Seit dem 20. Oktober vergangenen Jahres denkt Francesca Mendoza darüber nach, ob ihr Vater ein Mörder sein könnte. Die 27-jährige Lehrerin mit den dichten schwarzen Locken ist seit Beginn der Proteste in fast jede Woche auf der Straße, meistens in der ersten Reihe. Und ihr Vater ist Polizist. Doch Mendoza fürchtet sich nicht davor, ihm auf der Straße zu begegnen. Sie fürchtet sich vor seiner Vergangenheit, denn er war während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet bei der Geheimpolizei.
An einem Freitag Anfang Januar steht Mendoza zwischen Tausenden anderen Protestierenden nahe der Plaza Italia im Zentrum der chilenischen Hauptstadt Santiago. Eine Großdemonstration sollte auf der Plaza stattfinden, wie jede Woche, doch die Polizei hat die Zugangsstraßen gesperrt. Immer wieder rennen die Demonstranten nach vorne, die Polizei treibt sie mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen zurück. Mendoza trägt Schutzausrüstung wie die meisten hier: einen silbernen Fahrradhelm, eine Atemmaske und eine Plastikbrille.
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