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Warum drei junge Leute ihr Leben komplett umgekrempelt haben

Sie kündigen ihren Job, schmeißen die Uni. Was machen sie, wenn sie jetzt scheitern?


Student ➢ Globetrotter

Lasse Korbanka, 25, kratzt sich im Nacken. Er macht das sehr oft, vielleicht auch, um sich zu entspannen. Zur Ruhe zu kommen ist gar nicht so einfach. Den November verbrachte er in Berlin, die vergangenen Wochen in Kiel und Hamburg.


Acht Semester lang studierte Lasse an der LMU Kunst und Multimedia im Bachelor. Ohne Abschluss. Jetzt ist er Mitte 20. Sein Ziel ist es, in kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu verdienen, um einen Sprinter zu seinem neuen Zuhause auf vier Rädern umzufunktionieren. Startschuss für den neuen Lebensabschnitt ist Dezember 2018. Bis dahin müssen mindestens 7 000 Euro in die Spardose. Deshalb nimmt Lasse neben Moderationsjobs auch Tätigkeiten als Model und Komparse an.


Die ersten drei Semester liefen beim ihm noch ziemlich gut. Im vierten Semester kam dann der Werkstudentenjob dazu: Grafiker in einer großen Unternehmensberatung. "Die Arbeit hat unglaublich Spaß gemacht, ich habe so viel mehr gelernt als in der Uni." In den Semesterferien arbeitete er als Vollzeitkraft. Zurück an der Universität kam ihm alles "ein bisschen unprofessionell und nicht zielorientiert vor". Aus diesem Grund stellte er das Studium hinten an. Manchmal verbrachte er mehr Zeit bei der Arbeit als ursprünglich vereinbart. Das wirkte sich auf seine Studienleistungen aus. Lasse grinst. "In der Uni hatte ich diesen Drive nicht", sagt er.


Der entscheidende Moment, das Studium abzubrechen, kam im achten Semester bei der Anmeldung der Abschlussarbeit. Der Druck wurde größer, die Anzahl der bestandenen Prüfungen blieb gleich. Die Anmeldung der Abschlussarbeit boxte Lasse dann noch mit der Mindestanzahl der benötigten Punkte durch. Dann verließ ihn der Kampfgeist. "Ich glaube, wenn ich die Bachelorarbeit durchgezogen hätte, dann hätte ich auch das Studium gemacht."


Einen Ratschlag von außen holte er sich nicht. Vielmehr hatte er das Gefühl, von anderen nicht verstanden zu werden. Er traf die Entscheidung mit sich selbst und zog einen Schlussstrich. Bis heute bereut er es nicht. Schlaflose Nächte hatte er keine. "Es ist eine extrem große Energieverschwendung, wenn man Sachen bedauert."


Wer studiert, erwartet nach dem Abschluss bessere Berufsaussichten. Das hat Lasse während seiner Zeit an der Universität beobachtet. Die Realität ist aber eine andere, gerade in kreativen Berufsfeldern. Neugierde und Wissenshunger sind ein Muss. Bei vielen seiner ehemaligen Kommilitonen, die ihr Studium erfolgreich beendet haben, vermisste er genau das. Stehenbleiben darf niemand, das gilt auch für ihn. Der Abbruch des Studiums bedeutet nicht, mit dem Lernen aufzuhören.


Unterstützung für seine Entscheidung, das Studium abzubrechen, bekam er von seinem besten Freund. Das half ihm, optimistisch zu bleiben - und es erleichterte ihm, seiner Familie den Entschluss mitzuteilen. Vor allem seinem Vater. Lasse macht eine kurze Pause. "Es war fast wie eine Beichte", sagt er. Sein Vater hatte bereits eine Ahnung, er reagierte verständnisvoll und unterstützend. Zukunftsängste hat er keine. Bis jetzt ist er immer über die Runden gekommen, warum sollte sich das ändern?


Das Handy leuchtet auf, möglicherweise ein neues Jobangebot. Schnell tippt Lasse eine Nachricht. Mit dem Abbruch des Studiums musste er auch seine Werkstudententätigkeit beenden. Deshalb die vielen Jobs. Sein Ziel lässt er nicht aus den Augen. "So weit fahren, wie der Sprinter durchhält." Unterwegs möchte er sein Leben mithilfe von Film und Fotografie finanzieren, das geht von überall - und dafür braucht er auch kein abgeschlossenes Studium. Welchen Job er nächste Woche hat? Wo er sich im nächsten Monat aufhalten wird? Er weiß es noch nicht, es ist ihm auch egal. Dennoch ist er sich seiner Selbst sicherer denn je.

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