Der Hotspot kurdischer Nahostdebatten liegt an diesem Vormittag zwischen einer schlafenden Katze und einem Haufen alter Plastikbecher. Eine kleine Altmänner-Runde döst unter einem Baum, der sein Versprechen auf Schatten kaum einlöst. "Wir werden sie zerquetschen", sagt Ibrahim und versucht sich an einer kraftvollen Geste. Doch auch ihn zwingen die 45 Grad wieder zurück auf die Matratze. Ob der End-Fünfziger, der einmal Arzt war, dort, wo einmal Kobane war, mit "sie" den Islamischen Staat oder die türkische Regierung meint, fügt er nicht hinzu. Ohnehin gelten neben der Hitze beide fast schon synonym als ein Feind.
Nur zwölf Kilometer trennen Ibrahim und die 300 anderen Flüchtlinge, die in der kleinen Containersiedlung am Rande der türkischen Stadt Suruc leben, von ihrer Heimat. Oder besser von dem, was der IS nach Monate langen Kämpfen davon übrig gelassen hat. Jetzt wohnt Ibrahim mit seiner achtköpfigen Familie in einem Container, den man von Baustellen kennt, auf etwas, das zwischen Altmetallhandel und Ödland an einen verlassenen Parkplatz erinnert und den ungelenken Namen "Lager für Familien von Märtyrern" trägt.
Kurden verdächtigen Türken Ain al-Arab und Suruc. Das waren einmal zwei unbedeutende kurdische Kaffs, jahrzehntelang getrennt durch türkisch-syrische Grenzanlagen. Bis sie ausgerechnet der Terror des IS wieder in ihrem Schicksal vereinte. Aus Ain al-Arab wurde Kobane, das erst zum Symbol der Zerstörungswut des IS und dann zum Inbegriff dessen wurde, dass so etwas wie Demokratie im Nahen Osten möglich ist. Und Suruc wurde erst ein Versorgungslager für zehntausende syrische Flüchtlinge, bis schließlich vor zwei Wochen auch hier der Terror des IS zuschlug.