr Frauen an den Verhandlungen teilnehmen können, sind sie noch immer wenige.

Ein Drittel aller Delegierten ist weiblich

Gerade mal ein Drittel aller Länder-Delegierten ist weiblich, nur jede fünfte Delegation hat eine Frau an der Spitze. Daran hat sich in den letzten fünf Jahren kaum etwas verändert. Lediglich über einen Zeitraum von Jahrzehnten betrachtet, ist der Anteil weiblicher Delegierter um wenige Prozentpunkte gestiegen.

Johannes Kruse

Johannes Kruse ist Doktorand an der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS) und hat sich mit der Beteiligung von Frauen bei den UN-Klimaverhandlungen [PDF] beschäftigt. Dabei fiel ihm auf: Je stärker ein Land vom Klimawandel betroffen ist, desto weniger Frauen sind in den Delegationen dieser Länder auf den UN-Klimaverhandlungen.

"Die Unterrepräsentation von Frauen in vielen Verhandlungsdelegationen ist ein Spiegelbild der Situation auf der nationalen Ebene", erklärt Kruse. "Gerade bei größeren Ländern sind die Verhandlungsdelegationen ja in der Regel Teams mit Delegierten aus verschiedenen Ministerien, Forschungsinstituten, Behörden und Universitäten. Wenn Frauen in diesen nationalen Institutionen schon unterrepräsentiert sind, so wird es natürlich umso schwerer, ausgeglichene Delegationen zusammenzustellen."

Außerdem fehlten zahlreichen Ländern schlicht und einfach die Ressourcen, so Kruse: "Während Industrieländer und auch große Schwellenländer wie Deutschland oder China es sich leisten können, große Delegation zu den Verhandlungen zu schicken, sind andere Delegationen oft sehr klein. Damit sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen repräsentiert sind."

Frauen leiden öfter unter Klimawandel

Und das, obwohl Frauen den Folgen des Klimawandels oft viel stärker ausgesetzt sind als Männer, wie wissenschaftliche Studien belegen. Da Frauen in den meisten Ländern für die Ernährung der Familie zuständig sind, bekommen sie Wassermangel und Trockenheit unmittelbarer und deutlicher zu spüren als Männer. Ebenso sterben statistisch gesehen mehr Frauen bei Umweltkatastrophen, die sich aufgrund des Klimawandels häufen.

Doch Frauen sind nicht nur stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, sondern sollten allein aus Gründen der Gerechtigkeit mehr Mitspracherecht haben, sagt Ulrike Röhr. Röhr ist Mitbegründerin der Organisation " Gender CC - Frauen für Klimagerechtigkeit ", die sich dafür einsetzt, dass Frauen bei den UN-Klimagesprächen mehr Beachtung finden. "Alle Untersuchungen bestätigen, dass Frauen beispielsweise ein deutlich höheres Risiko-Bewusstsein haben, dass sie vorsorgender und fürsorgender mit der Umwelt umgehen, sich eher für Lebensstil-Änderungen als für technische einsetzen", so Röhr. Deswegen glaubt sie, dass Frauen auch einen positiven Einfluss auf die Verhandlungen haben könnten.

"Wir brauchen eine gerechte Repräsentation aller"

Auch Bridget Burns, die den Fonds zur Unterstützung weiblicher Delegierter koordiniert, denkt, dass nur mit Hilfe von Frauen eine internationale Einigung gefunden werden könnte. "Die Welt bewegt sich immer weiter auf eine Klimakatastrophe zu, gleichzeitig sind die UN-Verhandlungen zum Stehen gekommen", sagt Burns. "Wir müssen umdenken und dafür brauchen wir eine gerechte Repräsentation aller." Deswegen unterstützt und finanziert WEDO seit 2009 Frauen aus Entwicklungsländern. Teilnehmerinnen des Projektes erhalten nicht nur finanzielle Hilfe, sondern lernen in Seminaren, sicher am Verhandlungstisch aufzutreten.

"Wir weiblichen Delegierten fühlten uns, als ob wir alle zusammenarbeiten würden - egal aus welchem Land wir kamen", sagt Judie Roy, die dank der Unterstützung von Bridget Burns Projekt im Jahr 2009 das erste Mal zu den Klimaverhandlungen kam. Seitdem war sie bei fast allen Gesprächen dabei. Mittlerweile sitzt sie als eine von zwei Frauen im technologischen Komitee der Klimarahmenkonvention und repräsentiert dort die weltweit am wenigsten entwickelten Länder.

Zahlreiche Projekte für mehr Frauen in der Klimapolitik

Initiativen wie der WEDO-Fonds können nur eine von vielen Lösungen sein. Seit 2009 förderte das Projekt lediglich 28 Frauen. Auch Bridget Burns engagiert sich neben dem Fonds für weibliche Delegierte auf zahlreichen anderen Ebenen dafür, dass mehr Frauen bei den UN-Klimaverhandlungen ein Mitspracherecht erhalten.

Auch das Bewusstsein für die Thematik "Frauen und Klimawandel" müsse weiter gestärkt werden, sagt Wissenschaftler Johannes Kruse: "Hier übernehmen zivilgesellschaftliche Gruppen eine wichtige Aufgabe, indem sie die Verhandlungsparteien immer wieder daran erinnern, dass Frauen unterrepräsentiert sind." Mittlerweile zeige dies auch schon deutliche Erfolge, so Kruse: Beispielsweise wurde beim letzten großen Klimagipfel in Doha 2012 besprochen und entschieden, dass Frauen und Männer gleichberechtigt am Kampf gegen den Klimawandel teilnehmen sollten.

Und gerade ist der internationale Frauen- und Klimagipfel ( International Women's Earth & Climate Summit) in New York zu Ende gegangen, bei dem 100 Frauen aus den verschiedensten Bereichen und Organisationen zusammenkamen, um über das Thema Geschlechtergerechtigkeit zu sprechen. Ob schon bald mehr Frauen im Klimaschutz aktiv sind, wird sich bei den nächsten Klimaverhandlungen im November in Warschau zeigen.

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