Kunst, Berge, Kommerz?
Zwischen Aspen und Arlberg setzen immer mehr Tourismusorte auf
Land-Art, Kunst im Ort und auf Events, um neue Attraktionen zu schaffen.
Lösen die schöngeistigen Lockrufe nervenkitzelnde Skywalks ab?
Der pure Berg war lange ein Zugpferd voller Strahlkraft. Genügt er inzwischen nicht mehr als Attraktion? Nach Wellness-, Gastro- und Gesundheits-Hype, nach hippen Bergsportarten, Kulturevents und Eventarchitektur rücken die Tourismusdestinationen vielerorts ein neues „Tool“ in den Blickpunkt ihres Marketings: die Kunst. Schöngeistiges im Dienst alpiner Destinationen? Dafür gibt es viele Beispiele im Alpenbogen zwischen Zürich und Wien – und auch in Übersee. Im August 2018 öffnet der Skyspace Lech, ein begehbares Kunstwerk des us-amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell. Über 60 solcher Skyspaces hat Turrell schon weltweit realisiert, nun also auch einen in Vorarlberg – und es soll sein letzter sein. Am Standort Tannegg in Oberlech, oberhalb der Bergstation der Schlosskopfbahn können Kunstfans die sphärischen Spektralfarbwelten des Meisters persönlich auf sich wirken lassen. Turrells unterirdische Lichtkokons selbst zu erleben, das lohnt wirklich. Der Plan, noch einen Publikumsmagneten für Lech zu schaffen, könnte also aufgehen. Die Intention ist klar. Als Verbindung von „Kunstund Naturerlebnis“ soll das Projekt „von internationaler Ausstrahlung“ auch „neue Gästeschichten erschließen“ und „den Lecher Bergsommer weiterhin ausbauen und ihn in seiner ganzen Pracht und Vielfalt zum Sehnsuchtsort unserer Gäste machen“, wünscht sich Hermann Fercher, Tourismusdirektor von Lech Zürs. Turrell soll eben jene urbane Schichten anlocken, die mit Bergen bisher eher wenig am Hipster-Hut hatten. Zuvor holte schon die Allmeinde in Lech, eine ambitionierte örtliche Kulturinstitution, den Weltkunststar Erwin Wurm mit seiner Ausstellung „Nordwand“ ins Bergdorf. Rührig sind sie ja, die Lech-Zürser, in Sachen ernster oder Unterhaltungs-Kunst: Schon seit Jahren schaufeln sogenannte „Cineastic Gondolas“ die Gäste bespielt von Kurzfilmen den Berg hinauf, zudem beschallen selbige Gondeln das Publikum mit Disco-Rhythmen.
Sinnenreiz nonstop.
Nach der Hardware – Berge, Felsen, Wanderwege – bauen Tourismusorte nun also verstärkt die Software aus, die „soft skills“, also das Denken, Fühlen, geistige und emotionale Werte. Die natürlich auch behaust werden müssen, wie folgendes Exempel zeigt. Wieder heißt der Protagonist „James“. Doch weit bekannter als Lichtguru Turrell ist der Geheimagent seiner Majestät. James Bond bekommt ein stylisch-minimalistisches Museum gebaut, auf stolzen 3050 Metern Höhe hoch über Sölden in den Gaislachkogel hinein. „007 Elements“ heißt die „cineastische Installation“ genannte Ausstellung, die im Sommer 2018 eröffnet. Warum das Ganze? Einige Szenen zu „Spectre“ wurden Anfang 2015 hier oben gedreht. Das will man dokumentieren. Also dem smarten Filmhelden ein immerwährendes Denkmal setzen und dem Ort Sölden gleich mit. Auf zwei Etagen mit 1300 Quadratmetern, geplant vom Innsbrucker Architekten Obermoser, der schon das futuristische „Ice-Q“-Restaurant nebenan auf den Berg setzte. Dabei ist das neue „007 Elements“ gar nicht mal das erste Alpin-Mekka für Bond-Fans: Seit 2013 erinnert eine Ausstellung auf dem Schweizer Schilthorn in 2970 Meter Höhe an die heimischen Dreharbeiten im Jahr 1968, als der Australier George Lazenby „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ auf einer Verfolgungsjagd per Ski über die Tiefschneehänge des Schilthorns fetzte. Dazu passt ein James-Bond- Frühstücks-Brunch im 360°-Panorama-Restaurant, das den nahen „Rock-Stars“ Jungfrau, Mönch und Eiger am Ende noch die Schau stehlen könnte. Dass hohe Kunst sehr gut auf hohe Berge passt, hat schon der Tiroler Autor Felix Mitterer („Die Piefke-Saga“) verstanden, als er sein Theaterstück „Munde“ 1990 auf dem Gipfel der Hohen Munde bei Telfs uraufführte. Damit verschaffte der Autor allen Beteiligten eine mehr oder weniger geplante Extrem-erfahrung, sei es Schauspielern wie Tobias Moretti, den Organisatoren oder den 100 Zuschauern, die nach der Vorstellung auf dem Gipfel nächtigten. Mitterers Pioniertat fand ihre Nachahmer: Derzeit bietet das Stadttheater Kufstein Vorstellungen desselben Theaterstücks an, traut sich dabei aber nicht ganz so weit hinauf. Die Besucher müssen nur einen 1270 Meter hohen Hügel im Kaisergebirge erklimmen, sogar ein Lift geht hinauf. Und weil die Wechselwirkung zwischen Kunst und alpiner Landschaft so gut funktioniert, inszenierte schon der österreichische „Klangdom“ unter dem Motto „Natur meets Kultur“ einige Male klassische Open-Air-Konzerte am Berg. Eine Stunde Aufstieg von Leutasch bis auf 1400 Meter, den Picknickkorb unterm Arm, später das Rotweinglas in der Hand, Klänge von Bruckner im Ohr, die formschöne Hohe Munde im Blick – hach! Schon fragt man sich: Wo endet die Kunst, wo beginnt die Natur ... und bedingt nicht am Ende das eine das andere?
