BILD hat den Paarberater und Single-Coach Eric Hegmann aus Hamburg gefragt: Wie findet man heraus, wer zu einem passt? Mit wem man die Ehe eingehen sollte? Wie viele Gemeinsamkeiten sind wichtig? Und welche Unterschiede tun gut? Welche Frage hilft mir wirklich bei der Entscheidung?
► BILD: Kann man schon VOR der Ehe erkennen, ob die Verbindung gelingen kann?
Eric Hegmann: „In den ersten sechs Monaten der Verliebtheit nehmen Menschen den Partner so wahr, wie es ihnen ihre Gefühle und Hormone erlauben. Positives wird verstärkt, Negatives wird weggeblendet. Das ist auch gut so, denn es gehört viel Mut dazu, sich aufeinander einzulassen und die Euphorie der ersten Anziehungskraft erleichtert das. Erst nach ein bis zwei Jahren lässt sich nachhaltiger sagen, ob ein Paar harmonieren kann.“
► Lässt sich das irgendwie messen?
Hegmann: „Professor John Gottman hat eine Formel entdeckt, mit der er mit einer über 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann, ob ein Paar zusammen bleibt. Doch wer will tatsächlich einen wissenschaftlichen Test über die Zukunft der eigenen Ehe absolvieren? Für die meisten Paare dürfte ausreichend sein, sich der eigenen Gefühle wahrhaftig zu stellen, denn wenn man den Eindruck hat, da stimmt etwas nicht, das passt irgendwie nicht, dann sollte man aufs Bauchgefühl hören. Fast immer liegt die Intuition richtig.“
► Woran lässt sich vor der Ehe erkennen, wie ein Paar mit schwierigen Situationen umgeht?
Hegmann: „Wie ein Paar mit Konflikten umgeht, das zeichnet aus, wie sie später ihre Ehe führen werden: großzügig oder egoistisch, nachtragend oder verzeihend, miteinander oder gegeneinander. Jeden Kompromiss, jede Verhandlung muss ein Paar wie Liebende gestalten und nicht wie Gegner. Es ist erstaunlich, wie feindselig Paare werden können in Krisen – obwohl sie doch eigentlich als Team an einem Strang ziehen könnten.“
► Welche Themen sind in der Partnerschaft wichtig? Welche Punkte sollten bzw. müssen stimmen?
Hegmann: „Je nach Umfrage wünschen sich Paare in Deutschland vor allem einen ähnlichen Humor, ähnliche Leidenschaft, ähnliche Werte, ähnliche Kommunikationsstile und ähnliche Lebensziele. In der Praxis scheint es aber nicht ganz so wichtig, dass die Partner in allen Bereichen gleich ticken, es geht vielmehr darum, wie gut sie sich ergänzen in ihren Unterschieden und wie respektvoll sie mit diesen Unterschieden umgehen.“
► Woran erkennt man eine gute Partnerschaft?
Hegmann: „Die Partner müssen nicht die gleichen Ziele im Leben haben, aber sie sollten die jeweiligen Ziele kennen und sich auf dem Weg dorthin unterstützen. Wenn man sich kennenlernt, möchte man alles vom anderen erfahren und kann gar nicht genug wissen. Diese Neugierde aufeinander zu bewahren und daraus Optimismus zu schöpfen für die gemeinsame Beziehung, ist wichtiger als permanente Harmonie. Dazu gehört intensiver Austausch über Wünsche und Fantasien, Hoffnungen und Ängste. Liebe ist eine tägliche Entscheidung. Die kann man nur treffen, wenn man überzeugt ist, dass sich die Investition ineinander lohnt – trotz aller Rückschläge, die dazugehören.“
► In welchen Punkten tun Unterschiedlichkeiten einer Verbindung gut?
Hegmann: „Das kann in allen Bereichen sein, unverzichtbar ist aber wohl ein Einverständnis über die Werte, die die Beziehung ausmachen. Unterschiede sind gut, denn jede Schwäche ist auch eine Stärke und umgekehrt. Ich vergleiche das mit einem Werkzeugkasten für Veränderungen, die von innen und außen auf jede Beziehung einwirken. Ein ganz und gar ähnliches Paar hat einen Kasten mit Werkzeugen. Ein unterschiedliches Paar ergänzt sich mit zwei Sets von Werkzeugen und hat mehr Möglichkeiten. Das braucht aber Mut und Respekt.“
► Warum finden wir oftmals das faszinierend, was letztlich die Beziehung scheitern lässt?
Hegmann: „In der Paartherapie gibt es den Begriff der ‚fatalen Attraktion‘: Was einen zunächst fasziniert und begeistert hat, nervt plötzlich nur noch. Der selbstbewusste Partner bringt Stärke und Durchsetzungsvermögen mit in die Beziehung. Verletzend wird das, wenn der dann seine Wünsche und Bedürfnisse ohne Rücksicht auch in der Beziehung durchsetzt.“
► Welche Fragen sollte man sich vor einer Ehe stellen?
Hegmann: „Vielleicht genügt sogar nur diese eine: Wie behandelt mich mein Partner, wenn ich falsch liege oder einen Fehler gemacht habe? An diesen Verhaltensweisen lässt sich erkennen, ob ein Paar Konflikte lösen und Verletzungen heilen und sich versöhnen kann.“
► Was sind konkrete Anzeichen, woran man erkennt, dass man den falschen Partner hat?
Hegmann: „Aus der Erfahrung würde ich sagen, sind diese Fragen am Ende entscheidend: Hat mein Partner mir in schwierigen Zeiten geholfen? Hat mein Partner mich in schwierigen Zeiten allein gelassen? Hat mein Partner mich in schwierige Zeiten gebracht? Also kurz: Tut Ihr Partner Ihnen wirklich gut?“
► Warum heiraten manche, auch wenn sie spüren, dass der Partner oder die Partnerin die falsche Entscheidung sein könnte?
Hegmann: „Das kann sehr viele unterschiedliche Gründe haben. Beispielsweise Hoffnung darauf, dass die Ehe doch gut wird. Starke sexuelle Anziehungskraft oder ein Gefühl von Verantwortung. Äußere Zwänge wie Eltern/Schwiegereltern, finanzielle und existenzielle Sorgen, Angst vor Einsamkeit, wenig Lebenserfahrung. Es ist leider nicht so selten, dass Menschen wider besseren Wissens und mit offenen Augen sich auf eine Ehe einlassen, die beide Partner unglücklich machen wird.“