Darf man noch Luftballons fliegen lassen? Zumindest im Freien sollte man das nicht mehr tun, forderten in der vergangenen Woche niedersächsische Grünen-Politiker. Denn Heliumballons landen am Ende in der Natur und werden oft von Vögeln und anderen Tieren gefressen. Diese können die Ballonreste nicht verdauen und verhungern mit vollem Magen. Das ist nur ein Beispiel für die schädlichen Folgen des Plastikkonsums. Allein 2017 fielen in Deutschland 5,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an - mehr als 62 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
2. Langlebiger StoffWarum Kunststoffe ein Problem sein können? Erstens, weil ihnen Zusätze wie Weichmacher beigemischt sind, die mit der Zeit freigesetzt werden. Diese finden sich im Körper vieler Kinder, wie eine (noch unveröffentlichte) Studie zeigt. Zweitens, weil Plastik aus langen Molekülketten besteht, die das Material mal flexibel, mal widerstandsfähig machen. Dieser Vorteil ist zugleich ihr Nachteil: Lange Molekülketten werden in der Umwelt nur langsam zersetzt.
3. Unkontrollierte AuflösungWie lange die Natur braucht, um Plastikprodukte aufzulösen, lässt sich nur schätzen. Der Prozess hängt von vielen unkontrollierbaren Faktoren ab: Feuchtigkeit, Licht, Temperatur, Sauerstoffgehalt. Eine Plastikflasche kann 450 Jahre überdauern. Klar ist: Die kleinsten Teile halten sich am hartnäckigsten. 13.000 Plastikpartikel treiben nach Angaben des Umweltbundesamtes durchschnittlich auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche.
4. Alternative Zuckerrohr"Biologisch basierte" Kunststoffe enthalten kein (oder kaum) Erdöl und bestehen stattdessen aus Mais oder Zuckerrohr. Unbedenklich sind sie trotzdem nicht: Auch in ihnen können Weichmacher stecken; und bis sie zersetzt sind, kann es ebenfalls Jahre dauern. Denn der Zerfallsprozess hängt nicht vom Rohstoff ab, sondern von der chemischen Struktur. Das heißt: Selbst Einwegteller aus Zuckerrohr zerfallen nicht einfach auf dem Gartenkompost.
5. Auf den Kompost"Biologisch abbaubare" Kunststoffe können erdölbasiert sein, zerfallen aber schneller. Zertifizierte Mülltüten müssen in drei Monaten im Kompostwerk so weit zerfallen, dass nur noch ein Zehntel der Reste über zwei Millimeter groß ist. Damit sie auch im Kompost (geringere Temperatur, mehr Sauerstoff) entsorgt werden können, brauchen Kunststoffe das Zertifikat "gartenkompostierbar".
6. Wie man Plastik loswirdAuch "alternative" Kunststoffe sind nicht völlig unbedenklich. Besser ist es, gleich plastiklos einzukaufen - und freigesetzten Müll wieder einzufangen. Im Projekt Ocean Cleanup soll eine schwimmende Sammelstation Plastik aus dem Meer filtern. Erste Versuche schlugen fehl, derzeit wird eine neue Version vor der US-Westküste getestet. Das sächsische Unternehmen Biofabrik experimentiert mit einem Verfahren, Kunststoffabfall in Diesel umzuwandeln - schließlich enthält er ja Erdöl.
Plastikmüll
Die Befunde zu Weichmachern gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Die Studie " Kunststoffe in der Umwelt" des Umweltbundesamtes (60 Seiten, Juni 2019) ist kostenlos abrufbar. Vertiefende Informationen zum Thema liefert der " Plastikatlas 2019" von Heinrich-Böll-Stiftung und BUND. Die Links zu diesen und vielen weiteren Quellen und Studien finden Sie unter: zeit.de/wq/2019-39