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Arbeitgeber Kirche: Neue Pfarrer braucht das Land

Nach der katholischen Kirche hat nun auch die evangelische Kirche ein Nachwuchsproblem. Das zwingt zu Reformen.


Ein junger Mann mit Zigarette und Sonnenbrille, ein anderer in kurzen Hosen am Strand, eine Frau mit wehenden Haaren und breitem Lächeln - so präsentieren sich Pastoren, Vikare und Theologiestudenten auf der Internetseite die-nachfolger.de. Auch ein schwuler Pastor ist dabei, der von der Aidsseelsorge erzählt, und eine Vikarin, die über ein Fußballturnier mit Konfirmanden bloggt. Neben den Steckbriefen wird für Theologiestudium und Pfarrberuf geworben. Gut 200 Leuten gefällt die Seite auf Facebook. Nicht viel, aber ein Anfang.

Der ist auch dringend nötig: Die evangelische Kirche hat ein Nachwuchsproblem. Im Norden Deutschlands werden allein in den nächsten sieben Jahren 356 Pfarrer in den Ruhestand gehen. Das sind gut zwanzig Prozent der dortigen Pfarrerschaft. Gleichzeitig ist die Zahl der Theologiestudenten rapide gesunken.

Deshalb versucht die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland das Image des Pastors zu verbessern. "Mit der Nachfolger-Seite wollen wir zeigen, dass wir für den Beruf Leute brauchen, die so unterschiedlich sind wie unsere Kirchenmitglieder", sagt Christiane de Vos, die bei der Nordkirche seit gut einem Jahr für die Nachwuchsgewinnung zuständig ist. Sie organisiert Info-Wochenenden für Abiturienten, trifft Religionslehrer und Leiter der Jugendarbeit, und sie spricht mit Schülern und Studenten. Ihre Landeskirche war die erste, die eine solche Stelle eingerichtet hat, weil die Bewerber knapp werden. Zwei andere haben das Konzept inzwischen übernommen - die Zahlen zwingen sie dazu.

Ende der achtziger Jahre haben sich deutschlandweit rund 11.000 Studenten als Anwärter auf das Pfarramt registriert. Inzwischen sind es nur noch etwa 2.400. Diese Zahlen ergeben sich aus den Listen, die die 20 deutschen Landeskirchen führen. Wer Pfarrer werden will, muss sich nicht nur an der Uni einschreiben, sondern zusätzlich auf der "Landesliste" seiner jeweiligen Landeskirche eintragen. Zwar sind in den achtziger Jahren nicht alle Pastor geworden, die auf diesen Listen standen, und heute könnten sich viele Studenten noch für das Pfarramt entscheiden. "Aber das Studium hat deutlich an Attraktivität eingebüßt. Es muss für Abiturienten wieder interessanter werden", sagt Jochen Cornelius-Bundschuh, Vorstandsmitglied der Ausbildungsreferentenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Nachwuchsproblem ist hausgemacht

Das ist ein großes Problem, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zahl der Christen insgesamt geringer wird und Landeskirchen einige Pfarrstellen streichen werden. "In den nächsten zehn, fünfzehn Jahren werden in allen Landeskirchen Pfarrerinnen und Pfarrer gesucht werden", sagt Cornelius-Bundschuh. Kaum eine Landeskirche will schon konkretere Zahlen nennen, aber dort, wo es sie gibt, sind sie alarmierend. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers schreibt: "Wir gehen davon aus, dass bei unveränderten Anfängerzahlen im Jahr 2030 zirka ein Drittel der Pfarrstellen nicht sofort zu besetzen sind." - Szenarien, die an die katholische Kirche denken lassen, die schon länger über Priestermangel klagt.

Allerdings ist das Nachwuchsproblem in der evangelischen Kirche mancherorts auch hausgemacht. Noch vor wenigen Jahren wollten viele Landeskirchen sparen und übernahmen ganze Jahrgänge des theologischen Nachwuchses nicht. Theologiestudenten wurden damals schon im Studium abgeschreckt: "Mir hat man gesagt, ich solle mir lieber einen Plan B zulegen", sagt Volker Simon. Seit drei Jahren ist der 34-Jährige Pastor an der Nikodemuskirche in Hamburg-Ohlsdorf. Er trägt Turnschuhe und in jedem Ohr einen kleinen silbernen Ohrring. Jede Woche geht er Klettern, Schwimmen und Joggen. Er passt ins Bild der jungen, heterogenen Generation von Pastoren, wie Christiane de Vos sie sich wünscht. Aber Pastoren wie ihn gibt es eben nicht genug.

Die Landeskirchen räumen ein, dass die frühere Personalpolitik sicherlich noch immer potenzielle Interessenten abschrecke. Lange war es nicht möglich, die Landeskirche zu wechseln und zum Beispiel in Karlsruhe zu arbeiten, wenn es in Hannover keine Stelle gab. Die Landeskirchen nahmen nur "eigene Landeskinder" ins Vikariat auf, und nur sie bekamen später eine Stelle. Ausnahmen wurden nur gemacht, wenn beispielsweise der Ehepartner in einem anderen Bundesland lebte. Aber der Mangel hat viele mittlerweile zum Umdenken gebracht: Die Landeskirchen Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Hannovers beispielsweise akzeptieren nun Vikarsbewerber aus allen Regionen. Auch Pfarrstellen werden inzwischen öfter deutschlandweit ausgeschrieben. Ob sich dieses Konzept bewährt, muss man abwarten. "Die Konkurrenz zwischen den Landeskirchen wird sich verschärfen", sagt Jochen Cornelius-Bundschuh.

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