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Vater des reanimierten Kinds: „Ein unmenschliches Verhalten"

Ein aggressiver Autofahrer behindert Sanitäter bei der Rettung eines Einjährigen. Dessen Vater erhebt nun schwere Vorwürfe.

Jeden Tag sitzt Thomas F. mit seiner Frau am Krankenbett seines 18 Monate alten Sohnes Leonard. Sie halten die Hand des Kleinen, sind jede Minute bei ihm. Leonard liegt auf der Intensivstation im Virchow-Klinikum, hat die Augen geschlossen. Seit vergangenem Freitag befindet er sich nach einem Atemstillstand im künstlichen Koma, ist an Schläuche und Maschinen angeschlossen.

Dass er noch lebt, hat er auch dem schnellen und professionellen Eingreifen der Kita-Mitarbeiterin und den Rettungskräften zu verdanken. Und das, obwohl deren Einsatz mutwillig behindert wurde. 

Wie berichtet, wurden die Sanitäter am Freitagmorgen zu der Kita an der Melanchthonstraße in Moabit alarmiert. Der Grund: Leonard hatte einen plötzlichen Atemstillstand erlitten. Doch als die Rettungskräfte ihm zu Hilfe eilen konnten, fing ein 23-Jähriger vor Ort an, die Rettungskräfte zu beleidigen. Der Mann war von dem abgestellten Rettungswagen etwa eine Stunde lang am Ausparken gehindert worden - er wollte zur Arbeit fahren.

Als er darauf hingewiesen wurde, dass es sich um einen Rettungseinsatz handele, soll er gesagt haben: „Mir doch egal, wer hier gerade reanimiert wird". Zudem soll er den Seitenspiegel des Rettungswagens beschädigt haben. Auch Spuren von Fußtritten seien auf dem Wagen sichtbar gewesen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Als einer der Retter wenig später noch etwas aus dem Fahrzeug holen musste, reagierte der Mann mit Drohungen und stellte sich ihm in den Weg. Eine Anwohnerin rief daraufhin die Polizei.

„Unmenschlich und asozial", bezeichnet Vater Thomas F. dieses Verhalten im Gespräch mit der Berliner Morgenpost am Montag. „So ein Erlebnis wünsche ich meinen schlimmsten Feind nicht. Dass der Rettungseinsatz deines Kindes so schwer behindert wird." Den Mann persönlich getroffen habe er an jenem Tag nicht.

„Von dem Zwischenfall hatte ich erst erfahren, als die Polizei eine entsprechende Meldung auf Facebook veröffentlichte." Dem Störer seine Tat so einfach durchgehen lassen, wollte Leonards Vater trotzdem nicht. „Ich habe mich gefragt, was kann ich noch tun? Also habe ich den Mann angezeigt." 

Dass ihnen immer wieder Unmut entgegenschlägt und sie auch grob behindert werden, etwa von Gaffern, berichten Einsatzkräfte schon länger. So etwas wie am Freitag erlebe man aber nicht jeden Tag, sagte der Feuerwehrsprecher. Er betonte, gerade Rettungseinsätze bei Kindern seien für die Kollegen „Extremsituationen", die emotional sehr betroffen machten.

Was Behinderungen und Aggressionen durch Dritte betrifft, so gebe es vermutlich eine hohe Dunkelziffer - Vorfälle, die gar nicht erst bekannt werden, weil die Sanitäter bei ihrer täglichen Arbeit keine Zeit für Anzeigen oder Meldungen hätten. Der Eindruck insgesamt: „Es ist rauer geworden", so der Sprecher. 

Der Mann, der die Rettungskräfte behinderte, hat jetzt wohl eine Strafe zu erwarten. Wie die Polizei auf Morgenpost-Anfrage mitteilte, will das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten nun prüfen, ob ein Führerscheinentzug gegen den Beschuldigten möglich ist. Der Gesetzgeber sieht für die Behinderung und den Angriff auf Rettungskräfte eine in schweren Fällen sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.

Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung gab es von den Beamten bereits. Hinzu kommt die der Eltern wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Körperverletzung. Auch die Feuerwehr will sich solch ein Verhalten nicht bieten lassen. Die Rettungskräfte stellten nach Einsatzabschluss Anzeige wegen Beleidigung gegen den 23-Jährigen.

Leonard ist auf dem Weg der Besserung

Gute Nachrichten kamen am Montagnachmittag aus den Virchow-Klinikum: Nach einer Herzkatheteruntersuchung befindet sich Leonard auf dem Weg der Besserung. Woher das diagnostizierte Herzflimmern mit einhergehendem Atemstillstand am Freitag kam, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, erzählt sein Vater. Leonard sei immer ein gesundes Kind gewesen.

Jetzt, mit etwas Abstand, ist Vater Thomas F. immer noch sauer über das Verhalten des Mannes. „Ich weiß nicht, was ich sagen würde, wenn ich ihn zu Gesicht bekäme. Ich würde wohl fragen, ob es wichtiger ist, pünklich bei der Arbeit zu erscheinen oder ein Menschenleben zu retten? Wäre ich vor Ort gewesen, hätte ich mich zwischen ihn und die Einsatzkräfte gestellt."

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