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Räumung von L34 in Berlin: Radikalisierung gegen den Bedeutungsverlust

Mit Kreissäge und Brecheisen: Knapp eine halbe Stunde nach Beginn der Räumung werden die ersten Bewohnerinnen aus einem der Obergeschosse abgeführt.

Es ist 7.25 Uhr, als die Beamten der Berliner Polizei die Motorsäge anschalten. Die Tür des Hauses mit der Anschrift Liebigstraße 34 lässt sich mit einem gewöhnlichen Brecheisen nicht öffnen. Es wurde ordentlich verrammelt, so dass niemand eindringen kann. Die Polizei hatte angekündigt, um Punkt 7 Uhr in der Früh eine Zwangsräumung des Hauses im Stadtteil Friedrichshain vorzunehmen.

Seit Tagen liefen dafür die Vorbereitungen. Eine Sperrzone im Umkreis des Hauses wurde errichtet, Polizisten bezogen Stellung auf den Dächern umliegender Häuser. Der Weg war frei für schweres Gerät. Und das wird auch gebraucht. Gepanzerte Fahrzeuge, Leiter- und Mannschaftswagen - für die Räumung des Hauses kann alles brauchbar sein. So kommt es auch. Durch die Eingangstür im Erdgeschoss ist nämlich erstmal kein Durchkommen - auch nicht mit der Motorsäge. Der erste Stock dagegen ist vielversprechender. Mit Hilfe eines Gerüsts machen sich die Beamten dort an einem Fenster zu schaffen.

Doch einfach geht es auch hier nicht

voran. Mit Kreissäge und Brecheisen ent- fernen sie zunächst mehrere Schichten von Stahlteilen, großen Holzbalken und andere Metallteile, mit denen die Bewoh- nerinnen die Fenster verbarrikadiert hat- ten. Die Balkone sind zudem mit Sperr- müll, ineinander verkeilten Wäschestän- dern und anderen Möbelstücken blo- ckiert. Doch um 7.41 Uhr können die ers- ten Polizisten das Haus betreten. Das Ge- rüst wird durch einen Leiterwagen er- setzt, Dutzende weitere Beamte der tech- nischen Einheit verschaffen sich Zutritt zu dem Gebäude.

Ausgestattet mit Spezialwerkzeug bah- nen sie sich den Weg durch die Zimmer. „Wir müssen davon ausgehen, dass im Haus Fallen aufgestellt wurden“, teilte ein Polizeisprecher vor dem Einsatz mit. Das stellt sich als unbegründet heraus. Doch sind Flure und Treppen zum Teil mit Betonelementen und anderen Hinder- nissen versperrt, auch eine Stahltür muss aufgeflext werden. Als ein Beamter um 8.29 Uhr auf dem Balkon des dritten Stocks zu sehen ist, wird klar, dass es nicht lange gedauert hat, die Hindernisse zu überwinden und weite Teile des Gebäu- des zu erschließen.

Begleitet wird dieses Spektakel vom Lärm der Demonstranten und deren Sprechchören: „Ganz Berlin hasst die Poli- zei!“ Ein paar hundert von ihnen haben sich in der Rigaer Straße und am anderen Ende der Liebigstraße versammelt. Sie sind in Schwarz gekleidet und ver- mummt. „A-Anti-Antikapitalista“-Rufe ertönen. Vereinzelt fliegen Flaschen oder Farbbeutel in Richtung Polizei. Am ande- ren Ende der Liebigstraße ist zwischen- zeitlich ein Feuer zu sehen.

Doch die Lage um das Haus bleibt, ver- glichen mit Ausschreitungen anderer Art, ruhig. In der linksradikalen Szene war zu Protest, verteilt im gesamten Viertel, auf- gerufen worden, um die Polizeikräfte an- derswo zu binden. Den „Räumungsver- such zu einem Desaster“ zu machen, für den Berliner Senat, die Polizei und den Hausbesitzer, das hatten die Bewohner auf Indymedia, einer in der linksradika- len Szene beliebten Internetseite, als Ziel ausgegeben. Also marschieren die De- monstranten in Kleingruppen durch die Straßen und skandieren „Nehmt ihr uns die Liebig weg, zünden wir die City an!“

