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Was Sie über den Umgang mit Streit wissen sollten

Es gibt ganz unterschiedliche Wege, Konflikte und Problemen anzusprechen und zu lösen. Manche Paare vermeiden sie ganz. Welche Strategie ist erfolgreich – und welche macht alles nur schlimmer?

Das Paar, das diskutiert, aber nicht streitet

Lassen Sie uns mit den Vorbildern beginnen. Dieses Paar fühlt sich miteinander wohl und sicher. Es weiß, dass jeder auf Probleme unterschiedliche Lösungsansätze verfolgt. Und dass viele Verhaltensweisen bewusst schwer zu steuern sind, weil gerade der Umgang mit Konflikten etwas ist, was sich Kinder von ihren Bezugspersonen abschauen – und als „richtig“ empfinden. Wer das Glück hatte, dass beispielsweise die Eltern wie aus dem Coaching-Bilderbuch ohne Vorwürfe wie „Du hast nich nie …“ oder „Immer machst du …“ gestritten haben, wird später selbst selten von der Sach- auf die persönliche Ebene wechseln, um seinen Argumenten mehr Bedeutung zu geben.

Der Respekt vor der Andersartigkeit des Partners ist ausschlaggebend, um dessen Wünsche und Bedürfnisse als gleichwertig anzusehen – wie unverständlich diese auch sein mögen. „Es ist wie es ist“, kann ein Motto sein, um in eine Auseinandersetzung zu gehen. Sie können argumentativ nicht ändern, was Ihr Partner möchte. Sie können aber darauf einwirken, wie dieser Wunsch erfüllt werden kann ohne dafür Ihre eigenen Wünsche aufgeben zu müssen.

Das Paar, das handelt wie auf einem Basar

Kompromisse lassen oft beide Partner unbefriedigt zurück, denn wenn jeder nur die Hälfte bekommt, dann gibt es für keinen ein Ganzes. Viele Paare lähmen sich selbst auf der Suche nach dem goldenen Mittelweg. Oft weil ihnen früher erklärt wurde, dass man sich immer irgendwo auf halbem Wege treffen müsse. Für die Politik mag das oft stimmen – das zeigen die Ergebnisse von Koalitionsverträgen – da geht es aber nicht um Glück und Liebe oder um das Gefühl ernst und angenommen zu werden. Es ist für viele Paare schwer vorstellbar, dass Konflikte „getauscht“ werden können. Dabei hat diese Form der Problemlösung einen gewaltigen Vorteil: Die Partner müssen reflektieren und die Perspektive des Partners einnehmen, um verhandeln zu können. Dadurch bleiben viele Probleme klein und wachsen nicht zu unüberwindbaren Bollwerken der Revierverteidigung an.

Wer handelt, fühlt sich gleichberechtigt und nicht bedroht. Dazu gehört, fair zu tauschen und keinen Kuhhandel zu versuchen. „Ich tausche dieses Wochenende bei meiner Mutter gegen Weihnachten bei deinen Eltern“ ist nur kein fairer Deal, wenn man nicht „vergessen“ hat, dass diese bereits eine Kreuzfahrt gebucht haben. Handeln ist außerdem ein stückweit Spaß und nimmt dem Streit den Schrecken. Und ja, es lässt sich von Haushalt bis Shopping alles verhandeln – es darf eben nur niemand übervorteilt werden.

Das Paar, das jedem Streit aus dem Weg geht

Nicht jeder Mensch streitet gerne. Wer sich um seine Beziehung sorgt und befürchtet, mit einer anderen Meinung die geliebte Person gegen sich aufzubringen, handelt nicht vorsichtig, sondern ängstlich. Das ist gut gemeint – führt aber langfristig zu einem großen Problem aus vielen kleinen Problemen. Denn jeder Konflikt beschreibt einen Missstand. Ein Streit birgt die Möglichkeit, die Situation zu verbessern. Die meisten Menschen, die sich als harmoniebedürftig bezeichnen, sind eigentlich konfliktscheu. Sie hoffen, dass der Sturm vorüberzieht, wenn sie sich ducken. Vielleicht weil sie als Kind hässliche Krachs der Eltern miterlebt haben und alles anders und besser machen möchten. Oder weil sie befürchten, wenn sie ihre Interessen nicht hinten anstellen, würde der Partner sie verlassen.

