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Corona-Krise: "Die neue Freiheit macht mich nervös"

Wie ein Marathon, wie Urlaub, wie eine Achterbahnfahrt - wir haben Menschen zwischen vier und 101 Jahren gefragt, wie sich die Krise momentan für sie anfühlt.

Meine Wasserspritzpistole, mein Abitur, mein Job, meine Enkel - im Laufe des Lebens verlagern sich die Dinge, die einem wirklich wichtig sind. Der Blick auf die Welt verändert sich, und so auch der Blick auf diese Krise. Worüber machen sich die Leute Sorgen, was hat Corona ihnen genommen oder vielleicht sogar geschenkt? Wir haben Menschen im Alter von vier bis 101 Jahren gefragt, wie sich die Pandemie für sie anfühlt.

Nikolai Hänsel, 4, Kindergartenkind aus München

"Ich bin Erfinder. Ich habe ein Gift erfunden, mit Algen und orangen Steinen. Das ist ein Mittel gegen Corona. Aber es dauert noch ganz, ganz, ganz, ganz lange, bis es ganz orange ist, dann wird es allen kranken Menschen helfen. Solange der Kindergarten zu hat, koche ich jeden Tag mit meinem Kochbuch für Kinder. Heute gibt es Pizzaschlangen. Der Kindergarten kann ruhig zubleiben. Ich spiele solange mit der Wasserspritzpistole, die hat mir mein Opa heute geschenkt."

Noah Adler, 16, Schüler aus Berlin

"Es gibt Wochen, da häufen sich die Hausaufgaben - viel mehr als zu normalen Zeiten. Da wir momentan aber nur etwa sechs Stunden pro Woche Präsenzunterricht haben, gleicht sich das wieder aus. Im echten Unterricht lerne ich viel besser und kann mich auch länger konzentrieren, als wenn alles per Videotelefonie und E-Mail läuft. Mich beunruhigt es etwas, dass ich nicht genau weiß, was passieren wird und wann der normale Schulalltag wieder möglich ist. Mittlerweile habe ich mich aber einigermaßen mit der Situation abgefunden."

Sven Richter, 20, Student aus Zwickau

"Für mich ist die schlimmste Zeit vorbei. Seit es Lockerungen in Sachsen gibt, bin ich viel in der Natur, ich gehe mit Freunden wandern oder alleine in den Wald. Das hilft mir, meinen Alltag zu strukturieren - das Nichtstun hat mich anfangs sehr belastet. Irgendwie habe ich mich mittlerweile an die Ausnahmesituation gewöhnt, darum fühlt sich die Krise jetzt nicht mehr so bedrohlich an. Trotzdem wünsche ich mir nichts mehr als einen Impfstoff. Ich bin ungeduldig und möchte mein normales Leben zurück."

Giulia Ganser, 22, Schülerin aus München

"Ich habe gerade Abiprüfungen und bin aufgeregt. Es war zwischendrin viel unklar, ob das jetzt stattfindet oder nicht, wann und unter welchen Bedingungen. Diese Krise fühlt sich allgemein an wie eine Achterbahnfahrt. Es ist alles echt verrückt. Ich bin gestern durch meinen Stadtteil gelaufen und war völlig erschrocken, wie viele Menschen plötzlich wieder in den Restaurants sitzen. Das macht mir echt Sorgen. Diese neue Freiheit macht mich nervös, und ich habe Angst, dass die Menschen fahrlässig damit umgehen und eine zweite Welle kommt."

Mario Feratovic, 26, Barkeeper aus Nürnberg

"Mein Leben hat sich einmal um 180 Grad gedreht. Ich arbeite eigentlich in der Gastronomie, aber derzeit als Erntehelfer. Sonst bin ich morgens um sechs Uhr von der Arbeit gekommen, jetzt geh ich um dieselbe Uhrzeit los. Ich hatte bei meinem alten Job Kontakt zu mindestens hundert Leuten am Abend. Jetzt schaue ich halt die Gurken an. Privat finde ich es spannend, mal wieder einen "normalen" Tagesablauf zu haben. Also tagsüber tatsächlich wach zu sein."

Lana Sedlmayr, 34, Tanzlehrerin aus Berlin

"Die Krise fühlt sich gerade wie ein Marathonlauf an. Einen Teil der Strecke haben wir schon geschafft, aber ich weiß, das alles wird noch eine Weile so weitergehen. Mir fehlt mein Beruf sehr, das Tanzen zu lauter Musik. Gerade bin ich schwanger mit unserem ersten Kind. Corona macht mir deswegen aber keine Angst, ich bin eher manchmal frustriert. Mein Mann kann nicht mit zur Ultraschalluntersuchung, das ist schade. Der Geburtstermin ist im September und die Lockerungen der letzten Wochen geben mir Hoffnung, dass er im Herbst wenigstens bei der Geburt dabei sein kann."

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