Doch auch die Polizei hat sich im gan- zen Kiez verteilt. Hier und da kommt es vereinzelt zu Festnahmen und Rangelei- en zwischen Polizisten und Demonstran- ten. In den angrenzenden Straßen seien Beamte teils massiv angegriffen worden „und mussten ihre Maßnahmen auch mit körperlicher Gewalt durchsetzen“, teilt die Polizei auf Twitter mit. Insgesamt sind 1500 Beamte im Einsatz, einschließ- lich Hundertschaften aus Baden-Würt- temberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und der Bundespolizei. Die Einsatzlei- tung ist sich der Symbolträchtigkeit der Räumung bewusst. Nichts soll dem Zu- fall überlassen bleiben.

Die Liebigstraße 34 im Bezirk Fried- richshain ist eines der letzten Symbole der linksextremistischen Szene Berlins. In dem Haus haben zuletzt rund 40 Frau- en gewohnt, in einem „anarcha-queerfe- ministischen Hausprojekt“, wie sie es selbst beschreiben. Lesben und Transfrau- en wohnten hier, heterosexuelle Männer waren hier nicht gern gesehen. Das Motto der Bewohnerinnen ist am Freitag für alle sichtbar. Ein schwarzes Banner ist vom ersten bis zum vierten Stock gespannt und bedeckt einen großen Teil des Gebäu- des. Darauf ist der Slogan „Smash Patriar- chy – Fight Gentrification“ zu lesen. Of- fenbar ein Ziel, mit dem sich auch einige der unmittelbaren Nachbarn in der Liebig- straße identifizieren können. Auf Postern an den Balkonen der umliegenden Häu- ser sind Solidaritätsbekundungen zu le- sen. Auf einem schwarzen Tuch etwa steht der Slogan „L34 stays“. Beschwert wird es mit zwei Schuhen und einem BH am unteren Rand. Eine Frau im dritten Stock hat es am Morgen unter großem Ju- bel der Demonstranten aufgehängt.

Das Nachbarhaus, die Rigaer Straße 94, gilt dem Verfassungsschutz als „zen- trale Institution der gewaltbereiten auto- nomen Szene Berlins“. Zusammen sind die Rigaer 94 und die Liebig 34 das Zen- trum der Linksextremisten in Berlin. Zu deren regelmäßigen Aktivitäten gehören Angriffe auf Polizeibeamte, Anschläge auf die Stromversorgung und die S-Bahn- Strecken der Stadt und Einschüchterun- gen von Andersdenkenden in der Nach- barschaft. Beide Häuser sind die Überbleibsel einer Szene, die ihren eigenen Be- deutungsverlust durch Radikalisierung auszugleichen sucht.

Die Räumung der Liebig 34 wurde von dieser Szene seit Monaten weit über Ber- lin hinaus zur entscheidenden Schlacht mit der Staatsgewalt stilisiert. Man werde „Chaos stiften“, Wut entfachen und erbit- terten Widerstand leisten, hieß es. Kann man die Räumung schon nicht verhin- dern, so soll wenigstens der Preis dafür in die Höhe getrieben werden. Eine linksau- tonome Gruppe schlug vor, 34 Millionen Euro Sachschaden zu verursachen. „Wir sind da schon gut dabei“, sagte eine der Bewohnerinnen kürzlich in einem Inter- view. Das alles zeugt nebenbei von der grandiosen Selbstüberschätzung, die in weiten Teilen der Szene vorherrscht.

Dennoch hat sich die Poli- zei auf die Räumung gut vorbereitet. Die Sicher- heitsbehörden rechne- ten damit, dass gewaltbe- reite Linksextremisten aus Dresden, Leipzig, Hamburg, aber auch aus Schweden, Frankreich und Grie- chenland angereist waren. Bei einer Pres- sekonferenz hatten zwei Bewohnerinnen der Liebig 34 angekündigt, man werde „mit allen Mitteln, mit allen Kräften“ für das Haus kämpfen. Als Anarchistinnen und Feministinnen lebten sie „in „Kon- frontation mit diesem Staat und seinen Repressionsorganen“. Da eine der bei- den Frauen während der Pressekonfe- renz einen Motorradhelm trug, wurde sie zwischenzeitlich von der Polizei wegen verbotener Vermummung festgenom- men – es sind solche Bilder, die man in der Szene braucht, um die These vom überzogenen Vorgehen der Polizei zu un- termauern. Auch angesichts der martiali- schen Ankündigungen befürchtete die Berliner Polizei die schwierigste Räu- mung seit Ende 1990, als sich 500 Beset- zer und 3000 Polizisten eine tagelange Schlacht um 13 besetzte Häuser in der Mainzer Straße in Friedrichshain liefer- ten. Am Ende platzte darüber die rot-grü-

