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Auch im Nahen Osten gibt es verdammt gutes Craft Beer

Die kleine Stadt Bathroun an der libanesischen Mittelmeerküste ist ein Hotspot für Surfer und Freunde des gepflegten Nachtlebens. Seit letztem Sommer braut Jamil Haddad hier nur einen Steinwurf vom Meer entfernt verdammt leckeres Craft Beer.

Als Jamil mich vor seiner Brauerei begrüßt, lautet seine erste Frage: „Willst du ein Bier?“ Bei einem tschechischen Lager erzählt er mir, wie er seine Liebe zum Bier zu einem Fulltime-Job gemacht hat.

„Die Geschichte hat vor langer Zeit begonnen. Ich bin immer schon windsurfen gegangen und wollte mir als 16-Jähriger ein bisschen Geld dazu verdienen um mir neues Equipment zu kaufen. Ich hab damals angefangen, zuhause Likör herzustellen und zu verkaufen und konnte mir neues Equipment zum Surfen leisten. Ich hab das dann drei oder vier Jahre gemacht aber das wurde mir zu langweilig. Likör zusammen zu mischen ist verdammt einfach.“

„Ich wollte was Interessanteres machen und bin sowieso ein Bier-Fan. Ich wollte mehr über Bier wissen und hab mich durchgefragt. Aber wir hatten damals natürlich noch kein Internet, das war ‘ne ganze Zeit vor Google. Ich hab mir dann verschiedene Bücher über das Bierbrauen zugelegt, aber es gab im Libanon keine richtige Bierkultur. Niemand wusste irgendwas über Bier.“

Bis 2006 war Almaza das einzige verbreitete libanesische Bier. DAS libanesische Bier schlechthin gibt es schon seit 1933 und wurde vor einigen Jahren von Heineken aufgekauft. Almaza ist zwar ein bodenständiges, solides Bier, aber wirklich nichts Besonderes. 2006 hat die erste libanesische Kleinbrauerei angefangen, Craft Beer herzustellen: 961 (benannt nach der Internationalen Vorwahl des Landes) produziert verschiedene Sorten, unter anderem mit wildem Thymian oder mit Koriandersamen und Orangenschale.

Die verschiedenen Sorten Colonel, die Jamil seit letztem Sommer braut, folgen allerdings strikt dem deutschen Reinheitsgebot. Bis dahin war es aber noch ein langer Weg. Vor acht Jahren hat er sich in England sein erstes Home-Brew-Kit gekauft und versucht trinkbares Bier zu kreieren. „Das erste Jahr war das ganze Trial-and-Error und hat überhaupt nicht geschmeckt. Nach einem Jahr hatte ich dann das erste Bier das wirklich lecker war“ erzählt Jamil. In Großbritannien hat er sich verschiedene Kleinbrauereien angeschaut und von den erfahreneren Craft Beer-Meistern gelernt.

2013 hat er dann seinen Marketing-Job bei Adidas an den Nagel gehängt um aus seinem Hobby ein erfolgreiches Unternehmen zu machen. „Craftbeer boomt überall auf der Welt und ich wollte das auch hier im Libanon an den Start bringen“, sagt Jamil.
Nur durch eine Glaswand von der Brauerei getrennt, befindet sich die dazugehörige Bar. „Wir haben hier nicht nur Bier, sondern servieren im Restaurant auch Essen das mit Bier harmoniert. Einige unserer Gerichte sind sogar wie das Fleisch unserer Burger in Bier mariniert. Wir machen hier nicht wirklich typisch libanesisches Essen, sondern eher internationale Küche“ erzählt der Braumeister. Während man Burger und Bier genießt, kann man den magischen Prozess des Brauens beobachten.

Das Brauereigebäude ist zum größten Teil aus alten Holzpaletten und aus Einkaufstüten recyceltem Plastik gebaut. Alles so ökologisch wie es nur geht. „Das ist mein Pfadfinder-Hintergrund.“ Mittlerweile produziert seine Brauerei bereits 1000 Liter Bier am Tag. Das Meiste davon ist das Tschechische Lager, das auch in Flaschen abgefüllt und in anderen Bars und Restaurants verkauft wird. Die anderen Sorten gibt es hingegen meistens nur frisch gezapft in der hauseigenen Bar. Da wären noch ein ungefiltertes Lager-Bier, das „Light German“, das „Red Irish“ und das „Black Irish“. „Nächste Woche werde ich ausserdem anfangen zum ersten Mal IPA zu brauen“, erzählt Jamil. „Mein Ziel ist es, irgendwann 20 Sorten oder mehr anbieten zu können.“

Die Zutaten dafür importiert er aus Deutschland, Frankreich und Tschechien. Sogar die Glasflaschen sind aus Deutschland. „Bier sollte in braunen Flaschen sein, damit es gegen das Sonnenlicht geschützt ist.Die einzige Fabrik im Libanon, die braune Flaschen hergestellt hat, wurde aber 2006 im Krieg mit Israel zerbombt“, erklärt er. Die Qualität seines Biers testet Jamil jeden Tag selber. Wie viele Liter er täglich trinkt kann er nicht sagen: „Ich zähle nicht.“ Man kann sich aber sicher sein, es sind einige.

Obwohl es Colonel nur in Bars und Restaurants gibt und Jamil bewusst keine Supermärkte beliefert, ist die Brauerei schon kurz nach der Eröffnung dauerhaft an ihrer Kapazitätsgrenze. Angst um eine Pleite hat Jamil nicht. An einem Wochenende mit gutem Wetter, sagt er, kommen schonmal 1500 Gäste.

Die Libanesen wissen anscheinend nicht nur, wie man sieben Tage die Woche feiert wie verrückt, sondern auch was gutes Bier ist.

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