1 subscription and 5 subscribers
Article

Wie man den Kulturaustausch in Berliner Räume lotst

Alya Sebti, die neue Direktorin der ifa-Galerie in der Linienstraße, will sich in dem Kunstraum mit der Kolonialisierung beschäftigen.

Elisa von Hof


Berlin, das ist für sie die Stadt der Stunde. So frei wie hier sei man nirgendwo, sagt Alya Sebti, fährt mit der Hand durch die Luft, als wollte sie das unterstreichen, und lächelt. Man werde nie schief angesehen - egal wer man sei oder was man trage, Jogginghosen oder Birkenstocks, so wie Sebti gerade. Dass es die Freiheit ist, die die 34-Jährige so an der Stadt liebt, dieses Leben-und-leben-Lassen, das sagt viel über sie aus. Auch darüber, was sie mit der ifa-Galerie vorhat. Viel nämlich. Sebti leitet den Kunstraum, der vom Auswärtigen Amt gefördert wird, um weltweiten Kulturaustausch in die Berliner Räume zu lotsen, seit einem Jahr.


Kunst soll direkt mit dem Besucher sprechen

Wer das Programm der Galerie kennt, der weiß, es hat sich bereits einiges verändert, seit Sebti die Räume in der Linienstraße steuert. Offener sollte die Galerie werden, und kommunikativer auch, die Kunst sollte nicht bloß still und passiv an den weißen Wänden hängen, sondern direkt mit den Besuchern sprechen. "Die ifa-Galerie soll mehr als eine Galerie sein, sie soll Projektraum werden, ein Labor der Gedanken", sagt Sebti und wischt sich eine schwarze Locke aus der Stirn, die sich immer wieder dorthin verirrt.

Sebti kommt aus Marokko. Sie hat Kulturmanagement und Kunstgeschichte studiert, hat in Rom gelebt und in Paris und in Marrakesch auch. Sie spricht sechs Sprachen, Englisch mit charmantem Akzent, der das "th" kantig rollt und das "h" ganz ausspart, Deutsch eher ungern, denn ihre Sprachkenntnis genügt ihr nicht, obwohl sie nahezu perfekt spricht. Im Gespräch springt Sebti immer wieder zwischen den Sprachen, so mühelos, als fiele es ihr selbst gar nicht auf.

"Entknoten, um zu verbinden"

"Untie to tie" hat sie ihr erstes ifa-Programm genannt, also "Entknoten, um zu verbinden". Es soll koloniale Strukturen untersuchen, immer aus verschiedenen Perspektiven, globalen, urbanen, feministischen. Eben aus so vielen Blickwinkeln, wie Kolonisation gedacht werden kann. Und damit die Kunst nicht bloß so da hängt, so stumm und passiv, gibt es eine Hör-Station, die Podcasts abspielt, Videos, eine kleine Bibliothek, die sich ständig erweitert, und Veranstaltungen. Die sind Sebti besonders wichtig, die Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen, Lesungen. Denn ihr Kunstraum, dieses Labor, soll ein Treffpunkt sein, an dem man nicht bloß Kunst gucken, sondern sich unterhalten kann. Sonst, sagt sie, werden ja nur vorgefestigte Standpunkte verhärtet.

"Wir wollen hier nicht nur Leute zusammenbringen, die das Gleiche denken, das bringt ja keinen Mehrwert", sagt sie. Sebti will also Reibung, das ist ja schon ein ziemlicher Kurswechsel. Will sie auch Streit? Nein, das sei nicht ihr Ding, sagt sie und lacht, dass ihre Locken zittern. Was Sebti sich wohl wünscht, das ist ein lebhafteres Haus. So wie vor ein paar Tagen, als der senegalesische Rapper Keyti in den hellen Räumen aufgetreten ist. Da bringt der Musiker sein "Journal Rappé" mit, eine gerappte Nachrichtensendung, mit der er Jugendliche für Politik begeistern will, und als er rappt, live, da wird applaudiert, gelacht, geredet, gefragt. "Das war wunderbar", sagt Sebti heute und fügt an: "Da ist es uns das erste Mal gelungen, eine echte Interaktion zwischen den Besuchern herzustellen." Davon wünscht sie sich mehr. Mehr Leben in den Kunsträumen, mehr Austausch - also eigentlich genau das, weswegen die ifa-Galerie gefördert wird.

Dass sie zum ersten Mal davon hört, von der deutschen Kunst- und Kulturförderung, das ist jetzt etwa fünf Jahre her. Sebti organisiert gerade die Marrakesch-Biennale und will fünf deutsche Künstler dazu einladen. Bloß ohne Finanzspritze ist das nicht möglich. Sie sucht also nach jemandem, der ihr unter die Arme greift, und findet die ifa. Sie beantragt die Förderung, bekommt die Förderung. Seitdem lässt sie die ifa nicht mehr aus den Augen. Sie ist begeistert. 2015 ist es dann, als sie wieder etwas entdeckt, die Ausschreibung für eine Ausstellung zum Thema "Kunst und Handwerk". Da ist sie wieder angefixt. Sie bewirbt sich, bekommt die Zusage der ifa. "In the Carpet" heißt die Schau, die Sebti dann kuratiert, und erst ausstellt, als sie selbst schon Direktorin der Berliner Galerie ist. "Da war ich schon stolz", sagt sie und grinst.


Das Ausstellungsjahr ist in vier Kapitel geteilt

Sebti hat ihr Ausstellungsjahr, das in diesem Frühjahr mit den Arbeiten des Künstlers Pascale Marthine Tayou gestartet ist, in vier Kapitel unterteilt, jedes dauert etwa ein Vierteljahr. Momentan befindet man sich in Kapitel zwei, "Urbane Kulturen". Sebti hat dazu die Künstlerinnen Irene de Andrés und Sofía Gallisá Muriente eingeladen, sich mit dem Paradies auseinanderzusetzen. Also einem Ort, der von Touristen kolonisiert wird. Ohne erhobenen Zeigefinger wird hier gezeigt, wie wenig paradiesisch es dort eigentlich zugeht.

Die Rückmeldungen der Besucher seien wunderbar, erzählt Sebti. Das zweite Kapitel ihres Jahresprogramms käme gut an, so wie ihr Kurswechsel. Der brauche noch ein wenig Zeit, sagt Sebti. Zwar kämen Stammgäste und gleichermaßen Berliner, die man erst jetzt für die ifa-Galerie begeistern kann. Aber sie habe noch einiges vor. Bis 2020 geht ihr Plan für das Kunsthaus. Ob sie selbst so lange bleiben wird, das weiß sie noch nicht. "Aber gerade kann ich mir keinen besseren Ort als Berlin für mich vorstellen", sagt sie und lächelt. Diese Freiheit, die gäbe es eben nirgendwo sonst.

Informationen:

ifa-Galerie, Linienstr. 139/140. Di-So, 14-18 Uhr.

© Berliner Morgenpost 2017 - Alle Rechte vorbehalten.

Original