ne Koalition in Berlin.
Auch jetzt ist der rot-rot-grüne Senat

zerstritten, wenn es um die Liebig 34 und deren Räumung geht. Die SPD mit ihrem Innensenator Andreas Geisel will dem Recht Geltung verschaffen, denn die Ge- richte haben nach einer langen Auseinandersetzung die Räumung zweifelsfrei für zulässig erklärt. Die Koalitionspartner, die Berliner Linkspartei und große Teile der Hauptstadt-Grünen, stehen auf der Seite der linksradikalen Hausbesetzer. Be- sonders die Linkspartei machte Front ge- gen die Räumung, erklärte sich in einer Stellungnahme „solidarisch mit den Be- troffenen“. Durch sie würde „Berlin einen weiteren Teil dessen verlieren, was diese Stadt in den letzten 30 Jahren ausge- macht hat“. Zu Berlin habe immer „der Kampf um Freiräume“ gehört und der Wi- derstand „gegen eine um sich greifende In- wertsetzung aller Lebensbereiche“. Der Protest gegen die Räumung und den an- geblich überdimensionierten Polizeiein- satz sei auch „Ausdruck der Wut und der Verzweiflung, dass die Interessen von pri- vaten Immobilienspekulanten in diesem Land mehr zählen als der Erhalt von Frei- räumen“. Innensenator Geisel und die Po- lizeiführung werden von der Linken auf- gefordert, „in dieser zugespitzten Lage ab- zurüsten“ – als ob die drohende Eskalati- on der Gewalt von ihnen ausgehe.

Zuletzt hat die Berliner Linke noch ein besonderes Argument bemüht, um den Linksextremisten zur Seite zu sprin- gen. Auch aufgrund der steigenden Coro- na-Infektionen müsse die Räumung ver- schoben werden, denn die „Einhaltung von grundlegenden Hygieneregeln“ sei

„kaum zu gewährleisten“. Auch die grü- ne Bezirksbürgermeisterin Monika Her- mann äußerte sich ähnlich, und die Bun- destagsabgeordnete Canan Bayram, als einzige Grüne in Friedrichshain-Kreuz- berg direkt in das oberste deutsche Parla- ment gewählt, macht sich für die Extre- misten stark. Das Haus sei ein „einzigarti- ger Schutzraum“ für Frauen und Lesben, „sowie ein solidarisches Zuhause“, twit- terte sie im Februar.

Mit welchen Methoden die Bewohner und deren Sympathisanten dieses Zuhau- se verteidigen, scheint die Berliner Linke und die Grünen im Bezirk wenig zu inter- essieren. In der Nacht zum Freitag hatte es im S-Bahnhof Tiergarten gebrannt. Ein Feuer war in einem Aufsichtsgebäude ausgebrochen. Unweit des Brandes fan- den die alarmierten Polizisten die Auf- schrift „L34“, was für Liebig 34 steht. Der Zugverkehr war bis um 7 Uhr morgens eingeschränkt. Weniger glimpflich war es am Montagmorgen zugegangen. Da hatte ein Kabelschacht in der Nähe des S-Bahn- hofs Frankfurter Allee in Friedrichshain gebrannt. Im Internet bezichtigte sich eine „Feministisch-Revolutionär-Anar- chistische Zelle“ des Anschlags. Er führte dazu, dass der S-Bahn-Verkehr bis zum Freitag auf einem Teil der Ringbahn aus- fiel, die Leute mussten in Corona-Zeiten in überfüllte Busse umsteigen. Am Mitt-

