Meschede.
Die Ostermessen stehen vor der Tür und Dechant Georg Schröder trifft die letzten Vorkehrungen für die wichtigsten Feierlichkeiten in der Katholischen Kirche. Im Interview erläutert der Dechant, inwiefern die traditionelle Form der Kirche mit einem modernen Leben vereinbar ist und er präsentiert sich als ein Mann mit festem Glauben, der in der Katholischen Kirche trotzdem Reformbedarf sieht.
Was zeichnet einen modernen Christen aus?
Pfarrer Georg Schröder: Ein moderner Christ ist jemand, der begriffen hat, dass der Glaube an Gott etwas mit Freiheit zu tun hat. Und zwar, dass es eine freie Zustimmung erfordert - wie schon Martin Luther im Zuge der Reformation gezeigt hat - nämlich dass man nicht gezwungenermaßen glaubt, sondern frei seine Zustimmung zum Glauben gibt.
Die Kirche beschränkt viele Freiheiten, beispielsweise fehlt die Akzeptanz von Homosexuellen.
Da hat die katholische Kirche ihre Probleme, denn das betrifft die Sexualmoral und da haben wir eben die moralische Auffassung, dass das nur auf eine heterosexuelle Ehe zwischen Mann und Frau hinauslaufen kann. Alles, was nicht dieser Grundlage entspricht, erfüllt nicht die kirchliche Norm. Das Thema fällt mir schwer, genauso schwer tut sich die Katholische Kirche damit. In erster Linie zählt jeder Mensch und dabei ist es egal, welche sexuelle Orientierung er hat.
Ist das auch Ihre Meinung?
Vor ein paar Jahren hat der Papst gesagt: Wer bin ich, dass ich urteile. Viele Geistliche haben dies heftig kritisiert. Trotzdem hat sich an der kirchlichen Grundlage nichts geändert. Meine persönliche Meinung ist, dass wir Reformbedarf haben. Das Leben der Menschen hat sich verändert und da muss ein konstruktiver Dialog geschaffen werden. Eine Abwehrhaltung, bei der man anderen vorschreibt, was sie nicht dürfen, ist nicht mehr zeitgemäß.
Zur Gleichberechtigung von Mann und Frau: Können Frauen nicht genauso gut Messen leiten und seelsorgerisch tätig sein?
Da hat sich in der Kirche schon viel getan. Wortgottesdienste und Andachten werden zum Beispiel von Frauen vorbereitet und geleitet. Wir haben das Problem der Vorschriften des Priestertums, die festlegen, dass die Messe, die Beichte oder die Krankensalbung an die Priesterweihe gebunden ist, die sehr streng reglementiert ist. Die Kirche ist aber mittlerweile gewillt, Frauen in einigen Ämtern zuzulassen. Zum Beispiel in Generalvikariaten, in denen Frauen Abteilungsleiterinnen werden können.
Die Bibel ist ein Werk mit vielen abstrakten Bildern. Wie soll sie Menschen mit deren heutigen Problemen helfen?
Die Bibel enthält Lebensweisheiten von Menschen, die an Gott glauben, in einem Zeitraum von über rund 1000 Jahren. Unsere Aufgabe ist es, diese Lebensweisheiten zu übersetzen, weil die Bibel jede Zeit immer wieder neu übersetzt werden muss. Das ist der Auftrag, den ich habe und den versuche ich, in meinen Predigten für das alltägliche Leben umzusetzen.
Gläubige müssen sich hinknien und werden als Diener und Sünder dargestellt.
Wie sollen zweifelnde Menschen die Kirche da als etwas Schönes empfinden?
Ein Diener Gottes zu sein, finde ich nicht schlimm, so lange man nicht der Diener eines Menschen ist (lacht). In der Kirche gibt es eine Tradition, die den Menschen gern klein macht. Das ist aber nicht das Gottesbild, das für mich existiert. Der Mensch sollte Partner Gottes sein. Schließlich heißt es auch, dass der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde, so dass Gott ein Gegenüber haben wollte. Und das hat nichts mit Unterwürfigkeit zu tun. Der Mensch hat die Freiheit, nein zu Gott zu sagen. Leider sind in der Kirche viele Gebete so geschrieben, dass man sie in der heutigen Zeit nicht in der Form beten kann.
Zweifeln Sie viel?
Natürlich. Ich habe heute noch meine Fragen: Ein Christ ist ein Mensch, der Fragen stellt. Es ist wichtig, dass man sich selbst, sein Gottesbild und auch die Kirche hinterfragt. Ein kritisches Bewusstsein ist immer gut. Ein Christ, der keine Fragen stellt, ist ein armer Christ.
Was ist derzeit die größte Schwäche der Katholischen Kirche?
Für mich ist es ein großes Rätsel, warum das Sakramentale nicht mehr bei den Menschen wirkt. Es kommen weniger Menschen in die Messen. Wenn beispielsweise mal an einer Stellschraube gedreht werden würde, so dass zum Beispiel Priester heiraten dürften - das wäre ein positives Zeichen der Veränderung, das zurzeit fehlt. Der Papst hat schon viele Türen geöffnet. Er hat erreicht, dass wir in der Kirche freier diskutieren können. Substantiell hat sich aber noch nichts verändert.
Firmlinge mussten sich ihren Kirchenbesuch abzeichnen lassen. Wie kann solch ein Zwang ein positives Bild der Kirche vermitteln?
Bestimmte Anforderungen, um ein Sakrament zu empfangen, sind legitim, aber den vorgeschriebenen Gottesdienstbesuch haben wir wieder abgeschafft. Jetzt handhaben wir es im Sinne einer Selbstverpflichtung. Es gibt nun drei Veranstaltungen, an denen die Firmlinge teilnehmen müssen, das sollte jeder Firmling mit sich vereinbaren können.
Wo sehen Sie die größten Stärken?
Die Trägerschaften im sozialen Bereich sind eine Stärke, wenn man an Kindergärten oder soziale Pflegedienste wie die Caritas denkt. Was außerdem unglaublich lobenswert ist, sind die vielen freiwilligen Helfer, die sich beispielsweise um die Flüchtlinge kümmern. Ohne die Ehrenämter wäre die Arbeit in den Gemeinden nicht zu bewerkstelligen. Die Menschen tun das auch, weil sie glauben.
Auf welches Thema werden Sie an den kommenden Feiertagen ihren Schwerpunkt legen?
Als Leitthema habe ich: Gott ist anders als wir denken. Jesus wäscht den Jüngern beispielsweise am Gründonnerstag die Füße; er als Chef seiner Gruppe macht sich damit zum Sklaven. Am Karfreitag predige ich dann vom Tod am Kreuz, als Jesus ruft: ,Mein Gott, warum hast du mich verlassen?' Es zeigt nicht nur den schönen Gott, sondern auch den, der anders ist und in die tiefste menschliche Not hineingeht. Ostern befasse ich mich dann natürlich mit der Auferstehung. Es passiert etwas, womit niemand gerechnet hat. Rein mit wissenschaftlichen Methoden werden wir die Auferstehung nicht beweisen können. Es verdeutlicht jedoch: Es gibt immer eine Hoffnung, dass nach dem Tod noch nicht alles endet.