Ingo Appelt kommt mit neuem Programm „Besser ... ist besser" in die Stadthalle. Ein Gespräch über die Erziehung von Männern und das Revier als Heimat.
Ingo Appelt polarisiert: Für die einen ist er ein Mutiger unter den Komikern. Schließlich kennt Appelt kaum Tabus bei seinen Witzen und Pointen. Für die anderen ist der gebürtige Essener ein derber Sprücheklopfer. Jedenfalls ist Appelt seit den 1990ern einer der erfolgreichsten Comedians. Am Sonntag, 11. November, tritt er in der Stadthalle um 19 Uhr auf. Elena Boroda hat mit ihm gesprochen.
WAZ: Ihr neues Bühnenprogramm heißt „Besser...ist besser". Was ist denn besser, Herr Appelt?
Ingo Appelt: Es gibt also den Ingo Appelt, so wie man ihn kennt - nur noch besser. Ich bin eine Art Männertherapeut. Ich will Männer auf das Leben einstellen. Mein Programm ist so was wie eine Lebensschule. Das kommt auch den Frauen zugute.
Sie geben ja nicht nur den Therapeuten, sondern sind auch als Pädagoge am Werk?
Ich finde Erziehung sehr wichtig - und diese kommt zu kurz, gerade was uns Männer anbetrifft. Wir sind viel zu selbstgefällig und selbstgerecht. Wir werden von Frauen erzogen. Häufig suchen sie aber immer noch den Beschützer, den Reicheren, den Stärkeren. Damit müssen Frauen endlich aufhören.
Warum brauchen dann Männer eine solche Lebensschule? Sie bezeichnen sich ja selbst als „Konkursverwalter der Männlichkeit"...
Männer merken, dass ihnen in der heutigen Welt ihre Privilegien wegschwimmen. Schau dir doch mal Männer wie Donald Trump, Erdogan oder die Leute von der AfD an. Das sind oftmals frustrierte Männer, die weltweit merken, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Und das macht Männern Angst. Deshalb sind sie so schlecht drauf. Wenn Männer nicht beachtet werden, werden sie verhaltensauffällig. In der Schule nennt man das ADHS, im normalen Leben nennt man das einfach Arschloch.
Ingo Appelt wechselt zum „Du".
Du bist in Essen geboren und mit 11 Jahren nach Würzburg gezogen. Ruhrgebiet oder Franken?
Meine Mama kommt aus'm Ruhrgebiet, auch die Oma, die hatte eine Kneipe in Essen, die Westfalenburg, davor eine Trinkhalle. Das werde ich nie vergessen. Damit bin ich groß geworden. Mein Großvater hatte in der Zeche gearbeitet, mein Vater dort eine Lehre gemacht. Mein Stiefvater war Fußballer bei Rot-Weiß-Essen. Den kennen die heute noch. Wenn du fragst: ,Kennt ihr den Nobby Fürhoff?', dann kriegst du zu hören: ,Ja, klar!' (Anmerkung der Redaktion: Das „klar" färbt Ingo Appelt Ruhrdeutsch ein.)
Hast du eine besondere Erinnerung an Mülheim?
Mülheim war für mich immer der grüne Bezirk im Süden von Essen, ein Ausflug in die Natur. Eine Freundin der Familie hatte einen großen Garten. Helge Schneider und 'ne geile Stadthalle habt ihr auch.
Das Frauen-Männer-Thema ist der Dreh- und Angelpunkt deiner Komik, auch deines neuen Programms. Sind diese Probleme nicht überholt?
Ich bin quasi politisch-soziologischer Analyst (lacht). Wir behaupten, Männer und Frauen seien gleichberechtigt in Deutschland. Wenn man sich das im Detail anguckt, ist das überhaupt nicht so. Mütter und Väter behandeln einander ungerecht.
Wann ist dir aufgefallen, dass in unserer Gesellschaft Männer und Frauen nicht gleichberechtigt sind?
Ich bin ja Sohn einer alleinerziehenden Mutter. Ich hab das ja mitbekommen, wie meine Mutter in der Gesellschaft dasteht. Meine Mutter hat sich abgerackert für ein paar Kröten. Es ist völlig normal als Frau Vollzeit beschäftigt zu sein und am Ende des Tages mit 1200 Euro nach Hause zu gehen, während du als Maschinenschlosser, zwischen 2500 und 3000 brutto mit nach Hause nimmst. Das ist ungerecht.
Wie kann es mehr Gleichberechtigung von Frauen geben?
Was glaubst du, wie schnell Beruf und Familie vereinbar wären, wenn man die Erziehungsverantwortung zu 100 Prozent Männern aufs Auge drücken würde? Wie schnell würde es Kitas bei Siemens oder bei der Deutschen Bank geben? Frauen sind durch die Kinder benachteiligt. Alle sagen: ,Bleib mal zu Hause. Verantwortung, überlass das mal deinem Mann.' Und das ist das Ungerechte.
Ist an dir nicht ein politisches Talent verloren gegangen?
Ich habe ja mal versucht, in die Politik einzusteigen. Da, wo ich bin, bin ich aber am besten aufgehoben. Man kennt mich, man respektiert mich. Ich bin im Fernsehen. In der Politik wäre ich schon längst weg vom Fenster.
Wie sahen deine politischen Gehversuche aus?
Ich bin ja in der SPD. Eingetreten bin ich 1983 und seitdem Mitglied. Damals war ich DGB-Kreisvorsitzender und habe für die Friedrich-Ebert-Stiftung Betriebsräte geschult. Ich bin echt gut, was meine politische Ausbildung angeht.
Das hätte ein vielversprechender Start in die Politik sein können...
Dann war ich bei den Jusos (lacht). Ich hab' gesagt: ,Da würd' ich gern mitmachen.' Und dann haben die mich gefragt, ob ich reformistischer Marxist oder neoreformistischer Marxist bin. Ich hab' gesagt: ,Wisst ihr was? Ich bin evangelisch.' Und bin dann gegangen.
Politik eignet sich vor allem als Vorlage für Comedy?
In der Politik herrscht eine Arroganz! Das sind alles Juristen, Berufskinder, Beamte. Es sind kaum „normale" Leute, die sich da politisch engagieren. Als Normalbürger ist das unheimlich schwer. Ich würde an den politischen Ränkespielen scheitern.
Woher kommt dein Spaß an der Komik?
Comedy wollte ich machen, weil ich in der Schule ein kleiner, unsportlicher, unbeliebter Depp war. Ich war nicht attraktiv - und Comedy macht attraktiv. Ich habe schon immer gerne ältere Mädels beeindruckt. Ich war in der 5. Klasse und habe Mädels aus der 7. Klasse zum Lachen gebracht, indem ich besonders aufmüpfig und frech war. Das fanden die irgendwie süß. Jetzt bin ich 1,79 Meter . Als ich bei Siemens meine Ausbildung angefangen habe, mussten sie mir ein Podest bauen, damit ich an meinen Schraubstock rankam. Ich hatte auch unglaublichen Spaß daran, meine Mutter zum Lachen zu bringen.
Möchtest du was hinzufügen?
Nee, ich habe eigentlich alles erzählt (Appelt lacht wieder kehlig). Jetzt kennst du mein Leben.
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