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Nepal: Trekking-Urlaub im Langtang-Tal des Himalaya

Im nepalesischen Langtang-Tal finden Trekkingtouristen noch, wovon sie träumen: ursprüngliche Natur. Doch sie passieren dort auch einen Ort des Schreckens.


Von Franziska Horn


Als in Nepal die Erde bebt, bricht das Gestein aus den Bergen und das Unheil über Langtang herein. Im April 2015 zerstören dicke Brocken den einzigen Durchgangsweg, Lawinen und Muren begraben das Dorf unter 30 Metern Geröll. Hunderte sind darunter verschüttet, Einheimische wie Touristen, bis heute.

Für die Menschen hier war das Beben eine Katastrophe, die beinahe alles auslöschte. Eine gespenstische Stunde Null. Doch in Langtang stehen die Zeichen auf Neuanfang.

Die Trekkingtouristen - einzige Einnahmequelle im Tal - sind zurück. Mit vielen Hilfsaktionen, auch durch den Deutschen Alpenverein und dessen Tochter, den DAV Summit Club, waren Wege repariert und Brücken wieder errichtet worden.

Es wurden dadurch wieder Touren möglich, die Outdoor-Fans in entlegene Regionen des Himalajas bringen. Fünf Tage dauert beispielsweise das Lodge-Trekking vom Bergdorf Syabrubensi aus bis hinauf zum kleinen Weiler Kyanjin Gompa auf fast 4000 Metern. Drei Tage hin, zwei zurück.

Von der Hauptstadt Katmandu braucht der Bus rund sieben Stunden bis zum Start des Trekkings. Über endlose Schotterpisten mit fast knietiefen Löchern hoppelt der Bus, vorbei an Hütten, Bananenstauden, Terrassen mit immergrünen Reisfeldern. Der Schleudergang wirkt wie ein Reset. Europa? Weit weg und vergessen. Alles auf Null. Alles auf Anfang. Alles auf Langtang.

Aufwärts mit Gokhul, Manutsch und Ganesh

Syabrubensi ist der letzte größere Ort, bevor es in die pure Natur geht. Er liegt auf 1500 Metern Höhe am Anfang des langgestreckten Tals. Blaue Dächer markieren den buschigen Steilhang.

Mit leichten Tagesrucksäcken ziehen die Touristen los. Schlafsack und Wechselkleidung nehmen die Träger in Reisetaschen mit, die sie mit Stirnriemen auf den Rücken binden. Sie heißen Kalu und Gokhul, Manutsch, Rajan und Ganesh. Sie arbeiten eigentlich als Bauern, doch mit dem Tragen verdienen sie mehr.

Dann ist da noch Santosh Giri, Jahrgang 1983, der Wanderguide, der im Goethe-Institut in Katmandu Deutsch lernte, eine Ausbildung zum Kultur- und Wanderführer und einen MBA in Account Finance hat. Er ist ein Vermittler zwischen den Kulturen. Ihm verdanken Touristen es , dass sie mehr über die Kultur der Tamang erfahren, die in diesem abgeschiedenen Tal an der Grenze zu Tibet leben. Und: Mit Santosh kann man lachen. Ist beim Wandern im Himalaja auch nicht verkehrt.

Ziel der ersten Etappe: das Lama Hotel auf 2400 Metern. Der Weg führt den Langtang Khola entlang, ein Wildbach, dessen Grundrauschen die Gruppe über Tage begleitet. Im dschungelartigen Bergurwald herrscht beinahe tropisches Klima. Durch verschiedene Vegetationszonen geht es hinauf zu lichten Hochweiden und den Gletschern des Gebirgsmassivs Langtang Himal.

Unterwegs macht Santosh klare Ansagen: Beim Aufstieg langsam gehen! Träger und Mulis immer vorbeilassen ("Sie haben Vorfahrt")! "Und immer links um die Manisteine herum!" Es bringt dem Volksglauben des tibetischen Buddhismus zufolge Unglück, gegen den Uhrzeigersinn die Steine mit den eingeritzten Schriftzeichen zu umrunden.

Momos, Popcorn, Masalatee

An einer Alm trocknen Chilischoten in der Sonne. Eine alte Bäuerin mit Blumenkleid und tibetischer Streifenschürze serviert kalte Cola und heißen Masalatee. "Schwierig ist dieses Trekking nicht, aber konditionell fordernd", sagt Santosh. Sein Nachname Giri bedeutet "Berg" in Sanskrit, dazu ist es ein göttlicher Name, denn ein Giri steht außerhalb der Kasten. Auf Facebook nennt sich Santosh einfach nur "Bergziege" - auf Deutsch. Santosh führt Touren in ganz Nepal, war schon mehrmals in über 6000 Metern Höhe unterwegs.

Im Lama Hotel erhellt eine Glühbirne den Wohn- und Essraum. Zu essen gibt es salziges Popcorn, Kürbissuppe und Momos, gedämpfte Teigtaschen, eine nepalesische Spezialität. Die Träger bleiben unter sich. Santosh sagt: "Es ist ihnen peinlich, wenn wir zuschauen, wie sie mit den Fingern essen".

Zwischen den Baumkronen leuchten die weißen Flanken des 7300 Meter hohen Langtang Lirum hervor. Languren, Affen mit hellem Fell und dunklem Gesicht, hangeln zwischen den Wipfeln herum. Auch den roten Pandabären soll es hier geben und ganz oben, wo der ewige Winter wohnt, sogar den legendären Schneeleoparden.

Auf den Märchenwiesen in der Nähe der Ghodatabela-Lodge auf 2500 Metern wird die Luft endlich kühler. Eine Rast mit Dhal Bhat, dem Nationalgericht Nepals, dann erreicht die Gruppe das alte Dorf Langtang. Ein Massengrab, eine Mondlandschaft, ein zweites Pompeji. Oberhalb ist ein neues Dorf entstanden. Fahnen wehen über dem Chörten, einem tibetischen Kultbau.

Gruß an die Götter mit Gipfelschnaps

Am dritten Tag treffen die Trekker auf Weiden mit zotteligen Yaks - und Naks, die weiblichen Tiere. "Naks haben kleinere Hörner als Yaks", sagt Santosh und bremst die Foto-Offensive seiner Teilnehmer. "Nicht zu nah rangehen, sonst greifen sie an!".

Also weiter, vorbei an den aus Dornen gebauten Weidegittern, auf eine weiß schimmernde Stupa mit Gebetsmühle zu. Die Gruppe erreicht das Dorf Kyanjin Gompa auf 3850 Metern. Ausgerechnet hier, am entferntesten Punkt der weiten Reise in den Zentralhimalaja, serviert eine Bäckerei Schwarzwälderkirschtorte, Apple Pie und Cappuccino aus einer eigens eingeflogenen Espressomaschine.

Noch ein letzter steiler Anstieg, dann ist der 4350 Meter hohe Kyangjin Ri erreicht. Zwischen Nebelfetzen sind die blauen Dächer von Kyanjin Gompa zu sehen. Der Guide gibt eine Runde Gipfelschnaps aus: den legendären Khukri-Rum, der aus nepalesischer Eiche gebrannt wird. Santosh tupft ein paar Tropfen in alle Himmelsrichtungen, das Ritual für die Götter. Dann darf jeder einen Schluck nehmen.

Franziska Horn ist freie Autorin von SPIEGEL ONLINE. Die Reise wurde unterstützt durch den Deutschen Alpenverein und den DAV Summit Club.

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