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Fachverlage: Widerstand gegen Armani-Preise

Es ist ein exklusiver Zirkel und er bestimmt die Preise für bedrucktes Papier und dessen elektronisches Abbild. Muss die Forschungsförderung neben der Arbeit im Labor auch die hohen Gewinne der Verlage bezahlen?

„Nichts publizieren, nichts begutachten, nicht redigieren." Mehr als 5.000 Wissenschaftler (Stand 10. Februar) haben sich per Online-Unterschrift zu einem Boykott des Elsevier-Verlags verpflichtet, darunter auch etliche aus Deutschland. Die Wut über die Kosten der Wissensvermittlung per Fachzeitschriften-Abonnement ist auf der Website „ thecostofknowledge.com", zu Deutsch: „Der Preis für das Wissen" nachzulesen. Die Aktion hat der renommierte Mathematiker Timothy Gowers aus dem englischen Cambridge gestartet.

Preisanpassung um das Sechsfache

Bereits im Sommer letzten Jahres hatte ein Artikel in der Tageszeitung „Guardian" für einiges Aufsehen gesorgt. Die deutsche Zeitung „der Freitag" hat ihn übersetzt und abgedruckt. Ist eine Gewinnspanne von 36 Prozent des Umsatzes unmoralisch? Schaut man sich im Bereich der Medizin und Naturwissenschaften um, fallen einem tatsächlich ausserordentlich hohe Preissteigerungen ins Auge: 2010 kostete ein Jahresabo der Zeitschrift „JAMA" noch 900 Euro, 2011 waren es rund 5.300 Euro. 2010 drohte die University of California mit einer Abo-Kündigung, nachdem die „Nature Publishing Group" den Preis für die Onlinelizenz um rund 400 Prozent erhöhen wollte. Auch bei anderen renommierten Medizinzeitschriften liegen die Preissteigerungen innerhalb der letzten zwei Jahre im zwei- bis dreistelligen Bereich.

Teuer und gebündelt

Mehr als 100 Millionen Euro gaben deutsche Universitäten im Jahr 2009 für gedruckte und digitale Fachmagazine aus. Und dennoch: auch mit mäßigen Budgeterhöhungen können die Bibliotheken nicht mit den Forderungen der Fachverlage mithalten. Denn wer etwa die Biochimica et Biophysica Acta im Regal stehen haben möchte, muss pro Jahr 20.000 Euro ausgeben. Von den zehn teuersten Zeitschriften der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie stammen acht aus dem ursprünglich niederländischen Verlagshaus.

Springer, Wiley und Elsevier - In ihren Zeitschriften finden sich 42 Prozent aller Fachartikel. Durch Zukäufe ist ihr Einfluss in den letzten Jahren immer weiter gewachsen. „Cell" und „Lancet" gehören beispielsweise schon seit längerem zu Elsevier, dem Hauptangriffsziel der Gowers'schen Initiative. Diese Stellung nutzt der Verlag, um etwa bestimmte renommierte und viel gefragte Zeitschriften gebündelt mit anderen „Stiefkindern" anzubieten, allzu oft gegen den Wunsch des Abonnenten.

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„Markenbildung" und „Entwicklung einer digitalen Infrastruktur" lauten die Argumente für die Preissteigerungen. Schließlich, so schreibt Elseviers Mathematik-Verantwortlicher, David Clark, koste es auch einiges, etwa Forschern aus unterentwickelten Ländern die Publikationen unentgeltlich zugänglich zu machen. Er sieht den Protest als „Unterminierung des Peer-Review-System", das Fachverlage mühevoll entwickelt hätten. Eine Analyse der Deutschen Bank hegt jedoch Zweifel am großen Entwicklungsaufwand: „Wäre dieser Prozess wirklich so komplex, kostspielig..., wären keine Gewinnspannen von 40 Prozent möglich". Denn nur allzu oft spart sich der Herausgeber der Zeitschrift viel an Personalkosten: Ehrenamtliche Begutachtung und Redaktion der Artikel ist die Regel, ein Autorenhonorar wie bei Publikumszeitschriften kennt die Wissenschaft nicht.

