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Mit Blumen gegen die Bagger - Kampf gegen eine Silbermine

In Guatemala wehrt sich die Bevölkerung gegen ein Minenprojekt - und wird dafür kriminalisiert. Die Kirche unterstützt den Widerstand gegen die Mine - und muss immer häufiger Rechtsbeistand leisten.

Von Elisabeth Schomaker

San Rafael las Flores (KNA) Als die Schüsse fallen, sitzt Luis Garcia auf dem staubigen Boden. Er und die anderen Demonstranten haben Blumen vor das Tor der Silbermine El Escobal in San Rafael las Flores gelegt - als Symbol friedlichen Widerstands gegen das Minenprojekt. Dann öffnet sich das Werkstor. Bewaffnete Sicherheitsleute treten vor die Demonstranten und eröffnen das Feuer.

Damals, an jenem 27. April 2013, seien sechs Männer angeschossen worden, erzählt Garcia und streicht mit dem Finger über die Narben an seinem linken Nasenflügel. Zwei Kugeln trafen ihn mitten im Gesicht und hinterließen ein faustgroßes Loch. Eine weitere Kugel traf ihn in den Rücken. "Überall war Blut. Ich dachte, ich muss sterben", so der 20-jährige Automechaniker.

Alles begann 2007. Damals fiel der Bevölkerung auf, dass Leute in die Region kamen und Grundstücke zum Zwei- oder Dreifachen des sonst üblichen Preises kauften. In den folgenden Monaten stellte sich heraus, dass ein kanadischer Bergbaukonzern mit der Erkundung von Bodenschätzen begann.

Weder die Regierung noch das Unternehmen informierte die Bevölkerung, die zu einem Großteil aus dem Indio-Volk der Xinca besteht. Ein Verstoß gegen das Gesetz. Denn nach dem Abkommen 169 der internationalen Arbeitsorganisation ILO müssen indigene Gemeinden befragt werden, bevor neue Lizenzen für Bergbau- und Wasserkraftprojekte vergeben werden.
 
"Guatemala hat den Vertrag zwar unterschrieben, aber keine Struktur installiert, die diese Befragungen durchführt. Das macht die Regierung ganz bewusst", sagt der deutsche Menschenrechtsanwalt Michael Mörth. Er lebt seit über 20 Jahren in Guatemala und gehörte auch der Wahrheitskommission der katholischen Kirche an, die im Auftrag der UN die Menschenrechtsverbrechen während des Bürgerkriegs in Guatemala (1960-1996) aufgearbeitet hat.

Weil die Regierung keine Befragung durchführte, haben die umliegenden Gemeinden selbst eine Anhörung organisiert. 98 Prozent stimmten gegen die Mine. Trotzdem erhielt das kanadische Unternehmen Tahoe Resources im April 2013 eine Abbaulizenz der Regierung. Seitdem werden nach Firmenangaben jährlich rund 20 Millionen Unzen Silber abgebaut, zudem Zink, Blei und Gold in kleinen Mengen. Das Geschäft lohnt sich: 2014 machte die Mine, eine der fünf größten Silberminen weltweit, 420 Millionen US-Dollar (395 Millionen Euro) Umsatz. "Wir schaffen einen Mehrwert, an dem auch die Bevölkerung teilhat", meint Generaldirektor Juan Cabrera.

Minengegner wie Bischof Bernabe Sagastume sehen das anders: "Es sind die ausländischen Ingenieure, die hier die hohen Gehälter kassieren. Aus unserer Region hat kaum jemand einen Job bekommen." 2012 hat Sagstume in seiner Diözese Santa Rosa de Lima die Umweltorganisation CODIDENA gegründet, um die Menschen über die Risiken aufzuklären und bei der Organisation friedlicher Demonstrationen zu unterstützen.
Das größte Problem ist das Wasser. Drei Millionen Liter benötigt die Mine täglich, um die Metalle aus dem Gestein zu lösen. Auch giftiges Zinkcyanid und Kupfersulfat kommen zum Einsatz. Nach eigenen Angaben richtet sich die Mine dabei streng nach den Umweltvorschriften. Doch seit der Inbetriebnahme sinkt der Grundwasserspiegel, wie regionale Bauern berichten. Flüsse seien vertrocknet, und in diesem Jahr hätten viele Bauern ihre Tomatenernte verloren.

Obwohl die Menschen ein Demonstrationsrecht haben, werden Minengegner immer häufiger bedroht und bei Protesten inhaftiert. So ging es auch Luis' Vater Adolfo Garcia: "Sie haben mich kriminalisiert, tagelang festgehalten und fünf Anklagen gegen mich erhoben. Nichts davon ist begründet." Immer häufiger muss die CODIDENA in solchen Fällen Rechtsbeistand leisten.

Minendirektor Juan Cabrera stößt sich an der Rolle der Kirche. "Sie soll Trost spenden und keinen Aufruhr betreiben", kritisiert er. Bischof Sagastume sieht das freilich anders: "Es ist Aufgabe der Kirche, die Schöpfung zu erhalten - und jenen eine Stimme zu geben, die nicht gehört werden."