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Wie lässt sich Lebensqualität messen? - Mobilität mit Zukunft

Der Filmemacher Harald Friedl begleitete Glücksforscher in Bhutan - Foto: www.kurtmayerfilm.com

Ob wir glücklich und zufrieden sind, hängt stark von unserem persönlichen Erleben und unseren Erwartungen ab. Trotzdem brauchen wir für ein gutes Leben einen fruchtbaren Nährboden. Wo kann das individuelle Glück am besten keimen? Und wie lässt es sich messen?


Der persönliche Glückscocktail wird aus vielen Zutaten gemixt - einige davon sind von Mensch zu Mensch verschieden, andere relativ einfach allgemein messbar: So wird die Lebensqualität einer Region aus dem ermittelt, was die Umgebung bietet (Natur, Landschaft, Klima etc.), was der Staat leistet (Politik, Infrastruktur, Kulturangebot, Gesundheitsversorgung, Bildung, Sicherheit, Verkehr etc.) und aus Daten wie Bevölkerungsdichte, Einkommen und anderen Kennzahlen.

Hier gedeiht Glück

Lebensqualität zu erheben, ist „in": Eine aktuelle Studie des internationalen Consulting Unternehmens -Mercer sieht Wien in der Hitparade der lebenswertesten Städte der Welt an erster Stelle, gefolgt von Zürich, Genf und Vancouver. Bei der Umweltbilanz hingegen haben skandinavische Städte - Helsinki, Kopenhagen und Oslo - die die Nase vorn. Hierbei spielt die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und die Umweltverschmutzung, die auch Lärm umfasst, eine Rolle. Auch das Lebensministerium in Österreich hat kürzlich das Wohlbefinden der Menschen erhoben. Gesundheit, Güter, Umwelt und Zeitempfinden flossen gleichermaßen in die Studie ein. Dabei zeigt sich, dass die Menschen wohl generell mit der Wohnsituation in Österreich zufrieden sind, sich aber die Luftverschmutzung und die Belastung durch Lärm und Verkehr negativ auswirken. Ein wichtiger Faktor ist die Größe der Wohngemeinde. Die Zufriedenheit mit der Lebensqualität ist in kleinen Gemeinden deutlich über, in größeren Städten hingegen deutlich unter dem Durchschnitt. Großstadtbewohnerinnen und Großstadtbewohner fühlen sich durch Verkehrslärm und Luftverschmutzung belastet.

Umwelt vor Einkommen

In der Studie des Lebensministeriums geben 91 Prozent an, dass der Gesundheitszustand ihre Lebensqualität „sehr stark" beeinflusse, 79 Prozent nennen das soziale Netz und 68 Prozent die Wohnsituation. Und: Der Zustand der natürlichen Umwelt ist den Menschen wichtiger als die Höhe ihres Einkommens. Wenig überraschend zeigt sich also immer wieder, dass viel Geld allein nicht glücklich macht. Internationale Studien belegen seit vielen Jahren: Ein höheres Grundeinkommen in einem Land begünstigt generell die Zufriedenheit, aber individuell betrachtet sind reiche Menschen nicht glücklicher als arme. Andrew Oswald, Wirtschaftsprofessor der Universität Warwick, kritisiert, dass nach wie vor das BIP (Brutto-inlandsprodukt) als Maßstab für den Wohlstand eines Landes dient. „Wichtig ist doch das persönliche Glücksempfinden", meint er. Und wodurch kommt das zustande? „Gesundheit, soziale Beziehungen und Arbeit", bringt er die Rezeptur für ein zufriedenes Leben in eine Formel.

Das „Bruttosozialglück"

Auch der König von Bhutan möchte wissen, wie es den Bewohnerinnen und Bewohnern der konstitutionellen Monarchie geht und gibt regelmäßig eine umfangreiche Studie in Auftrag. Die Erforschung des „Bruttosozialglücks" sorgt auch bei uns für Aufsehen - so ungewöhnlich erscheint es, sich von herkömmlichen Finanzdaten abzuwenden. Der österreichische Regisseur Harald Friedl hat für seinen neuen Film „What Happiness is" eine bhutanische Sozialforscherin und einen Sozialforscher bei ihrer Arbeit begleitet. „Die Menschen merken, dass sich die Regierung ernsthaft für ihr Wohlergehen interessiert - das hebt die Stimmung", beschreibt er seine Eindrücke. Der seitenlange Fragebogen erhebt anhand von einfachen, lebensnahen Fragen die Befindlichkeit der Bevölkerung und geht auch Korruption in den Kommunen auf den Grund. Die Sammlung von Antworten sollen künftig in politische Entscheidungen einfließen, heißt es.

Grundlage politischer Entscheidungen

Wohlstand und Lebensqualität, so viel steht fest, sind komplexe Begriffe. Viele Faktoren spielen eine Rolle - das erschwert Messungen. Wichtig ist es jedenfalls, alternative Konzepte zu entwickeln und zu erproben. Denn die Frage dahinter lautet: Wie können Glück und Lebensqualität der Bevölkerung systematisch bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt werden?

(erschienen im VCÖ-Magazin 2011-06)

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