Die automatische Ansage im M29er lässt mich hochschrecken. Ich versichere mich auf der Anzeigentafel: Die nächste Haltestelle ist Agathe-Lasch-Platz. Den Namen habe ich noch nie gehört. Dabei kenne ich die Strecke seit ich klein bin. Kurz nehme ich an, dass der Bus eine unangekündigte Umleitung nimmt. Da hält er auch schon an der Haltestelle, die immer Kurfürstendamm/ Joachim Friedrichstraße hieß. Und siehe da: Sie wurde umbenannt. Und das nicht erst gestern. Wie ich herausfinde bereits 2018. Es ist mir nie aufgefallen.
Viel spannender als die Erkenntnis, dass mir die Umbenennung entgangen ist, aber ist das, was ich über Agathe Lasch erfahre: Die Berliner Jüdin war nicht nur die erste Germanistikprofessorin in Deutschland, sondern auch die Initiatorin der Erforschung der mittelniederdeutschen Sprache. Ihr in den USA entstandenes Werk „Mittelniederdeutsche Grammatik“ gehört zum germanistischen Standard. Und auch ihr Buch „Berlinisch - eine berlinische Sprachgeschichte“ findet sich noch im Katalog der Zentral- und Landesbibliothek. Den Nationalsozialisten waren ihre Verdienste um die deutsche Sprache gleich: 1942 wurde sie nach Riga deportiert und dort in den umliegenden Wäldern ermordet.
Ich interessiere mich seit jeher für Stolpersteine. Noch nie aber hat mich der Anblick eines Steins so irritiert und zur sofortigen Recherche der Geschichte dahinter animiert wie die Umbenennung des altbekannten und nie hinterfragten Haltestellennamens. Vielleicht, denke ich, sollten noch viel mehr Straßen- und Haltestellennamen in unserer Stadt geändert werden. Denn wie wichtig ist es heute noch, der Kurfürsten zu gedenken? Und wie viele Agathe Laschs geraten derweil wohl in Vergessenheit oder sind bereits vergessen worden?