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Die Ausblender

An Bahnhöfen und entlang von Bahnstrecken helfen Kameras dabei, Bedingungen zu erkennen, die möglicherweise den Betrieb beeinträchtigen könnten. Das kann starker Schneefall sein, aber auch ein Ast auf einem Gleis. Oder man möchte wissen, wie viele Personen Treppen oder Fahrstühle benutzen oder sich in einem Bereich aufhalten. Viele Aufnahmen müssen gespeichert werden, um zum Beispiel im Zweifelsfall zu belegen, ob Dienstleister den Schnee geräumt haben. Das Problem: Aus Datenschutzgründen dürfen keine Aufnahmen benutzt und für Auswertungen gespeichert werden, auf denen Personen erkennbar sind. Doch das Team Bild- und Videoanalyse vsion.ai bei DB Systel hat dafür unter der fachlichen Leitung von Dr. Holger Oberender und Sarah Möhle eine entsprechende Lösung entwickelt. Eine automatisierte Bilderkennung mit künstlicher Intelligenz (KI) ermöglicht die Verarbeitung sehr großer Datenmengen. So lassen sich Entscheidungsprozesse, die auf Bildauswertungen basieren, beschleunigen und verbessern. Außerdem können Personen automatisch unkenntlich gemacht werden.

Im September 2017 wurde die Idee im Skydeck Accelerator geboren. In der Folge ist daraus ein internes Start-up entstanden, welches organisatorisch bei ZERO.ONE.DATA angesiedelt ist. Künftig werden hier weitere Anwendungsmöglichkeiten und Mehrwertdienste für den gesamten Konzern entwickelt, um Bild- und Videomaterial mithilfe von KI automatisiert auszuwerten.

Der nächste Winter kann kommen

Eine Entwicklung sind Wetterkameras, die in diesem Winter das erste Mal für eine automatische Auswertung zum Einsatz kamen: An 22 Bahnhöfen wurde während eines Pilotbetriebs durch den Einsatz von KI in Verbindung mit den Kameras erkannt, ob Schnee liegt - um dann automatisch den Räumdienst zu beauftragen. Dafür nehmen die Kameras alle 15 Minuten ein Bild auf und übertragen die Fotos per Mobilfunknetz in die Cloud von DB Systel. Hier überprüft ein selbst programmiertes und trainiertes System mit einer hohen Zuverlässigkeit, ob Schnee liegt.

Die künstliche Intelligenz der Wetterkamera erkennt stehende und sitzende Personen und macht sie auf dem Bildmaterial automatisch unkenntlich.

© DB Systel GmbH

Allerdings: Bisher wurden die Kameras am Ende des Bahnsteigs installiert, damit die Wahrscheinlichkeit, versehentlich Personen aufzuzeichnen, minimiert werden konnte. Dadurch konnte auch nicht der gesamte Bahnsteig auf Schnee überprüft werden - wodurch wiederum die Räumungsqualität des Dienstleisters nicht zuverlässig kontrolliert werden konnte. Bei 22 Bahnhöfen ist das sicher zu verschmerzen - aber bis zum kommenden Winter sollen bis zu 500 Bahnhöfe mit Kameras ausgestattet werden. Daher wurde der KI beigebracht, nicht nur den Schnee zu erkennen, sondern auch Menschen. Wird eine Person erkannt, wird diese von dem System automatisch per Filter mit einem Weichzeichner unkenntlich gemacht. Dank dieser Anonymisierung ist es nun möglich, die Kameras so auszurichten, dass sie den ganzen Bahnsteig überblicken.

Verschiedene Bausteine, ein Ziel

„Wir arbeiten viel mit neuronalen Netzen, die so ähnlich funktionieren wie ein menschliches Gehirn", sagt Dr. Holger Oberender. Bei der Eigenentwicklung dieser Netze wurden verschiedene Bausteine eingesetzt, die am Markt verfügbar sind: Das Grundsystem ist Open Source, aktuell stammt viel von Google. Es gibt sogar bereits trainierte Modelle, die in der Lage sind, Personen zu erkennen. Diese Programmteile werden dann an die eigenen Gegebenheiten angepasst, optimiert und weiter trainiert. Das Training der KI funktioniert mit Bildern, die Menschen in allen möglichen Lebenslagen zeigen, also am Strand, im Einkaufszentrum oder auf der Straße. Da kommen schnell 10.000 Bilder zusammen, die verwendet werden. Das funktioniert in der Breite schon sehr gut, aber um das System für den Einsatz an Bahnhöfen zu optimieren, „trainieren wir die KI mit Bildern weiter, die von genau den eingesetzten Kameras aufgenommen wurden", sagt Holger Oberender und ergänzt: „Wir verfeinern und veredeln die vortrainierten Modelle und erhöhen hierdurch die Genauigkeit der Erkennung."

© DB Systel GmbH / Bernd Roselieb

Das System kann mehr. So belegen Dienstleister mit Fotos, die sie direkt per Winterdienst-App machen, dass sie ihre Arbeit gemacht haben. Dabei handelt es sich um ganz unterschiedliche Aufnahmen, die von keiner festen Position und von verschiedenen Mitarbeitern gemacht werden. Es lässt sich nicht vorhersagen, welcher Ausschnitt auf dem Foto zu sehen ist. Obwohl die Analyse für die KI dadurch komplexer ist, lassen sich sogar diese Aufnahmen anonymisieren.

Aber trotz der hohen Trefferquote wird es immer mal wieder einen Fall geben, wo doch eine Person auf einer Aufnahme zu sehen ist. Hier kommt die letzte Kontrollinstanz ins Spiel: der Mensch. Die Aufnahmen der Wetterkameras werden in ein internes Portal hochgeladen. Sobald einer der zugriffsberechtigten Mitarbeiter dort ein Foto entdeckt, auf dem eine Person erkennbar ist, wird diese Aufnahme gemeldet und gelöscht.

Erst verpixeln, dann zählen

Anonymisierung von Personen spielt auch in ganz anderen Bereichen eine Rolle. In einem Anwendungsfall, der gemeinsam mit der SBB getestet wird, ermittelt eine KI, wie viele Personen eine Treppe hinauf- oder hinuntergehen. Damit das entsprechende Videomaterial gemäß Datenschutz überhaupt genutzt und archiviert werden kann, wurde es anonymisiert. „Wir haben in dem Fall das komplette Video verpixelt und nicht nur den Bereich, auf denen Personen sind", erklärt Holger Oberender. Das KI-Modell wurde also nicht auf Personen trainiert, sondern auf verpixelte Personen. Es bleiben dennoch genügend Informationen erhalten, um dem eigentlichen Zweck zu dienen - wie in diesem Fall der Personenzählung.

Noch wird die automatische Anonymisierung von Personen auf Videos mit einer selbst programmierten KI nicht live vor Ort, sondern mit Archivmaterial getestet. Doch die ersten Auswertungen zeigen, dass die Ergebnisse besser sind als bei vielen Lösungen, die es sonst am Markt gibt. Und es ist egal, ob die Fotos oder Videos von eigenen Kameras stammen oder ob Fahrgäste oder Mitarbeiter diese mit ihrem Smartphone aufnehmen: Mit KI-gestützter Bildanalyse werden Personen im Bild anonymisiert, und dann können die eigentlichen konkreten Auswertungen erfolgen. Das macht schon jetzt Lust auf weitere Anwendungsgebiete, bei denen künftig intelligente Bild- und Videoanalyse eingesetzt werden kann.

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