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Dynamic Pricing: Warum Online jeder einen anderen Preis zahlt | BR.de

Morgens kostet die Kamera 700, abends 1700 Euro. Händler wie Amazon ändern ihre Preise fast im Minutentakt. „Dynamic Pricing“ heißt das Prinzip. Und der Verbraucher? Kriegt davon nichts mit.


Preisschwankungen im großen Stil


Beim Online-Händler Amazon steigt und fällt ständig der Preis. Abhängig davon, wann der Kunde sucht, wie oft er auf das Angebot geklickt hat und wie viele andere Leute sich das Produkt gerade anschauen oder zuletzt gekauft haben.

Laut einer Studie des Softwareunternehmens Minderest kann sich der Preis bis zu 100 Mal am Tag extrem verändern. Bei einer Spiegelreflexkamera zum Beispiel: Erst sollte sie 700 Euro kosten. Kurze Zeit später waren es rund 1700 Euro.

Dies geschieht, indem Online-Händler im großen Stil Daten über die Kunden sammeln. Ein eigens programmierter Algorithmus nimmt dann die Preisanpassung anhand dieser Kundendaten, der Marktsituation und der Tageszeit vor.

Teurere Hotels für App-Nutzer

Der Preis wird auch davon beeinflusst, wie der Kunde die Website des Onlinehändlers besucht. Mehrere Stichproben des BR haben gezeigt: Die Buchungswebsite Booking.com behandelt App-Nutzer anders als diejenigen, die über den Browser auf deren Angebot gelangen.

Das heißt: Wer über den Browser kommt, dem werden günstigere Hotels weiter oben angezeigt. Bei der gleichen Suchanfrage in der App sind vor allem teure Hotels in der Ergebnisliste weit oben.

Pures Kalkül, sagt Lucas Stich. Er forscht an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität zu digitalen Märkten. "Suchen und runterscrollen ist auf auf dem Smartphone zu aufwendig." Viele App-Nutzer wollen das nicht. Wer aber mehr Zeit investiert, ist im Vorteil.

"Wer mehr scrollt, kann den günstigeren Preis bekommen."

Lucas Stich

Und nicht nur das: Wer über die Google-Suche auf Angebote eines Online-Händlers hingewiesen wird, gilt als Neukunde - und wird oft mit einem günstigeren Preis gelockt. Von Stammkunden, die ohne Umweg auf die Website gehen, wird angenommen, dass die Zahlungsbereitschaft höher ist.

Wer per Tablet kauft, zahlt oft mehr

Bei Testkäufen per PC und Tablet hat die Verbraucherzentrale NRW festgestellt: Kunden die über ein Tablet einkauften, mussten oft mehr bezahlen.

Kunden, die das gleiche Produkt zur gleichen Zeit am PC kauften, zahlten weniger. Also kann auch das Endgerät darüber entscheiden, welcher Preis mir als Kunde angeboten wird. Amazon steht unter anderem im Verdacht Apple-Nutzer als kaufkräftiger einzuschätzen und ihnen höhere Preise anzuzeigen. Das Unternehmen bestreitet dies.

Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern kritisiert, dass Dynamic Pricing absolut intransparent sei. "Es gibt keinen fairen Handel auf Augenhöhe, dafür besteht ein zu großes Informationsungleichgewicht zwischen Kunde und Händler." Es werde nicht offen gelegt, nach welchen Regeln die Preise gemacht werden.

"Der Kunde muss Informatiker sein, um die Vorgänge zu verstehen."

Tipps für den Kunden

Die Preisgestaltung im Netz ist für den Kunden kaum zu durchschauen. Der Algorithmus, der die dynamische Anpassung steuert, bleibt Geschäftsgeheimnis der Onlinehändler. Doch Kunden können das Dynamic Pricing umgehen, wenn sie folgende Punkte beachten.

Preise auf Vergleichsportalen überprüfen: Wer bereit ist, viel zu suchen und zu vergleichen, der kann auch einen fairen - und auch billigeren - Preis erzielen. Regelmäßig Cookies im Browser entfernen: Diese Textdateien speichern, welche Webseiten besucht wurden. Alternativ helfen auch sogenannte Cookie-Blocker oder Software wie "Do Not Track", damit die Händler nicht an Kundeninformationen kommen. Browser statt App: Wer über Smartphone oder Tablet surft, sollte nicht nicht nur über App des Anbieters suchen, sondern auch mal über Internetbrowser auf dem Gerät. So lässt sich überprüfen, ob der Preis sich geändert hat. Original