Ob klassische Familie, Patchwork oder täglicher Zoff - wie Eltern ihre Beziehung führen, hat erhebliche Auswirkung auf das Liebesleben der Kinder. Laut aktueller Umfrage sehen 44 Prozent ihre Eltern als positives Vorbild. Nur 16 Prozent bestätigen einen negativen Einfluss, 24 Prozent haben durchwachsene Erfahrungen gemacht. *An der Online-Umfrage des Single-Portals Parship beteiligten sich im März 2788 Mitglieder (18 bis 69 Jahre).
Warum ist der Einfluss der Eltern auf unser Liebesverhalten so groß? Warum übernehmen wir auch Negatives - anstatt uns davor zu schützen? Heißt das auch, dass wir uns (unbewusst) Vater bzw. Mutter als Partner aussuchen? Wird man selbst zum Fremdgeher, wenn ein Elternteil den Partner betrogen hat?
Der Chefredakteur des Magazins beziehungsweise und Paarberater Eric Hegmann aus Hamburg beantwortet diese und weitere Fragen zum Thema.
► Warum beeinflusst die Beziehung der Eltern das Beziehungsverhalten der Kinder?
Eric Hegmann: „Wie unsere Eltern oder Bezugspersonen sich verhalten, wie sie miteinander umgehen, wie und ob sie streiten und sich wieder versöhnen, wie fürsorglich und liebevoll sie miteinander sind, prägt uns, weil wir das als richtig erlebt haben. Kinder haben noch keine Wertvorstellung, sie kennen keine Kommunikationstheorien und wissen nichts von Paar-Dynamik. Zieht sich beispielsweise ein Elternteil bei Streit zurück, kann man beinahe vorhersehen, dass man als Erwachsener entweder sich selbst so verhalten wird oder einen Partner sucht, der sich so verhält. Das ist vertraut und fühlt sich daher stimmig an.“
► Eine langjährige Ehe heißt noch nicht, dass man auch glücklich miteinander ist. Übernehmen wir das Beziehungsverhalten auch, wenn die Ehe der Eltern unglücklich ist?
Hegmann: „Ja, ebenso können uns Verhaltensweisen der Eltern begleiten, die wir tatsächlich als nicht richtig erlebt haben: In diesem Fall suchen sich viele Menschen später Partner, mit denen sie den Konflikt sozusagen nachträglich beheben können. Sie wollen dann mit dem eigenen Partner lösen, was den Eltern oder Bezugspersonen nicht gelungen ist.“
► Heißt das, dass wir uns (unbewusst) unseren Vater bzw. unsere Mutter als Partner aussuchen?
Hegmann: „Nein, das bedeutet das nicht. Allerdings geschieht dies unbewusst häufiger als viele Menschen vermuten. In der Paarberatung gehört die Familienaufstellung zu den Grundlagen: Hier wird geprüft, welche Bindungen der Eltern und Bezugspersonen von den Partnern übernommen wurden. Das ist sehr spannend und aufschlussreich und bringt häufig ungelöste Konflikte der vorherigen Generation ans Licht.“
► Werde ich automatisch zum Fremdgeher, wenn mein Vater einer war?
Hegmann: „Nein. Nicht automatisch, dazu sind Menschen zu komplex. Es gibt auch kein Fremdgeher-Gen. Aber Fremdgehen wird ein Thema für Sie sein. Möglich, dass Sie beispielsweise bei einem untreuen Partner bleiben, weil Sie abschließen möchten, was Ihre Eltern in deren Beziehung ungeklärt gelassen haben. Oder Sie halten Treue tatsächlich für einen nicht so wichtigen Wert in einer Beziehung. Was kein Problem ist, wenn Sie einen Partner mit derselben Einstellung wählen und beispielsweise ein Beziehungsmodell wie eine offene Beziehung führen.
Wie Sie mit Treue umgehen werden, lässt sich nicht vorhersagen; dass dieses Thema Sie aber stärker beeinflussen wird als jemand, dessen Eltern monogam gelebt haben, ist ziemlich sicher. In welche Richtung das gehen kann, ist auch davon abhängig, wie offen Ihre Eltern damit und miteinander umgegangen sind, also ob Sie das als positiv, als normal oder als schmerzhaft erlebt haben.“
► Was können wir tun, um dem Beziehungsverhalten der Eltern zu entgehen – also verhindern, dass ich mich in Beziehungen genauso verhalte?
Hegmann: „Der Widerstand ist größer als viele Menschen denken, denn es geht dabei um sehr früh vermittelte Werte. Gerade Streit- und Kommunikationskultur ist ja über lange Zeit geprägt worden. Kognitiv, also durch das Wissen der Zusammenhänge, kann dies gelingen. Meistens wird dies aber nicht ausreichen. In der Paarberatung oder Paartherapie gibt es eine Menge Werkzeuge, mit denen alte Verhaltensweisen hinterfragt und durch neue ersetzt werden können.“
► Wenn die Ehe der Eltern glücklich ist und ich mir einen Partner suche, mit dem ich das Beziehungsverhalten entsprechend leben kann, heißt das dann auch, dass ich garantiert glücklich werde – wie meine Eltern?
Hegmann: „In der Liebe gibt es keine Garantien. Aber wenn die Eltern eine glückliche Beziehung geführt haben, bringen die Kinder eine gute Grundlage mit, mit dem gewählten Partner ebenfalls glücklich zu werden – sofern dieser nicht ein ganz anderes Beziehungsverhalten gelernt hat. Aber dann hätte man ihn vermutlich nicht gewählt.“