Um Bergwanderern eine garantiert spektakuläre „Dosis Berg“ nebst Tiefblicken zu verschaffen, schossen in den letzten Jahren atemberaubende Skywalks wie Pilze aus dem Boden. Architektonisch verwegene kleine Stege also, gern mit Glasboden, die ausladend über Canyons und Klippen ragen. Vergangenheit. Heute möchten die Tourismusbüros den feinen Sinn für Schönes ansprechen. Kurz, ein Kunst-Parcours muss her. In Serfaus-Fiss- Ladis konnten Wanderer im „Genussherbst 2017“ Künstlern wie Steinmetzen, Bildhauern, Holzschnitzern, Malern, Filzern oder Drechslern im Rahmen der Ausstellung „Kunst am Berg“ bei der Arbeit sozusagen in flagranti über die Schulter schauen, oben am Schönjoch auf 2440 Meter Höhe. Auch auf der Schmittenhöhe in Zell am See hat man die Zeichen der Zeit verstanden: Schon seit 1995 lockt ein Parcours die Kunstwanderer aus Nah und Fern: Über 30 Skulpturen aus Holz und Stein bilden hier einen ganzjährigen Freiluft-Kunstraum. (...)
Original
Der pure Berg war lange ein Zugpferd voller Strahlkraft. Genügt er inzwischen nicht mehr als Attraktion? Nach Wellness-, Gastro- und Gesundheits-Hype, nach hippen Bergsportarten, Kulturevents und Eventarchitektur rücken die Tourismusdestinationen vielerorts ein neues „Tool“ in den Blickpunkt ihres Marketings: die Kunst. Schöngeistiges im Dienst alpiner Destinationen? Dafür gibt es viele Beispiele im Alpenbogen zwischen Zürich und Wien – und auch in Übersee. Im August 2018 öffnet der Skyspace Lech, ein begehbares Kunstwerk des us-amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell. Über 60 solcher Skyspaces hat Turrell schon weltweit realisiert, nun also auch einen in Vorarlberg – und es soll sein letzter sein. Am Standort Tannegg in Oberlech, oberhalb der Bergstation der Schlosskopfbahn können Kunstfans die sphärischen Spektralfarbwelten des Meisters persönlich auf sich wirken lassen. Turrells unterirdische Lichtkokons selbst zu erleben, das lohnt wirklich. Der Plan, noch einen Publikumsmagneten für Lech zu schaffen, könnte also aufgehen. Die Intention ist klar. Als Verbindung von „Kunstund Naturerlebnis“ soll das Projekt „von internationaler Ausstrahlung“ auch „neue Gästeschichten erschließen“ und „den Lecher Bergsommer weiterhin ausbauen und ihn in seiner ganzen Pracht und Vielfalt zum Sehnsuchtsort unserer Gäste machen“, wünscht sich Hermann Fercher, Tourismusdirektor von Lech Zürs. Turrell soll eben jene urbane Schichten anlocken, die mit Bergen bisher eher wenig am Hipster-Hut hatten. Zuvor holte schon die Allmeinde in Lech, eine ambitionierte örtliche Kulturinstitution, den Weltkunststar Erwin Wurm mit seiner Ausstellung „Nordwand“ ins Bergdorf. Rührig sind sie ja, die Lech-Zürser, in Sachen ernster oder Unterhaltungs-Kunst: Schon seit Jahren schaufeln sogenannte „Cineastic Gondolas“ die Gäste bespielt von Kurzfilmen den Berg hinauf, zudem beschallen selbige Gondeln das Publikum mit Disco-Rhythmen.
