Als Alejandro Valverde in Innsbruck nach zwölf vergeblichen Anläufen die Ziellinie eines WM-Straßenrennens als Erster überquerte, habe ich im ersten Moment Freude verspürt. Es ist immer inspirierend, wenn Menschen ihre Ziele hartnäckig verfolgen, Rückschläge aushalten und, wie im Falle Valverdes, im "zarten" Alter von 38 Jahren erlöst werden. Die grenzenlose Erleichterung über die Erfüllung seines Traums, als der Spanier seinen Betreuern und dann seinen Teamkollegen weinend in die Arme fiel, gehört in jedes Highlight-Video der Radsportsaison 2018.
Doch in das Gefühl des "Ich gönne es ihm“ drängte sich schon bald nach Valverdes Krönung die Frage, ob ein anderer Ausgang des WM-Rennens nicht besser für den Radsport gewesen wäre. Grund dafür sind die gelinde gesagt verwirrenden Aussagen des neuen Weltmeisters zum Thema "Doping". Auf seine Verwicklung in die Operacion Puerto im Jahr 2006 angesprochen, antwortete Valverde kurz nach seinem Triumph recht kurz angebunden: "Wer mich nach Operacion Puerto fragt, der hat keine Ahnung.“
Ja, wir alle haben keine Ahnung, da Valverde nie aktiv dazu beigetragen hat, eines der dunkelsten Kapitel des Sports aufzuklären. Im Kühlschrank des Madrider Gynäkologen Eufemiano Fuentes fanden die Ermittler unter anderem Blutbeutel mit der Aufschrift "Valv.Piti“, die nach einem DNS-Abgleich im Jahr 2008 schließlich eindeutig Valverde zugeordnet werden konnten.
Von der spanischen Justiz im Jahr 2007 zunächst freigesprochen - ein Skandal nach dem Skandal -, dauerte es bis zum Mai 2010, ehe Valverde schließlich für zwei Jahre gesperrt wurde. In der Zwischenzeit feierte der Mann aus Murcia 26 Siege, darunter den Vuelta-Gesamtsieg, Etappensiege bei der Tour de France sowie Erfolge bei Eintagesrennen und einwöchigen Rundfahrten. Am Rande des Saitama Criteriums in Japan, das Valverde am Sonntag gewann, beharrte er sogar auf dem Klassiker "Ich wurde nie positiv getestet“. Dieser Argumentation bedienten sich seinerzeit schon Lance Armstrong und Jan Ullrich. Der Gehalt solcher Aussagen sollte auch dem Träger des Regenbogentrikots bekannt sein.
Ein Weltmeister ist auch immer ein Botschafter seines Sports – eine Rolle, die Valverdes Vorgänger Peter Sagan exzellent ausfüllte. Der Slowake sprach sich für spannendere Rennformate aus und äußerte sich nur wenige Minuten nach seiner Titelpremiere in Richmond 2015 kritisch über den politischen Umgang mit Flucht und Migration in Europa. Valverdes hartnäckiges Leugnen und das beharrliche Schweigen zu seiner Vergangenheit widersprechen auch den Worten Sagans bei der Siegerehrung in Innsbruck, als er Valverde lobte: "Du bist der richtige Champion.“
Natürlich kann man argumentieren, dass der Spanier seine Strafe abgesessen hat und somit für seine Vergangenheit zur Rechenschaft gezogen wurde. "Es wurde entschieden, dass ich bestraft werden musste“, kommentiert Valverde heute seine Sperre. Es ist genau diese demonstrative Opferrolle, die dunkle Flecken auf Valverdes weiße Weste mit den Regenbogenfarben wirft und die mir die Freude an seinem größten Erfolg verdirbt.
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