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Seemann: "Eigentlich möchte ich Hausmann sein"

Vier Monate ist er auf See, während sein Sohn zu Hause ohne ihn aufwächst. Was auf dem Meer am gefährlichsten ist, erzählt ein Seemann im anonymen Gehaltsprotokoll.


Ich arbeite als Erster Offizier auf Schiffen, aber eigentlich möchte ich Hausmann sein. Denn auf See bin ich immer vier Monate lang unterwegs und zu Hause wächst mein Sohn ohne mich auf. Aber meine Freundin studiert noch, also fahre ich zur See, um meine Familie zu finanzieren.

Mit meinem Nautikstudium habe ich mein großes Patent erworben. Das heißt, ich darf den Kapitän auf der Brücke vertreten: Ich mache achtstündige Seewachen, Kartenkorrekturen, plane die Route und überprüfe die Sicherheitsstandards. Der Kapitän und ich wechseln uns ab. Das ist viel Verantwortung, aber es gefällt mir gut. Das Schiff, auf dem wir unterwegs sind, gehört zu den kleineren Schiffen: Es kann bis zu 1.200 Tonnen laden. Hauptsächlich sind wir in europäischen Gewässern unterwegs.

Wenn wir auf See sind, stehe ich um 23.45 Uhr nachts auf. Ich putze Zähne, ziehe mich an, esse schnell etwas und gehe zur Brücke, sodass ich um Mitternacht meine Wache antreten kann. Das ist das Angenehme: keine langen Wege zur Arbeit. Dann bin ich sieben Stunden auf Wache und fahre das Schiff. Ich bin dafür zuständig, dass die Navigationsanlagen so genutzt werden, dass wir problemlos zum Hafen gelangen können. Das Schiff fährt zwar auf Autopilot, aber durch die Einflüsse von Wind und Strom muss ich den Kurs regelmäßig korrigieren. Abhängig von der technischen Ausstattung muss ich mehr oder weniger Augenmerk auf die Navigation legen. Wenn ich auf freiem Seeraum bin und nichts los ist, mache ich nebenbei die Kartenkorrektur, sehe alle zehn Minuten auf das Radar und auf die elektronischen Karten und schaue, ob jemand kommt. Das Schiff fährt relativ langsam, aber trotzdem brauche ich ein schnelles Reaktionsvermögen: Um das Schiff zu bremsen, muss ich etwa fünf bis sechs Schiffslängen, also etwa 300 Meter Reaktionszeit des Schiffes einplanen und entsprechende Manöver einleiten - wir können schließlich nicht einfach mal schnell eine Vollbremsung machen und rechts abbiegen. Bei angespannten Verkehrssituationen sitze ich die ganze Zeit vor dem Radar und funke, um mich mit anderen Verkehrsteilnehmenden abzusprechen. (...)


Das Anstrengende daran ist, dass ich nicht am Stück schlafen kann, sondern etappenweise. Wenn ich sieben Stunden am Tag schlafen kann, bleiben mir fünf Stunden freie Zeit für mich, in der ich auch noch zwischenzeitlich essen und duschen muss. Es gibt auch Arbeiten, die ich dann am Hafen oder in meiner Freizeit mache. Dazu gehören dann Trainings mit der Crew. Beispielsweise hatten wir vor ein paar Tagen ein Feuerschutztraining. Da werden wir mit Pressluftatmern und Feuerwehrmontur ausgerüstet und müssen ein simuliertes Feuer löschen. Falls ein Feuer ausbricht, wird ein Generalalarm ausgelöst, die ganze Crew muss sich dann an einem Treffpunkt versammeln. Ich leite dann die Feuerlöscheinheiten und verteile die Aufgaben, während der Kapitän das Schiff steuert. Wir haben ein Bereitschaftsboot und eine Rettungsinsel, mit der wir im Notfall ein paar Stunden überleben könnten. (...)

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