Es ist sieben Uhr abends, als ich den Fluss Dnister überquere. Zum letzten Mal heute steuert der Fährmann seinen Kahn zum Anleger des Dorfes Molovata. Der letzte Bus zurück in die Hauptstadt ist vor zwei Stunden gefahren. Das wusste ich nicht.
Zum Flussbett hin fallen grüne Hänge ab. Zwei Dörfer, durch die Fähre verbunden, sind die einzigen besiedelten Gebiete in Sichtweite. Ich wollte das Land erkunden, seine Menschen kennenlernen, raus aus dem Hotel, raus aus der Stadt. Jetzt stehe ich an einer Schleife des Dnister, sechzig Kilometer von der Hauptstadt Chişinău entfernt und komme nicht weiter.
Als ich die Uferstraße entlangschlendere, kommt Jore auf mich zu. Er trägt staubige Sportschuhe, auf seiner Jogginghose steht „Abibas". Er bietet an, mir ein Taxi zu rufen. Von seinem Haus aus. „Nein, danke", winke ich ab. Mit fremden Männern gehe ich meistens nicht nach Hause. Doch nach der dritten Aufforderung scheint es mir unhöflich, zu widersprechen. Er zeigt auf ein goldenes Kreuz, das an seinem Hals hängt. „Ich bin ein ehrlicher Mann." Na dann, denke ich. Was sollte ich sonst tun? In einem Dorf, in dem niemand meine Sprache spricht. In dem es weder Bahn noch Bus, nicht einmal Straßenschilder gibt.