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Mehr als nur ein Bier

Moritz Hefner aus Mainz sammelt Biere. Amerikanisches Craft-Beer hat es ihm nach anfänglicher Skepsis besonders angetan – doch bei so manch einer Hefekultivierung kann man nur erstaunt den Kopf schütteln.



„Tropische Früchte in der Nase. Weiches Mundgefühl, Pfirsich und Mango. Mittlere Süße. Cremig. Trocken und mild bitter. Großartig.“ Hier geht es nicht um ein besonderes Eiscreme-Erlebnis. Vielmehr spricht Moritz Hefner von einem India Pale Ale, einem Craft Beer, handwerklich gebraut von einer unabhängigen Brauerei. Das klingt nach einem Getränk für Großstadt-Hipster. Aber echte Freunde des Biers erkennen darin eine eigene Wissenschaft. Die Liebhaber sammeln und tauschen Biere, treffen sich auf internationalen Messen und vernetzen sich über Apps und Plattformen wie „Untappd“ und „Ratebeer“, wo sie Biere vorstellen, prüfen und bewerten.


Moritz Hefner pflegt die Biere, die er getrunken hat, akribisch in solche Bewertungsportale ein. Mittlerweile kommt er auf rund 3500 verschiedene Biere. Wobei schon rund 50 Milliliter als „probiert“ gewertet werden. Der Auslöser für die Leidenschaft des Vierundzwanzigjährigen war ein amerikanisches Hefeweizen im Januar 2015. Weizen mochte er schon immer, doch amerikanisches Bier? Das schmeckt doch nur fade und wässrig, dachte er – und merkte, dass er sich getäuscht hatte. Er begann, sich für die amerikanische Craft-Beer-Bewegung zu interessieren, die seit Jahren auch in Deutschland populär ist.


Fernab vom „Einheitsbier“ wird es für ihn spannend. Seitdem trifft sich der Student aus Mainz regelmäßig mit anderen Enthusiasten zum Tasting. „Bei diesen Treffen bringt jeder besondere Biere mit, die gemeinsam probiert und diskutiert werden.“ Mit weiteren Bierfreunden kommt er bei Städtereisen in Kontakt. Interessant ist für Hefner die Funktion „Nearby“ der Untappd-App. So macht er unterwegs angesagte Craft-Beer-Bars ausfindig.


Aber schmeckt am Ende nicht doch alles gleich? „Nein! Durchs Probieren schmeckt man mehr Unterschiede heraus, und die Biere werden besser vergleichbar. Mit der Zeit kann man so auch Braufehler erkennen.“ Zu seinen Favoriten zählen Lambic-Biere – belgische Sauerbiere, die spontan vergoren werden. Ihnen wird keine Hefe zugesetzt, sondern die Biere „infizieren“ sich mit wilden Hefen und Bakterien der Umgebung und werden dann in Holzfässern ausgebaut. Ansonsten dürfe es gern auch mal ein klassisches bayerisches Hefeweizen sein.


Zu Hefners Sammlung gehören auch Biere, bei denen Pils-Liebhaber nur irritiert den Kopf schütteln. Etwa ein Belgian Ale aus Oregon, das mit kultivierten Hefen, extrahiert aus den Barthaaren des Brauers, gebraut wird. Oder ein Imperial Oatmeal Milk Stout mit „natürlichem Zimtschneckenextrakt“ aus Norddeutschland. Auch mit dem Alkoholgehalt wird experimentiert; so kommt eines der stärksten Biere aus Franken, ein Eisbock mit 57 Prozent. Wobei Hefner sagt: „In der Craft-Beer-Szene steht nicht das Betrunkensein im Vordergrund, sondern der Genuss und das Interesse an Braustilen.“ Die Vielfalt fasziniere ihn. Im Vergleich zu Wein habe Bier mit Hopfen, Malz und Hefe mehr Grundzutaten, die zum Experimentieren einladen. In Deutschland sei man da gar nicht so offen. „Hier muss man sich erst gedanklich vom klassischen Bier lösen.“ Hefner trinkt darauf, dass das noch passiert.