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FEM PORN: HINTER DEN KULISSEN

Patrick Catuz, 29. Für seine Diplomarbeit verbrachte der Linzer ein Jahr am Set von FemPorn-Pionierin Erika Lust. Und schrieb anschließend ein Buch über seine lustvollen Erkenntnisse.

Durchaus, ich sehe mich als Feminist.“ Das klingt aus dem Mund eines 1,93 Meter großen Mannes erstmal gewöhnungsbedürftig. Doch Patrick Catuz meint das weder ironisch, noch ist er verweichlicht. So wurde nämlich bis in die 1970er-Jahre der Begriff „Feminismus“ in Wörterbüchern übersetzt: als „Verweichlichung des Mannes“. Mit dem Thema Feminismus und Pornographie hat sich der Publizistikstudent im Zuge seiner Diplomarbeit auseinandergesetzt. „Ich wollte aber nicht nur aus Büchern forschen. Schließlich ist das ja ein lebendiges Thema“, meint er. Also bewirbt sich Patrick 2010 bei der schwedischen Produzentin Erika Lust, einer Pionierin des FemPorn. Er zieht nach Barcelona und wird Produktionsassistent. Catuz kommt aus einem toleranten Umfeld. Seine Eltern, seine Freundin und auch die Oma wissen, wo er gearbeitet hat. „Ich glaube aber nicht, dass sie ihren Freundinnen auf dem Weg zur Kirche erzählte, was genau ihr Enkel macht“, grinst er. Wo liegt denn der Unterschied zwischen feministischem und „normalem“ Porno? „Es muss gar keinen geben“, sagt Catuz. Bei Erika Lust Films würden aber, zum Beispiel, mehr Amateure als Profis gecastet, da Pornodarsteller „durch Solarium und Chirurgie meist nicht mehr aussehen wie der Boy oder das Girl next door.“

Ideale im Porno-Business

Mit Amateuren zu arbeiten berge ein großes Risiko, erklärt Patrick. Man wisse nie, ob es sich die Darsteller nicht in letzter Minute anders überlegen. Oder wie sie die Hürde meistern, vor anderen Leuten und einer Kamera Sex zu haben. Wem es nur um's Geld geht, der kann bei Erika gleich wieder gehen, so Patrick. Wer in ihren Pornos mitwirkt, empfindet Lust daran, Publikum zu haben und Neues zu probieren. „Die Darsteller werden nach Vorlieben zusammengebracht.“ Was auf die Kameramänner nicht immer zutrifft: Patrick erinnert sich an einen Kollegen, dem die Hitze und der Geruch von kopulierenden Menschen regelmäßig zu viel geworden ist. „In jeder Pause rannte er zum Fenster und hielt den Kopf raus.“
Erika drehe Sexszenen anders als es im Mainstream gemacht wird, erklärt der Linzer, der mittlerweile in Wien lebt. „Im Mainstream herrscht das Leistungsprinzip: immer stehen, hart sein und stundenlang können. Das ist ein Männerbild, das nicht lustvoll ist und an dem man
nur scheitern kann.“ Patrick war am Castingprozess beteiligt und weiß daher, wie viele Männer diesem Ideal gerne gerecht werden würden. „Viele dachten, sie könnten am Set ihre Phantasien ausleben und trauten sich dann nicht einmal, ein Nacktfoto zu schicken.“ Ein
junger Mann schied aus, weil er seiner Mutter von seinen Plänen erzählt hatte, die ihn anflehte, es nicht zu tun. „Von den wenigen Amateuren, die bis zum Dreh durchkamen, kämpften die meisten sehr damit, eine Erektion zu kriegen, geschweige denn einen Orgasmus zu haben.“

Keine Pizzaboten-Storys

Die erotischen Machwerke, an deren Entstehung Catuz beteiligt war, drehen sich um Personen die sich auf normalem Weg kennenlernen. Sie kommen höchstens mit ironisierten Pizzaboten-Storys aus, in denen der Bote nur seinen Helm vergessen hat, wenn er ein zweites Mal klingelt. Der Anteil der Paare, die DVDs aus Erika Lusts Porno-Schmiede bestellen ist hoch. Während der Mainstream vom Oralsex bis zum Cum-Shot die immer gleichen Rituale abarbeitet, macht FemPorn die Frau von der Spielfläche zur Teilhabenden.
„Beim Sex sollen ja alle Beteiligten auf ihre Kosten kommen und nicht nur einer.“ Braucht Frau in Pornos immer eine Rahmenhandlung? „Sicher nicht. Ich glaube auch nicht, dass es romantischer oder softer zugehen muss“, meint Catuz.

Frauen werden besser bezahlt

Das Pornobusiness ist eines der wenigen, in denen Frauen besser bezahlt werden als Männer. Viele verdienen sich damit ein Zubrot oder haben einfach Spaß daran. „Wir hatten Akademikerinnen oder einen, der war Kellner. Der bringt dir an einem Tag den Kaffee und am nächsten spielt er den Casanova.“ Wie ist das, ein Jahr lang täglich von Sex umgeben zu sein? „Es war oft lustig, am Schreibtisch zu sitzen und Pornos zu schauen weil es Arbeit ist“, so der Autor. Ob man da nicht mit der Zeit abstumpft? „Früher hätte ich Nein gesagt“, meint Patrick. Doch mittlerweile falle es ihm schwer, Sex auf Film noch ernst zu nehmen. Weil er weiß, wie es am Set abläuft. „Sex ist eigentlich etwas sehr Banales mit vielen albernen
Elementen. Die Leute verrenken sich, sie schwitzen, müssen Positionen wechseln und können sich dann vielleicht nicht mehr abstützen.“

Pannen, Pausen, Smalltalk

„Auch am Pornoset steht man in den Pausen am Buffet zusammen und führt Smalltalk. Manche haben dabei halt nur ein Handtuch an“, schmunzelt Catuz. Es passieren Hoppalas, es gibt holprige Szenen und viele Pausen. „Am Ende wird alles zusammen geschnitten und die Leute denken, genau so sei der Porno entstanden.“ Über die Details könnten wir bald mehr erfahren: Catuz' zweites Buch zum Thema ist in Planung.