Paare, die Angst vor Konflikten haben, bleiben durchaus lange zusammen, doch wenn sie dann enttäuscht die Beratung nach zehn oder 15 Jahren aufsuchen, ist die Liebe oft unter dem Frust ungelöster Konflikte erstickt worden. Diese Paare scheiterten am Ende daran, dass sie in ihrer Beziehung niemals Probleme wirklich gelöst haben und nicht auf die unabdingbaren Veränderungen von innen und außen reagiert konnten. Solche Paare leben sich auseinander und verlieren ihre Liebe zwischen all der gut gemeinten Konfliktvermeidung. Übrigens einer der häufigsten Trennungsgründe: „Wir haben uns einfach nicht mehr viel zu sagen.“

Das Paar, das sich streitet bis die Fetzen fliegen

Dominante oder extrovertierte Menschen streiten schneller. Aber nicht besser. Wenn bei ihnen die Fetzen fliegen, dann richtig. Sie setzen auf direkten Angriff, unvermittelt und persönlich, gerne mit „immer“ und „nie“ gesteigert – was garantiert zu einem verbalen Verteidigungsschlag der Gegenseite führen wird, gerne mit Rechtfertigung und neuen Vorwürfen. Wenn an dieser Stelle spätestens nicht ein Partner einlenkt, steigert sich die Auseinandersetzung in eine gegenseitige Abwertung. Verachtung ist die nächste Stufe und Versöhnung könnte gar nicht weiter weg sein. Keine Frage, dass dann fast immer die Intimität wegfällt, die durch Hormone wie Oxytocin für eine dauerhafte Bindung eines Paares sorgt.

Die „apokalyptischen Reiter“ des Streitens sind heute so gut erforscht, dass sich anhand der Streitkultur eines Paares vorhersagen lässt, ob es zusammen bleibt. Richtiges Streiten will also gelernt sein, denn schließlich hebt jedes gelöste Problem das Paar wieder auf eine neue, gefestigte Stufe seiner Beziehung – voller neuer Chancen und Möglichkeiten.

Das Paar, das bewusst oder unbewusst den Streit provoziert

Wer den optimistischen Blick auf die gemeinsame Zukunft verliert, hat die rosarote Brille des Verliebtseins abgesetzt und sieht nur noch Fehler. So wie zu Beginn alles super, alles großartig war, scheint nun der Partner von Kopf bis Zeh aus Macken und nervigen Verhaltensweisen zu bestehen, für den man sich nicht mehr anstrengen und engagieren möchte. Meist hat einer bereits innerlich die Beziehung aufgekündigt, dem Partner das aber noch nicht gesagt. Der bemerkt dies häufig, weil sich der andere gehen lässt und weil es keine gemeinsamen Unternehmungen mehr gibt. Der Freundeskreis wird dann von einem Partner vernachlässigt – während sich der andere einen neuen aufbaut, mit neuen Interessen und Hobbys. Untreue oder eine Affäre wird in solchen Situationen oft zum Trennungsauslöser, obwohl die Ursachen woanders liegen.

Die Zuversicht, dass man es gemeinsam als Paar schaffen kann, auf die Einwirkungen auf die Beziehung von innen und außen, zu reagieren, ist auf lange Sicht unverzichtbar fürs Beziehungsglück. Denn sobald ein Partner gedanklich „gekündigt“ hat, lässt sich meist sogar mit externer Hilfe nichts mehr retten. Bewahren und pflegen Sie deshalb immer Ihren Optimismus.
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