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Obdachlose leben im Regierungsviertel: Das Elendsquartier im Schatten der Macht

Zelte unter der Kronprinzenbrücke im Regierungsviertel der Hauptstadt.

Der Kontrast zwischen der Macht und dem Elend könnte nicht größer sein. Mitten im Regierungsviertel, zum Teil unter Brücken, hausen Obdachlose und osteuropäische Migranten. Die Zustände sind verheerend. Einige haben Zelte, andere decken sich mit Planen und Schlafsäcken zu oder liegen ganz im Dreck. Sie hungern, besitzen fast nichts. Während wenige Meter entfernt die Großen der Macht die Weltpolitik bestimmen.

Gleich unter den Gleisbrücken zwischen Europa- und Washingtonplatz am Hauptbahnhof stehen ein paar Zelte. Drum herum: Abfall, Fäkalien und ein paar Habseligkeiten. Menschen schlafen dazwischen, auf schmutzigen Matratzen. Als der KURIER sie anspricht, fühlen sie sich bedroht und schimpfen. Die Männer wirken zugedröhnt, verstehen kein Deutsch. Das einzige was sie sagen können: „Bitte etwas Geld, wir haben kein Zuhause und nichts zu essen."

Gleiches Szenario unter der Kronprinzenbrücke. Ein paar bunte Zelte mit Planen stehen hier aufgereiht. Regierungsbeamte spazieren in ihrer Mittagspause daran vorbei. Bücher hängen an Wäscheleinen. Auf einem selbst geschriebenen Schild daneben steht freundlich: Zu verschenken!

Doch denen, die hier wohnen, schenkt niemand etwas. Sie haben keine Toiletten, Sanitäreinrichtungen oder gar elektrischen Strom. In manchen Ecken riecht es nach Urin. Mit ihrem wenigen Hab und Gut haben sie es sich so gemütlich gemacht, wie nur eben geht.

Ein Polizeisprecher des Abschnitts teilte mit, dass es sich bei den Camps um wenige Einzelpersonen handele. Solange es keinen Ärger gibt oder Gefahr droht, duldet man die Zustände. Das Gelände des Hauptbahnhofes sei aber Eigentum der Deutschen Bahn. Lässt diese die Camper nicht räumen, wird die Polizei nicht tätig.

Es ist das bittere Elend, das sich in allen Fällen zeigt. Mitten zwischen den großen Palästen der Macht. Obdachlose, die unter Brücken schlafen sind kein neues Bild in der Stadt. Experten aber befürchten, dass solcher Zeltstädte zunehmen werden. Die Flüchtlingsunterkünfte sind maßlos überfüllt, Notübernachtungsstätten platzen aus allen Nähten.

Gerade jetzt im Frühjahr, wenn die Kältehilfe ausläuft, nimmt die Zahl der Camp-Bewohner zu. Vor allem osteuropäische Migranten kommen, suchen eine bessere Zukunft und landen unter der Brücke. Flüchtlinge hingegen finden sich eher weniger darunter. Der Leiter der Notunterkunft in der Franklinstraße, Jürgen Mark, sagt, er müsse Hilfesuchende immer wieder wegschicken, weil kein Platz mehr sei.

Man könne ihnen dann nur noch empfehlen, welche Brücke am schönsten ist. Traurig, aber Schätzungen gehen davon aus, dass es in Berlin etwa 3000 bis 6000 Obdachlose gibt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Wohnungslose, die Übergangsunterkünfte bewohnen.

Nicht nur zwischen den Prachtbauten der Regierung zeigt sich die Armut. Wir sind am S-Bahndamm, Nähe Westkreuz. Seit über einen Jahr hausen zwischen dem Aldi-Markt und den Gleisen über 30 Personen auf einem Privatgelände. Bislang wurde das Elend vom Besitzer geduldet. Selbst in dem Wissen, dass es dort keine sanitären Einrichtungen gibt. Die Polizei kann nur kontrollieren, die Camper aber nicht wegschicken.

Die Menschen hungern teilweise, haben Durst. Viele von ihnen sammeln Flaschen, um zu überleben. Es sind die realen Zustände in einem der reichsten Länder der Erde.


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