woch hatte schließlich eine Gruppe Ver- mummter eine Polizeiwache in Berlin- Lichtenberg angegriffen. Um 3 Uhr nachts verriegelten sie die Eingangstüren der Wache mit Ketten und Bügelschlös- sern, so dass die Beamten darin gefangen waren. Dann zerstachen sie die Reifen ei- nes Streifenwagens, warfen Steine und Farbbeutel auf Fenster und Fassade und kippten private Motorräder der einge- sperrten Polizisten um. Eine Stunde spä- ter wurde eine Tür des Amtsgerichts Tem- pelhof-Kreuzberg in der Möckernstraße mit Benzin in Brand gesetzt. Dort ist die Verteilerstelle des Gerichtsvollziehers, der für die Räumung der Liebigstraße 34 zuständig ist. Auch hierzu bekannten sich im Internet Linksextremisten, die „Atta- cken auf die Liebig34“ würden auf diese Weise beantwortet.

Die Linksextremisten in Friedrichs- hain greifen auch Menschen an. Immer wieder werden Steine, Farbbeutel und Glasflaschen auf Polizeibeamte gewor- fen, auch von den Dächern der Häuser. Nach einer Aufstellung des Senats gab es in den vergangenen fünf Jahren 369 An- griffe auf Polizisten, die an der Rigaer 94 und der Liebig 34 eingesetzt waren. Al- lein in diesem Jahr wurden 46 Mal Beam- te durch Linksextremisten im Zusammen- hang mit der Liebig 34 tätlich angegrif- fen, verletzt oder beleidigt. Anfang des Jahres drangen Unbekannte in eine Tief- garage ein und zerstörten einen Trans- porter der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der für die Betreuung von Polizis- ten genutzt wurde.

Ende Juni kam es durch das Herausrei- ßen von Kabeln an mehreren Straßenla- ternen zu einem Stromausfall in der Ge- gend. Immer wieder brennen Euro-Palet- ten, Mülleimer, werden Autos beschä- digt und Fassaden beschmiert. Einen Teil der Rigaer Straße hat die Polizei als „kriminalitätsbelasteten Ort“ eingestuft, weil dort oft Straftaten wie Raub, Dieb- stahl, Körperverletzung oder Brandstif- tung verübt werden.

Nach rund 100 Anzeigen im Umfeld der Rigaer Straße kam es im vergangenen Jahr aber nur zu einer einzigen Verurtei- lung. Gewöhnlich bleiben die Täter uner- kannt. Die meisten Verfahren werden ein- gestellt. Mitte 2019 hat die Berliner Poli- zei zwar eine eigene Ermittlungsgruppe namens „Nordkiez“ für den Bereich Riga- er Straße eingerichtet. Doch schnelle Er- folge hat sie nicht gebracht. Es ist nicht der erste Versuch, der Lage dort Herr zu werden. Schon im Sommer 2016, als nach einer Teilräumung der Rigaer 94 zahlrei- che Autos in der Gegend brannten, hatte der damalige Innensenator Frank Henkel von der CDU eine Ermittlungsgruppe „Linx“ eingerichtet. Mit dem Ende der da- maligen rot-schwarzen Koalition in Ber- lin verschwand sie wieder.

Bedroht und attackiert wurden auch Personen, die mit der Räumung juristisch zu tun haben. Ende vergangenen Jahres hatten Unbekannte einen fingierten Nachruf auf den Richter publiziert, der über die Räumungsklage zu entscheiden hatte. Das Auto des Anwalts, der den Hausbesitzer vertritt, wurde zerstört, es „dürfte nach der Bearbeitung mit Häm- mern, Bauschaum, Farbe und Buttersäure nur noch Schrottwert haben“, hieß es dazu auf der linksextremen Internetseite Indymedia. Der Anwalt arbeitete für den Besitzer, den Immobilienunternehmer Gi- jora Padovicz, der die Liebig 34 im Jahre 2008 für angeblich 600 000 Euro gekauft hatte. Er schloss einen Pachtvertrag mit dem Verein der Hausbewohnerinnen auf zehn Jahre, der im Dezember 2018 aus- lief. Seitdem haben die Bewohnerinnen keine Miete mehr gezahlt. Auf Twitter ver- breiteten sie stattdessen ein Foto, auf dem Vermummte vor einem Transparent zu sehen sind. „Padovicz aus der Traum! Bald liegst du im Kofferraum!“ steht dar- auf – eine Anspielung auf den 1977 von der RAF ermordeten Arbeitgeberpräsi- denten Hanns Martin Schleyer.