Goldene und grüne Wege zur freien Verfügbarkeit

„Open Access" heißt das Zauberwort, das auch weniger begüterten Bibliotheken und Privatnutzern den Zugang zum Wissen ermöglichen soll. „PLoS" (Public Library of Science) ist einer der Vorreiter für dieses Modell, das die Kosten für die Verarbeitung und Veröffentlichung auf die Autoren - oder auch auf spezielle Publikationsfonds der Institution - umlegt. Der erfolgreichste Ableger, PLoS ONE, ist inzwischen knapp fünf Jahre alt und hat die Zahl seiner Beiträge seitdem jedes Jahr fast verdoppelt. 2011 erschienen in dieser Peer-Review-Zeitschrift mehr als 12.000 Artikel mit mehr als 30.000 Autoren. Damit ist die Zeitschrift die größte Fachzeitschrift der Welt. Die Kosten für die Publikation und Verbreitung eines Artikels liegen dort bei rund 1.000 Euro. Inzwischen schreibt PLoS ONE schwarze Zahlen.

Neben diesem „goldenen" Weg des Open Access bietet der „grüne Weg" für die Wissenschaftler die Möglichkeit, ihre Werke in den Repositorien der Universitäten abzulegen. Für „Google Scholar" ist es kein Problem, diese Arbeiten aufzuspüren und damit das Dokument auf die Festplatte des Lesers zu transportieren. Eine Lizenzierung bereits veröffentlichter Forschungsberichte lehnen die meisten großen Verlage aber immer noch ab. Oft vergehen mehrere Jahre, bis Kollegen auf diese Informationsquelle zugreifen können. Auf den Servern der Verlage kostet dagegen der einzelne Artikel zum Download rund 30 Euro, nicht selten auch noch Jahre nach dem Erscheinen.

Wahlkampfspenden gegen Open Access

Mittlerweile bieten auch Springer, Wiley und Elsevier inzwischen eigene „Open Access"-Zeitschriften an. Der Kampf um das klassische Abonnement hat sich inzwischen auch auf die politische Bühne verlagert. In USA verpflichtet das NIH (National Institute of Health) seit 2008 seine Wissenschaftler, ihre Forschung ohne Beschränkungen öffentlich zugänglich zu machen. Zwei Kongress-Abgeordnete haben am 16. Dezember 2011 einen Entwurf für eine Gesetzesänderung eingebracht, den „Research Works Act". Er soll diese Praxis unterbinden. Die Urheber, Darrell Issa von den Republikanern und die demokratische Abgeordnete Carolyn Maloney bekamen von Elsevier dafür massive Wahlkampfhilfe von mehreren tausend Dollar. Auch in der Schweiz und in Schweden gehen die großen Verlage zum Teil auf dem Klageweg massiv gegen Bibliotheken vor, die wichtige Publikationen kostenlos oder gegen eine geringe Unkostenpauschale verfügbar machen wollen.

In der Berliner Erklärung aus dem Jahr 2003 fordern inzwischen fast 400 internationale Forschungsorganisationen den freien Zugang zu Wissen und Information und zu seiner Weiterverbreitung. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft möchte von den Empfängern ihrer Forschungsmittel den freien Zugang zu den Ergebnissen. Damit aber bringt sie genau diese Partner in eine Zwickmühle. Denn immer noch werden bei Habilitationen, Berufungen oder Budgetanträgen viele Publikationen in hochrangigen Fachzeitschriften gefördert. Science, Nature oder das New England Journal sind jedoch klassische Abonnementmedien. Und so überrascht es auch nicht, dass auch Bibliothekare einerseits versuchen, teure Zeitschriften aus der Abonnementliste loszuwerden, andererseits von den Fakultäten immer wieder danach gefragt werden.

Der Wissenschaftsblogger Martin Ballaschk erzählt in „Scilogs": „Diese Umstände haben auch zur Folge, dass an weniger gut betuchten Universitäten die Mitarbeiter theoretisch noch nicht einmal ihre eigenen Publikationen einsehen können. An der Uni Potsdam hatten wir nur Zugang zu einer Handvoll Zeitschriften und wir mussten immer unsere Bekannten an MPIs und in der Industrie nach PDFs von Artikeln fragen." Der Steuerzahler finanziert letztendlich neue Erkenntnisse der Forschung doppelt: Mit seinem Geld bezahlen Forschungseinrichtungen Wissenschaftler, Geräte und Chemikalien, aber auch ein zweites Mal die Information über die Ergebnisse dieser Anstrengungen.

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