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Neue Serie bei Netflix: "After Life" - Humor muss weh tun

Am besten fasst folgende Szene wohl die Stimmung von Ricky Gervais' neuer Serie "After Life" (Start am 8. März) zusammen. Tony (Ricky Gervais) sitzt schlecht gelaunt in einer Comedyshow, in die ihn sein Schwager und Boss Matt (Tom Basdale) geschleppt hat. Der Komiker auf der Bühne macht einen Witz über Selbstmord. Ein Freund von ihm sei an einem Tampon erstickt. Tony verzieht keine Miene. Der Comedian spricht ihn an, bereit den unwilligen Zuschauer selbst zum Teil seiner Witze zu machen. "Was ist deine Geschichte?", fragt er. Und Tony beginnt zu erzählen: "Ich habe meine Frau Anfang des Jahres verloren. Brustkrebs. Es zerbrach mich. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht darüber nachdenke, mich umzubringen." Zack - betroffene Stille. Der Witz in dieser Szene: Der bemitleidenswerte Versuch des Komikers, den nächsten Gag zu landen und das vor Betroffenheit erstarrte Publikum wieder aufzuheitern.

Ist das noch lustig? Das ist die Frage, die sich eigentlich durch das gesamte Werk von Ricky Gervais zieht. Mit seiner Serie "The Office" etablierte der britische Komiker vor fast 20 Jahren einen schwer zu ertragenden Humor, der weniger über Punchlines als peinliche Situationen funktioniert. Situationen, die Gervais bis über die Schmerzgrenze hinaus auskostet. Ein Schema, das viele zum Vorbild nahmen - wie zum Beispiel Christian Ulmen in Deutschland. Im Gegensatz dazu standen immer die Stand-up-Auftritte von Gervais, in denen er so ziemlich alles beleidigte, was ihm in den Sinn kam. Ganz gleich ob Prominente oder Randgruppen, die sich regelmäßig über die Auftritte beschwerten. Einen Menschenfeind ist er aber nicht - das zeigte seine letzte Serie "Derek", die er genauso wie seine beiden Stand-up Specials "Humanity" und das noch ausstehende "SuperNature" für Netflix produzierte. In der Hauptrolle wieder der Komiker selbst, der einen geistig beeinträchtigten, liebenswerten Mann spielt, der in einem Pflegeheim arbeitet und stets das Gute im Menschen sieht.

Einfühlsam brutal

Diese scheinbar so schwer zu vereinbarenden Richtungen seiner Komik führt Gervais nun in "After Life" zusammen. Sein Hauptprotagonist Tony ist nach dem Tod seiner Frau schwer depressiv und will sich am Universum für diesen Verlust rächen. Wenn ihm das einzige genommen wurde, das ihm etwas bedeutete, muss er sich auch nicht mehr an die Regeln halten, so seine Logik. Er sagt und tut von nun an, was immer er will. Was ist schon das schlimmste, das passieren kann? Der Tod? Den sehnt er sich sowieso herbei. Nur der gemeinsame Hund hält ihn davon ab. Er lässt sich gehen, schlurft in Jogginghosen herum, kippt sich das Curry zum Frühstück direkt aus der Dose in den Rachen. Die neue Kollegin in der Lokalzeitung, in der er arbeitet, begrüßt er mit den Worten: "Wir sind ein widerlicher, narzisstischer, selbstsüchtiger Parasit und die Welt wäre besser ohne uns dran." Er bedroht einen Schuljungen, terrorisiert seinen Postboten, überschüttet seine Freunde, die eigentlich nur sein Bestes wollen, mit Beleidigungen. Sprich, er ist - wie er es selbst ausdrückt - ein unausstehliches Arschloch.

Linderung verschaffen ihm nur die Videos seiner Frau, die sie ihm kurz vor ihrem Tod aufgenommen hat und neue Freunde, denen es genauso schlecht geht wie ihm. Eine Witwe, die er auf dem Friedhof kennen lernt, ein Junkie und eine Prostituierte, die er als Putzfrau beschäftigt.

Comedy? Irgendwie ja, irgendwie nein

Mit den Gags am Fließband aus Erfolgsserien wie "The Big Bang Theory" hat das natürlich wenig zu tun. Es erinnert vielmehr an Louis C.K.'s "Louie" und eine ganze Reihe halb-biografischer Serien von Comedians, die in den letzten Jahren vermehrt bei den Streaming-Anbietern Erfolge feierten, die die Grenzen von dem, was wir unter Komik verstehen, bis zur Unkenntlichkeit ausdehnen. Und ja, das alles ist mitunter genauso schwer zu ertragen, wie es klingt. Das soll es aber auch. In sechs Folgen knapp unter einer halben Stunde erzählt der Komiker, der das Buch schrieb und auch Regie führte, wie es ist, wenn die eigene Welt zerbricht und wie schwer es ist, aus den Resten etwas Neues zu formen, das nur halbwegs lebenswert erscheint.

Die Komik ist hier nur noch die Basis all dessen, was folgt. Die herausragenden Szenen sind demnach nicht die gewohnten Bösartigkeiten des Briten, sonder die fragilen, zerbrechlichen Szenen, die ungewohnt zart sind für den sonst so gnadenlosen Gervais. Immer wieder zeigt er, wie es den Menschen um Tony herum gelingt, seine Fassade zu durchbrechen und die Verletzlichkeit zu zeigen, die noch immer in diesem unausstehlichen Arschloch steckt. Wie die langsam aufkeimende Romanze mit der wunderbaren Emma Jensen, mit der Gervais seit "Extras" nicht mehr zusammenarbeitete, wieder Lebenswillen in ihm weckt. Wie Tony versucht, doch noch etwas zu finden, für das es sich lohnt, die eigene Existenz nicht zu beenden. Ist das also noch Comedy? Nein. Und Ja. "After Life" ist viel mehr als das. Todtraurig und betrübt, warmherzig und gleichzeitig brutal. Mit Lachern, die den Zuschauer eher an unerwarteter Stelle überraschen. Also ein bisschen wie das Leben - und wie alle großen Komödien.

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