Sinnenreiz nonstop.
Nach der Hardware – Berge, Felsen, Wanderwege – bauen Tourismusorte nun also verstärkt die Software aus, die „soft skills“, also das Denken, Fühlen, geistige und emotionale Werte. Die natürlich auch behaust werden müssen, wie folgendes Exempel zeigt. Wieder heißt der Protagonist „James“. Doch weit bekannter als Lichtguru Turrell ist der Geheimagent seiner Majestät. James Bond bekommt ein stylisch-minimalistisches Museum gebaut, auf stolzen 3050 Metern Höhe hoch über Sölden in den Gaislachkogel hinein. „007 Elements“ heißt die „cineastische Installation“ genannte Ausstellung, die im Sommer 2018 eröffnet. Warum das Ganze? Einige Szenen zu „Spectre“ wurden Anfang 2015 hier oben gedreht. Das will man dokumentieren. Also dem smarten Filmhelden ein immerwährendes Denkmal setzen und dem Ort Sölden gleich mit. Auf zwei Etagen mit 1300 Quadratmetern, geplant vom Innsbrucker Architekten Obermoser, der schon das futuristische „Ice-Q“-Restaurant nebenan auf den Berg setzte. Dabei ist das neue „007 Elements“ gar nicht mal das erste Alpin-Mekka für Bond-Fans: Seit 2013 erinnert eine Ausstellung auf dem Schweizer Schilthorn in 2970 Meter Höhe an die heimischen Dreharbeiten im Jahr 1968, als der Australier George Lazenby „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ auf einer Verfolgungsjagd per Ski über die Tiefschneehänge des Schilthorns fetzte. Dazu passt ein James-Bond- Frühstücks-Brunch im 360°-Panorama-Restaurant, das den nahen „Rock-Stars“ Jungfrau, Mönch und Eiger am Ende noch die Schau stehlen könnte. Dass hohe Kunst sehr gut auf hohe Berge passt, hat schon der Tiroler Autor Felix Mitterer („Die Piefke-Saga“) verstanden, als er sein Theaterstück „Munde“ 1990 auf dem Gipfel der Hohen Munde bei Telfs uraufführte. Damit verschaffte der Autor allen Beteiligten eine mehr oder weniger geplante Extrem-erfahrung, sei es Schauspielern wie Tobias Moretti, den Organisatoren oder den 100 Zuschauern, die nach der Vorstellung auf dem Gipfel nächtigten. Mitterers Pioniertat fand ihre Nachahmer: Derzeit bietet das Stadttheater Kufstein Vorstellungen desselben Theaterstücks an, traut sich dabei aber nicht ganz so weit hinauf. Die Besucher müssen nur einen 1270 Meter hohen Hügel im Kaisergebirge erklimmen, sogar ein Lift geht hinauf. Und weil die Wechselwirkung zwischen Kunst und alpiner Landschaft so gut funktioniert, inszenierte schon der österreichische „Klangdom“ unter dem Motto „Natur meets Kultur“ einige Male klassische Open-Air-Konzerte am Berg. Eine Stunde Aufstieg von Leutasch bis auf 1400 Meter, den Picknickkorb unterm Arm, später das Rotweinglas in der Hand, Klänge von Bruckner im Ohr, die formschöne Hohe Munde im Blick – hach! Schon fragt man sich: Wo endet die Kunst, wo beginnt die Natur ... und bedingt nicht am Ende das eine das andere?
Um Bergwanderern eine garantiert spektakuläre „Dosis Berg“ nebst Tiefblicken zu verschaffen, schossen in den letzten Jahren atemberaubende Skywalks wie Pilze aus dem Boden. Architektonisch verwegene kleine Stege also, gern mit Glasboden, die ausladend über Canyons und Klippen ragen. Vergangenheit. Heute möchten die Tourismusbüros den feinen Sinn für Schönes ansprechen. Kurz, ein Kunst-Parcours muss her. In Serfaus-Fiss- Ladis konnten Wanderer im „Genussherbst 2017“ Künstlern wie Steinmetzen, Bildhauern, Holzschnitzern, Malern, Filzern oder Drechslern im Rahmen der Ausstellung „Kunst am Berg“ bei der Arbeit sozusagen in flagranti über die Schulter schauen, oben am Schönjoch auf 2440 Meter Höhe. Auch auf der Schmittenhöhe in Zell am See hat man die Zeichen der Zeit verstanden: Schon seit 1995 lockt ein Parcours die Kunstwanderer aus Nah und Fern: Über 30 Skulpturen aus Holz und Stein bilden hier einen ganzjährigen Freiluft-Kunstraum. (...)
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