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Der Ton macht die Musik

Herbert Müller studierte klassische Gitarre und Klavier an der Hochschule für Künste in Bremen.

Es war Anfang der 90er-Jahre. An einem schönen Nachmittag am See kam Herbert Müller der Gedanke, sich mit einem Tonstudio selbstständig zu machen. Er hatte damals für seine Band „Springs" im Proberaum mit einem Achtspurgerät das erste Demoband aufgenommen und geschnitten. Tagelang habe er daran gesessen, 15 Stunden am Tag seien noch wenig gewesen, erzählt Müller. „Die Arbeit hat mich einfach nicht genervt."

Auf solche Zeichen, wo das Herz einen Schubs gibt, vertraut Herbert Müller. So ist er auch zur Musik gekommen, denn eigentlich hat er eine Ausbildung zum Stilmöbeltischler gemacht. Er hatte auch schon angefangen, in Münster Objektdesign zu studieren. „1983 bin ich in meiner Wohngemeinschaft morgens aufgewacht und hatte geträumt, ich würde mit Musik mein Geld verdienen. Das hat mich so glücklich gemacht, da wusste ich sofort: Stimmt! Das musst du machen!"

 Ab ging es also nach Bremen an die Hochschule für Künste (HfK), wo er klassische Gitarre und Klavier studierte. Und im Herbst 1995 war es dann soweit: die Selbstständigkeit begann. Das Tonstudio in Walle hat er selbst aufgebaut. Die Mühe, die er sich gemacht hat, ist nicht nur zu sehen, sondern vor allem zu hören: freischwingende Böden, schief gezogene Wände, perfekt für Schallwellen und eine gute Akustik gebaut. Das Parkett des Aufnahmeraums ist durch eine lange Fuge getrennt: Damit die Frequenzen, je nachdem wo die Musikinstrumente stehen, besser voneinander getrennt werden können. Müller schlägt stolz auf den Boden und zeigt, wie sich der Hall des Tones nur durch die andere Dämmung ändert. „Es ist so dermaßen gut abgedämmt: Man kann hier 24 Stunden Hardrock machen, ohne dass es jemanden stört", sagt der Tonstudio-Besitzer mit Stolz.

Verstärker und Gitarren aus längst vergangenen Zeiten schmücken die Räumlichkeiten des Tonstudios. So steht ein altes Ludwig-Schlagzeug von 1967 neben zwei Neumann-Mikrofonen aus den 50er-Jahren. In den 25 Jahren ist in dem Studio so einiges passiert: Orchester haben Stücke für Theaterproduktionen eingespielt, Kinder haben auf Geburtstagen Playbacks gesungen, Geräuschkulissen für Filme wurden produziert, und die Pop- und Soul-Sängerin Sarah Connor hat ihren Song „Skin on Skin" in dem Studio aufgenommen. 

„Es hilft natürlich, dass ich Musiker bin", sagt Müller. So habe man bei den Aufnahmen ein besseres Verständnis für die Noten und Instrumente. Doch seine wichtigste Aufgabe sei die Positionierung der Mikrofone. Er lasse die Musiker erst einmal einfach spielen und gehe dann den Raum ab, um den akustischen Hotspot zu finden. Sobald er gefunden ist, ersetzt die Hand die Position des Ohres und Müller versucht, genau dort ein Mikro hinzustellen. „Schon ein Zentimeter nach rechts oder links macht unglaublich viel aus."

Seine Qualitäten als Musiker beweist er auch außerhalb des Tonstudios. Seit zehn Jahren ist er Gitarrist der Bremer Band „Larry and the Handjive", der offiziellen Hausband des „Beatclubs" der Radio-Bremen-Veranstaltung „Beatclub and Friends". Neben Gitarre spielt er aber auch Klavier, Schlagzeug und Bass. All die Instrumente also, die man für eine Band braucht. Das kommt ihm sehr gelegen, denn als drittes Standbein betreut der 59-Jährige verschiedene Schulbands: an der Grundschule an der Stader Straße in der Östlichen Vorstand, an der Wilhelm-Kaisen-Oberschule in Huckelriede und an der Neuen Oberschule in Gröpelingen bringt er Kindern und Jugendlichen Musik bei. Gerade jetzt in der Corona-Zeit kommt ihm dabei sein Tonstudio zugute: „Ich habe für die Schüler Playbacks aufgenommen. Das gleiche Stück spiele ich zum Beispiel einmal mit und einmal ohne Gitarre, sodass sie zu Hause üben können."

Auch für sein neustes Projekt brennt Herbert Müller. Ein früherer Kommilitone an der HfK, Erich A. Radke, hat eine Sternenhimmel-Suite geschrieben und mit dem Gitarren-Duo Keti und Boyana Stoyanova im Cos-Mic Tonstudio aufgenommen. „Ich habe im Gefühl, dass ich mit dieser Produktion für die klassische Gitarren-Szene brandheiß sein werde." Er ist gegenwärtig dabei, die eingespielten Stücke abzumischen. So ist der Musiker für diese Produktion auch das erste Mal als Produzent eingestiegen. Auch nach einem Vierteljahrhundert ist das Tonstudio also immer noch ein Ort, um etwas Neues zu probieren. 

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