"Sex and The City" wird fortgesetzt - ohne die selbstbewusste Samantha. Will das Revival ein Publikum finden, sollte es nicht die "Instyle" von 2006 verfilmen, sondern auf eine unterschätzte Figur setzen: Anwältin Miranda.
Von Elisa von Hof
In der einen Hand hält sie eine Manolo-Blahnik-Tüte und ein pinkfarbenes Glitzertäschchen, in der anderen das mit Strasssteinen besetzte Klapphandy, ein Pelzmantel flattert um ihre Knie. So schlendert Carrie Bradshaw 2004 in den letzten Minuten der Serie "Sex and the City" durch Manhattan. Dazu plaudert sie, wie immer, aus dem Off über Beziehungen. Die wichtigste sei die zu sich selbst, sagt sie da, weiser als in den 93 Folgen zuvor, und verschwindet in dem Gewusel irgendeiner New Yorker Einkaufsstraße. Das wäre er gewesen, der Moment, um diese Serie nach sechs Jahren und einem weltweiten Hype um das Liebesleben von Carrie ( Sarah Jessica Parker) und ihren drei besten Freundinnen zu beenden. Bloß hat man ihn verpasst. Gleich zwei Mal:
Die anschließenden ziemlich langweiligen und an einigen Stellen problematischen Kinofilme kauten nach, was Carrie, Charlotte, Miranda und Samantha bereits erlebt hatten. Und nun, so könnte man befürchten, versäumt man den Moment erneut: "Sex and the City" soll unter dem Namen "And Just Like That" elf Jahre nach dem letzten Versuch ein weiteres Mal fortgesetzt werden.
Und - ein Grund mehr für Zweifel an dem Vorhaben - ohne die selbstbewusste, clevere Figur Samantha (Kim Cattrall), die nie einer schlechten Beziehung hinterherweinte, sondern nur einem ausgebliebenen Orgasmus. Ändern die Serienschöpfer nichts an ihrem bisherigen Kurs, wird das eine öde Nummer.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe diese Serie geliebt. Als Teenagerin auf dem Dorf war sie mein Fenster zu einer aufregenden, glitzernden Welt. In der Frauen ihr Geld mit Jobs verdienen, die sie lieben, und es für Mode und Margaritas wieder ausgeben. Und sie haben so offen über Sex gesprochen, dass ich den Fernseher leise stellte, damit niemand mitbekam, was für schlüpfriges Zeug ich heimlich sah. Ich lernte viel über sexuell übertragbare Krankheiten, Fehlgeburten und Brustkrebs - und dass es völlig okay ist, keine Kinder zu wollen.
Dass die Protagonistin Carrie ein Apartment in Manhattan, ausufernde Restaurant- und Barbesuche und eine Sucht nach Designerschuhen bloß mit einer wöchentlichen Sexkolumne finanzierte, hinterfragte ich aber nicht. Auch nicht, dass alle vier Hauptfiguren weiße, schlanke, wohlhabende, heterosexuelle cis-Frauen sind (ja, ich erinnere mich an Samanthas Affäre mit der Malerin Maria). Oder dass ihr bester, homosexueller Freund Stanford (Willie Garson) mit seiner Liebe für bunte Krawatten, Kitsch und Klatsch der Karikatur eines Schwulen glich.
Die Welt hat sich seitdem verändert. Dass Frauen unverblümt über Sex sprechen, löst keinen Aufschrei mehr aus. Dass es sich dabei ausschließlich um Hetero-Sex handelt, schon. Will Produzent Michael Patrick King mit dem Revival wirklich ein Publikum erreichen, muss man die Serie neu erfinden. Bloß wie?
Ich würde heute sagen: Indem man echte Probleme von echten Frauen behandelt - und nicht die "Instyle" von 2006 verfilmt. Wenn Samantha dazu schon nicht zur Verfügung steht, was wirklich schade ist, sollte endlich die Figur zur Protagonistin werden, die es schon immer mehr verdiente als die oberflächliche Carrie oder die brave Charlotte (Kristin Davis): die rothaarige Anwältin Miranda (Cynthia Nixon).
Sarkastisch, klug, schlagfertig und absolut loyal, war Miranda ihren Freundinnen ein Korrektiv, wenn die patriarchale Welt um sie herum versagte. Statt ihr Geld ausschließlich in Schuhe zu investieren und sich an emotional unerreichbaren Männern abzuarbeiten, sorgte sie für sich selbst. Miranda feierte ihre Erfolge, ohne sich dafür zu schämen. Miranda war allein, ohne sich einsam zu fühlen. Miranda aß Schokoladenkuchen, ohne sich dafür zu verurteilen. Mittlerweile ist die Figur so beliebt, dass die Autorinnen Lauren Garroni und Chelsea Fairless ihr mit "We Should All Be Mirandas" ein eigenes Manifest widmeten.
Statt Frauen in ihren Dreißigern und Vierzigern zu folgen, soll die Fortsetzung die verbliebenen Freundinnen in der "noch komplizierteren Realität" ab 50 zeigen, heißt es. Das allein macht etwas Hoffnung.
Denn in Unterhaltungsformaten kommen auf Frauenfiguren immer mehr Männer, und je älter die Frauen sind, desto schlechter wird das Verhältnis. Und laut "Fluter" lag das Durchschnittsalter der oscarnominierten Haupt- oder Nebendarstellerinnen im vergangenen Jahr bei 40,5 Jahren, das der männlichen bei 61,4 Jahren.
Wir brauchen also mehr Geschichten über, von und mit älteren Frauen. Und zwar gute. Vielleicht kann "And Just Like That" mit den Schauspielerinnen Parker, 55, Nixon, 54, und Davis, 55, so eine sein - wenn man ihre Figuren endlich aus dem Manhattan von 2004 befreit - und sie alle etwas mehr Miranda sein lässt.