13 subscriptions and 5 subscribers
Article

The Great Translation Movement: Ein Onlinekollektiv karikiert Pekings Friedenspropaganda

Als Tiziano Terzani, der 2004 verstorbene ehemalige China-Korrespondent des Spiegels, einmal einen chinesischen Kader auf Mandarin ansprach, soll dieser sich zu seinen Untergebenen umgedreht und gefragt haben: "Welcher Verräter hat ihm unsere Sprache beigebracht?"

Ähnlich überfordert verhält sich die chinesische Regierung derzeit gegenüber einem Twitter-Account, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, chinesischen Content in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Der Kanal, der unter dem Namen und Hashtag #TheGreatTranslationMovement (大翻译运动官方推号) arbeitet, überträgt Beiträge aus offiziellen staatlichen Medien sowie chinesische Social-Media-Kommentare ins Englische, Japanische, Französische, Koreanische, Spanische und Arabische. Dabei werden vor allem Kommentare ausgewählt, die in besonders viele Likes und Shares generiert haben.

Ziel sei, der Welt zu zeigen, wie arrogant, nationalistisch, empathielos, grausam und manchmal auch blutdürstig die öffentliche Meinung in China sein kann, erklärt ein anonymes Mitglied des Netzwerks in einem chinesischen Beitrag der Deutschen Welle. So findet sich auf dem Kanal etwa der Kommentar eines Shanghaier Universitätsdozenten der namhaften Fudan-Universität, der auf Weibo erklärt hatte, dass das Butscha-Massaker nur eine inszenierte Show gewesen sei.

Hinter der Fassade gedeiht Hass

Ein übersetzter Bericht aus der Staatszeitung People's Daily behauptet, die US-Armee habe Insassen einer psychiatrischen Klinik in der als medizinische Versuchskaninchen benutzt. "Amerikanische Teufel" nennt sie ein Nutzer in den ebenfalls übersetzten Kommentaren. Ein anderer User ehrt Putin als "Kaiser", dessen militärische Eingriffe den Weltfrieden bringen würden.

Newsletter

"Was jetzt?" - Der tägliche Morgenüberblick

Starten Sie mit unserem sehr kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag - von Sonntag bis Freitag. Erhalten Sie zudem jeden Samstag das digitale Magazin ZEIT am Wochenende.

Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Die Beiträge von The Great Translation Movement zeigen, wie unter der vermeintlich moderaten Fassade der Staatspropaganda der Hass wuchern darf, ja wuchern soll. Social-Media-Posts, die den Krieg in der Ukraine verdammen oder ukrainische Positionen vertreten, werden in China rigide zensiert. Prorussische Kommentare werden dagegen in der Regel stehen gelassen. Selbst wenn sie so menschenverachtend sind wie jene, die die "Große Übersetzungsbewegung" einem nicht Chinesisch sprechenden Publikum zugänglich macht. Während nach außen versucht, im Ukraine-Krieg Neutralität zu wahren, sendet die Billigung solcher Kommentare eben doch eine Botschaft.

Und genau hier wird das Great Translation Movement, das mittlerweile über 126.000 Follower hat, für Peking zum Problem. Chinas Propagandaministerium unterscheidet klar, welche Botschaften es nach innen kommuniziert und welche es nach außen sendet. Je schriller der Nationalismus, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Botschaft für Chinesen auf dem Festland bestimmt ist. In seinen englischsprachigen Propagandamedien wählt die Volksrepublik meist einen diplomatischeren Ton, der gerne auch die eigene Opferrolle herauskehrt. Die aggressiven Entgleisungen, die der Twitter-Kanal täglich in Form von übersetzten Screenshots veröffentlicht, belasten Chinas Image im Ausland damit zusätzlich.

Mehrere Artikel in den chinesischen Staatsmedien haben sich bereits dem Twitter-Account gewidmet, und das, obwohl Twitter in China geblockt ist. Die englischsprachige Global Times spricht von einer "Hexenjagd". Das Great Translation Movement gehe auf einige wenige frustrierte Chinesen zurück, die sich mit feindlichen Kräften aus dem Ausland zusammengetan hätten, um Hass gegen Chinas Bürger zu schüren. Nur durch solche Manöver könne sich der absteigende Westen noch immer kulturell überlegen gegenüber China fühlen, schreibt Wang Qiang, der ansonsten für militärische Angelegenheiten zuständige Autor des Artikels. Der Text, dem die Illustration eines mit Farbe beschmierten Pandabären beigefügt ist, endet mit der Drohung, dass man die IP-Adressen der Beteiligten "demaskieren" werde.##SEITE 2 >>

Original