Auch ein Neubaukomplex in der Nachbarschaft mit rund 200 Wohnun- gen wird immer wieder attackiert, denn da woh- nen die „Yuppie-Schwei- ne“. In Wirklichkeit lebt dort ein grün- bürgerliches Klientel, manche Bewoh- ner sind ehemalige Hausbesetzer. Die Fassaden des Hauses werden immer wie- der beschmiert, auch flogen schon Stahl- kugeln durch Fenster ins Kinderzimmer. Vor zwei Jahren musste ein Ehepaar durch die Polizei geschützt werden, weil sie Polizei und Krankenwagen gerufen hatten, als ein Gewalttäter aus der Riga- er 94 einen Mann auf der Straße nieder- geschlagen hatte. Denn die Polizei zu ru- fen und mit ihr zusammenzuarbeiten gilt den Extremisten als Verrat. Nachdem das Ehepaar es abgelehnt hatte, zu ei- nem „Kieztribunal“ zu erscheinen, wur- den sie auf Flugblättern als „Denunzi-

ant_innen“ angeprangert.
Obwohl Gewalt und Straftaten seit Jah-

ren andauern, billigen viele linksalternati- ve Institutionen in Berlin den Extremis- ten in der Rigaer und der Liebigstraße zu, sie hätten etwas mit alternativen Lebens- formen zu tun. Die „Freie Schule Kreuz- berg“ kündigte am Freitag an, gegen die Räumung zu protestieren, auch Kinder sollten mitdemonstrieren. „Kommt mit euren Freund*innen, Familien, Kindern, Nachbar*innen zur Kundgebung in Soli- darität mit der Liebig34!“, heißt es im Aufruf auf der Internetseite der Schule. Denn die Gewalt gehe nicht etwa von den Menschen aus, „die um ihr Zuhause“ kämpften, sondern von den staatlichen Strukturen in Berlin.

Am Freitag aber geht dann doch alles überraschend einfach, vielleicht zu ein- fach mit Blick auf das, was nun noch kom- men könnte. Entgegen der Ankündigung der Bewohnerinnen, das Haus nicht kampflos aufzugeben, gelingt es der Poli- zei recht schnell, die ersten Bewohnerin- nen aus dem Gebäude zu führen. Schon um 7.55 Uhr erscheint die erste Bewohnerin eingerahmt von zwei Beamten auf der Leiter. Unter Applaus und Jubel wird sie abgeführt. Diejenigen, die folgen, zeigen das Peace-Zeichen, strecken ihre Arme in Siegerpose nach oben und lassen sich wie Helden feiern. Doch unter denen, die auf der anderen Straßenseite „Liebig bleibt, Liebig bleibt“ rufen, macht sich mit jeder weiteren Bewohnerin, die das Haus unter Polizeibegleitung verlässt, Resignation breit. „Ich fühle mich kaputt und beschis- sen“, sagt Hanna, die seit den frühen Mor- genstunden auf den Beinen ist. Auch Nico demonstriert schon seit einer Stunde und hat die Hoffnung verloren. Für den Kiez, aber auch für Deutschland bedeute die Räumung, „dass nur wer Kapital hat, auch was zu sagen hat“. Beide wollen ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen.

Um kurz nach 11 Uhr meldet die Poli- zei schließlich den erfolgreichen Ab- schluss der Räumung. Insgesamt 57 Perso- nen hätten sich im Haus aufgehalten. Ins- gesamt sei der Einsatz „nicht so schlimm, wie befürchtet“ gewesen, sagt ein Polizei- sprecher. Nach der Begutachtung eines Sachverständigen ist das Haus bis zum Mittag dem Gerichtsvollzieher übergeben worden. Die meisten der insgesamt 1500 Demonstranten sind da schon abgezogen.

Doch verlorengeben will die linksradi- kale Szene den Kampf noch nicht. Dass Hausbesitzer Padovicz die Liebig 34 am Ende tatsächlich behalten, sanieren und an andere Menschen vermieten kann, das bezweifelt Hanna, eine der Demonstran- tinnen. Wer auch immer da nämlich ein- ziehe, „wird sich einiges anhören müs- sen“. Darauf werde man künftige Interes- senten vorbereiten.

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