Wer eine Beziehung nach der anderen führt und immer Ausreden für das Scheitern findet, leidet möglicherweise unter Bindungsangst. Was können Menschen tun, die sich nicht dauerhaft binden können?
Mit der Erkenntnis fängt es aber erst einmal an: Wer gesteht sich schon gerne ein, beziehungsunfähig zu sein? Und wenn der erste Schritt getan ist - wie geht es dann weiter?
bildderfrau.de hat bei Eric Hegmann, Paarberater und Parship-Coach, und Silvia Fauck, Liebeskummercoach, nachgefragt.
Woran erkennen Betroffene, dass sie Bindungsangst haben? Häufig wird es ja auf äußere Umstände, war nicht der/die Richtige etc. geschoben...
Eric Hegmann: "Bindungsangst gründet in einem verletzten Selbstwert, z.B. weil jemand in der letzten Beziehung sehr verletzt wurde und eine erneute Verletzung verhindern möchte. 'Ich kann niemandem mehr vertrauen' ist eine typische Aussage, die auf Bindungsangst hinweist. Aber sie tritt häufig auch unbewusst auf. Das ist dann eine 'passive Beziehungsverweigerung'.
Letztlich ist Bindungsangst eine Sammlung von unterschiedlichen Schutzstrategien, die Verletzungen verhindern sollen. Beispielsweise kann eine solche unbewusste Strategie sein, sich nur in unerreichbare Partner zu verlieben, also Männer, die vergeben sind oder die zu Beginn sagen, dass sie nicht bereit wären für eine Beziehung. Auch überhöhte Ansprüche sind eine erfolgreiche Vermeidungsstrategie."
Eric Hegmann: "Wenn Sie erst einmal verstanden haben, wie Ihr Bindungssystem funktioniert, wovor Sie sich schützen wollen und welche Verhaltensweisen Sie sich dazu angeeignet haben, können Sie versuchen, diese bewusst zu steuern, wann immer sie diese bei sich entdecken.
Wenn Sie also bemerken, dass Sie sich beim Rückzug des Partners beinahe euphorisch daranmachen, ihm Ihre Liebe zu beweisen. Oder wenn Sie plötzlich diese Gefühle verlieren, weil der Partner sich tatsächlich für Sie interessiert.
Das Verständnis dieser Mechanismen bewirkt bereits viel, aber gerade nach schweren Verletzungen ist die Arbeit mit einem Experten Erfolg versprechender als die Verarbeitung alleine. Es geht bei Bindungsangst um ganz grundlegende Glaubenssätze, die Sie verinnerlicht haben. Da hilft es sehr, wenn ein Blick von außen unterstützt, diese oft seit der frühen Kindheit verinnerlichten Muster zu erkennen."
Inwiefern kann ein(e) Partner(in) dabei unterstützen?
Eric Hegmann: "Ein in sich sicherer Partner ist tatsächlich eine gute Unterstützung - sowohl für einen bindungs- als auch einen verlustängstlichen Partner, da er Ausgleich schaffen kann. Doch die Arbeit beginnt bei sich selbst! Es wird eine Beziehung sehr belasten, wenn ein Partner immerzu Stärke für den anderen zeigen soll."
Eric Hegmann: "Bindungsangst sucht Verlustangst, denn es handelt sich dabei um die zwei Seiten der gleichen Medaille: geringer Selbstwert. Das sind jedoch meist Menschen, die ihre Angst kompensieren, indem sie Anerkennung von anderen erhalten, die sich um sie bemühen.
Dass sich zwei Personen mit extremer Bindungsangst ineinander verlieben, ist eher selten. Die bleiben eher freundschaftlich verbunden, empfinden aber nicht das Gefühl euphorischer Verliebtheit, weil ihr Bindungssystem nicht aktiviert wird. Das benötigt den Rückzug des Partners, um den man sich dann bemühen kann."
Eric Hegmann: "Weniger ein Fehler als eine leider schlüssige Ergänzung: nämlich von einem verlustängstlichen Partner Bestätigung zu suchen und zu erfahren. Diese sehr häufige Paar-Dynamik führt jedoch nicht zu stabilen Beziehungen. Allerdings birgt sie die vermeintlich größte Befriedigung. Typischer Satz danach: 'Ich gerate immer an die Falschen'. Das ist leider nicht so. Die hat man sich selbst ausgesucht."
Eric Hegmann: "Natürlich lässt sich eine Beziehung führen, 'beziehungsunfähig' gibt es nicht - außer vielleicht nach traumatischen Erlebnissen, für die eine Therapie anzuraten ist. Aber gerade mit Unterstützung ist das ein Prozess, der je nach Ausprägung und Vorgeschichte schnell erste Ergebnisse zeigen kann.
Viele meiner Klienten erleben sehr rasch, dass ihnen die bewährten Muster keine Befriedigung mehr geben und probieren neue Wege. Dazu gehört oft, sich einmal entgegen dem bewährten Beuteschema auf andere Typen einzulassen. Die aktivieren zunächst zwar nicht das Bindungssystem so stark, aber sie sorgen für mehr Sicherheit, die man bald auch gar nicht mehr missen möchte."