Fünf Jahre nach dem letzten Album besingt Max Raabe wieder das Glück - und verrät, was den so höflichen Kavalier in die Raserei treibt.
Elisa von Hof
Eigentlich ist er ja ein umgänglicher Typ. Aufmerksam, wenn auch nicht uneitel, und ziemlich höflich. So höflich, dass es einen umhauen kann. Findet jedenfalls Popsängerin und Musikproduzentin Annette Humpe. Die hat mit ihm schon viel zusammen gearbeitet, auch bei der aktuellen Platte wieder. Und als man so zusammen im Tonstudio sitzt, über neuen Stücken brütet, da entdeckt man, dass auch Max Raabe ein Laster hat. Streuselkuchen. Steht der nachmittags nicht auf dem Tisch, ist es mit der Höflichkeit vorbei.
"Ohne Kaffee und Kuchen bin ich schwer zu ertragen", sagt Raabe beim öffentlichen Hören der neuen Platte. Dazu sind auch die Produzenten gekommen und das "Kreativteam", also alle, die mitgeschrieben haben an den zwölf neuen Stücken. Und sie alle nicken unisono, unterdrücken ein Grinsen, als es um diesen Streuselkuchen geht, die Raabe-Droge. Vielleicht ist "Der perfekte Moment ... wird heut verpennt", die neue Platte, die Raabe am kommenden Freitag auf den Markt bringt, deshalb so positiv geworden. Weil es immer genug Kuchen gab.
Es ist das erste Album seit fünf Jahren, seit "Für Frauen ist das kein Problem". Und weil das damals so gut lief, immerhin brachte ihm die Platte Gold ein, hat er sich wieder Humpe an die Seite geholt. Und weil die so begeistert ist von den Rosenstolzlern, Peter Plate, Ulf Leo Sommer und Daniel Faust, hat sich Raabe auch die ins Studio bestellt. Und das hört man. Was die Plattenfirma eine "behutsame Neuausrichtung" Raabes nennt, das ist ein poppiger Sound, so verspielt, dass es manchmal puderzuckersüß klingt.
So wie in "Guten Tag, liebes Glück". "Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein. Steht das Glück vor der Tür, dann lass ich es rein, und sag, schön dich zu sehen", singt Raabe da, als wäre Honig zwischen den Zeilen. Der Song habe sich zuerst ganz anders angehört, erzählt Raabe und zieht die Augenbrauen hoch, wie nur ihm das gelingt, irgendwo zwischen Überraschung und Verärgerung und Belustigung. Die Rosenstolz-Macher hätten zum Testen einen Beat drunter gelegt, dass Raabe fast die Dichtung aus der Brille geflogen wäre. Und sich seine Stimme verloren hätte im Takt der Drums. Und so, erklärt man dann wieder ziemlich einstimmig, habe man recht schnell gemerkt: Der Pop darf nicht Raabe dominieren, sondern Raabe den Pop.
Und auch das hört man, die Stücke sind gut abgemischt, folgen einer inneren Logik von sommerferialer Fröhlichkeit wie in "Der perfekte Moment", dem Titelsong der Platte, zu frivolen Stücken wie "Ich bin dein Mann", auch die gehören ja auf so eine Raabe-Platte, weiter zu dem Hit fürs "Fahrrad fahren". Der muss Raabe eigentlich besonders am Herz liegen. Denn Raabe ist ein großer Fahrradliebhaber, segelt gern, den Fahrtwind im Haar, das Gesicht fast in den Wolken, durch Mitte.
Wer eines von Raabes 21 Alben kennt- dass es so viele sind, das kann er selbst nicht so ganz glauben -, der weiß: Courtoisie und Politessen treffen da auf Ironie und Lausbubencharme, und klar, auf diesen 20er-Jahre-Chic voll pomadisiertem Haar und Lackschuh-Optik. Damit ist Raabe ja auch populär geworden, mit "Kein Schwein ruft mich an", 1992 war das, und mit seinem Palast Orchester. Mit dem ist der 54-Jährige mittlerweile nicht bloß durch Europa und China getourt, sondern auch in der New Yorker Carnegie Hall aufgetreten. Die nächste Auslandsreise steht 2018 an, mit dem neuen Album geht es nach Nordamerika und Kanada.
Das zu schreiben, das sei wie Urlaub gewesen, findet Plate. Und auch Humpe, die zum dritten Mal mit Raabe zusammengearbeitet hat, schüttelt die blonden Haare und lacht. "Max ist eine besondere Pflanze", sagt sie. Über ihn könne sie sich den ganzen Tag "beömmeln". "Es kommt schon viel Unsinn aus mir heraus", sagt Raabe, der eigentlich Matthias Otto heißt, und streicht sein Haar zurück.
Vielleicht sticht "Willst du bei mir bleiben" daher so zwischen den Stücken dieser Platte hervor, zwischen all den fröhlichen Gitarrenliedern und Alltagshymnen mit Pop-Grundierung. Denn da zieht Raabe die Silben von Streichern begleitet so grazil in die Höhe, dass sich die Opulenz seiner Stimme endlich durch die Boxen bohrt. Dass man seinen satten Bariton hört, sein Studium zum staatlich geprüften Opernsänger. Als er den Song im Studio einsingt, da weinen alle um ihn herum. Und das kann man verstehen, denn auch das ist der Raabe-Sound: eine Verletzlichkeit, die sich unter dem exzentrischen Gentleman-Gebaren verbirgt.
Max Raabe: Der perfekte Moment ... wird heut verpennt. Decca Records, 16,99 Euro. Ab 27.10. im Handel
Nächste Berlin-Konzerte: 20.-25- März im Admiralspalast.
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