Mari van DUS: Die Gründe sind vielfältig. Zum einen liegt es ganz klar an den cis-männlich, geprägten Strukturen, so wie der Dominanz männlich gelesener Personen und deren Haltung in der Szene. Das ist so ein Buddy-Business: Männer buchen leider oft lieber andere Männer oder ihre männlichen Freunde. Ich habe aber auch das Gefühl, dass man in ständiger Konkurrenz mit anderen Musiker:innen steht. Unterrepräsentation betrifft nicht nur Frauen allgemein, sondern alle FLINTA*-Personen ( Anmerkung der Redaktion: FLINTA* ist ein Akronym für Frauen, lesbische, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen). Ich kann mir außerdem vorstellen, dass viele FLINTA*-Netzwerke nicht sichtbar genug und so auch nicht erlebbar waren. Das ändert sich zwar zum Glück in letzter Zeit, aber da ist dennoch viel Arbeit zu leisten.
Mari van DUS: Der Anstoß kam von mir. Ich habe das Netzwerk female:pressure vor ein paar Jahren online kennengelernt. Über Facebook-Gruppen habe ich dann herausgefunden, dass es auch in anderen Bundesländern oder Städten female:pressure-Gruppen gibt. Ich habe dann gedacht, dass wir hier doch eine mega Metropole mit über 10 Millionen Menschen im Rhein- und Ruhrgebiet sind. Und dass sich hier bestimmt auch ganz viele Künstler:innen und andere FLINTA*-Personen finden, die Lust haben, da mitzumachen. Ich habe dann Electric Indigo gefragt, die female:pressure 1998 ins Leben gerufen hat, und 2019 mit ihr die Facebook-Gruppe female:pressure rhein:ruhr gegründet. Ich kannte einfach zu wenige andere Künstlerinnen hier in der Umgebung und war nach vielen Erfahrungen überdrüssig, immer nur mit Männern zu kooperieren.
Mari van DUS: Es geht vor allem darum, uns füreinander sichtbarer zu machen und auf Vorbilder aufmerksam zu machen und mit unserer Präsenz gemeinsam eine größere Ausswirkung zu erreichen. Wir wollen aber auch andere FLINTA*-Personen dazu inspirieren, miteinander zu kooperieren und sie untereinander vernetzen. Einfach um sich gegenseitig zu stärken.
DJ Mari van DUS im Interview: Wandel hin zur Geschlechter-Gerechtigkeit ist zu erkennenMari van DUS: Diese Debatten zu führen, hilft uns Betroffenen schon viel. Denn es bewirkt vor allem, aus dieser ohnmächtigen Wut herauszukommen. Da bekommt man das Gefühl, man steht mit diesem Problem nicht mehr alleine da und man kann sich organisieren, man tauscht sich aus und man redet miteinander. Es hilft, für das Thema zu sensibilisieren und mehr aufeinander zuzugehen.
STROBO: Hast du das Gefühl, dass sich durch diese Debatten oder auch die Arbeit von Netzwerken wie female:pressure in den vergangenen Jahren schon etwas in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in der Musikszene getan hat?Mari van DUS: Es hat sich auf jeden Fall ein wenig gebessert, auch wenn es bei weitem noch immer keine ausgeglichene Quote gibt. Aber es ist auf jeden Fall ein Wandel zu erkennen. Gerade weil mittlerweile auch Veranstalter:innen auf Netzwerke wie unseres zukommen und sich zum Beispiel bei der Erstellung von Line-Ups Unterstützung von uns holen. Die Netzwerke werden also auch aktiv angefragt. Außerdem sensibilisieren viele Menschen die Diskussionen, so wie sie gerade in sozialen Medien zum Beispiel zur #deutschrapmetoo-Debatte stattfinden. Das sind zum einen FLINTA*-Personen, die sich besser vernetzen und organisieren. Und zum anderen männlich gelesene Personen, die dadurch ein besseres Gefühl für die Situation von FLINTA*-Personen bekommen.
Mari van DUS: Viele sind vor allem mit männlich gelesenen Personen umgeben und sind dem überdrüssig. Sie bringen oft negative Erfahrungen in dem Zusammenhang mit, wie zum Beispiel Sexismus, Vorurteile, abwertende Kommentare und auch, dass die Zusammenarbeit häufig nicht auf Augenhöhe stattfindet. In dem Netzwerk können sie sich dann gegenseitig empowern, sich austauschen, wie man mit solchen Situationen umgeht und FLINTA*-Künstler*innen finden, die gleiches leisten können.
Mari van DUS: Ja, auf jeden Fall. Und diese Erfahrung habe ich nicht nur bei female:pressure, sondern auch in anderen FLINTA*-Netzwerken gemacht. Die Netzwerke haben mich als Künstlerin vielseitig sensibilisiert. Es hat ein großartiger Austausch an Erkenntnissen stattgefunden und ich habe viel Wertschätzendes erfahren. Ich durfte durch mein Wirken bemerkenswerte Menschen kennenlernen und bekam so die Chance, mit ihnen zu kooperieren. Das hat mir auch als Künstlerin geholfen, mich auf meinem Weg weiterzuentwickeln.
Das ist so ein Buddy-Business
Mari van DUS, DJ und Produzentin STROBO: Was muss noch passieren, damit alle Personen in der elektronischen Musikszene, egal ob FLINTA* oder männlich gelesen, gleichbehandelt werden?STROBO: Habt ihr mit female:pressure rhein:ruhr ein konkretes Ziel oder einen Wunsch für die Zukunft?Mari van DUS: Der Grundstein dafür ist schon gelegt, aber es kann noch mehr Politik gemacht werden. Da ist noch viel Potenzial nach oben, beispielsweise mit unseren Forderungen über mehr Diversität und Gleichberichtigung bei Veranstaltungen. Viele FLINTA*-Netzwerke stellen sich professioneller auf und machen sich dadurch sichtbar, weshalb sie in den letzten Jahren eine höhere Reichweite erzielt haben. Es findet auch langsam ein Wandel statt, so dass Veranstalter:innen von sich aus auf die Netzwerke zugehen und zumindest mal über eine Quote im Line-Up nachdenken und sehen, wie viele tolle FLINTA*-Künstler*innen es gibt.
Mari van DUS: Ich habe den großen Wunsch, das jetzige Format bei female:pressure rhein:ruhr auszubauen. Ich würde mir weitere Unterstützung wünschen, um ein lokales Kollektiv zu bilden und noch mehr auf female:pressure aufmerksam zu machen, Treffen zu organisieren und vielleicht auch monatliche Treffen stattfinden zu lassen. Und ich würde auch gerne weitere Ideen zu entwickeln und auf mehr Plattformen vertreten sein.
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