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Erdogan-Comic: Präsidenten-Kritiker bei Frankfurter Buchmesse mit Polizeischutz

Auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren Can Dündar und Mohamed Anwar einen Comic über den türkischen Präsidenten Erdogan. Dafür haben sie sein Leben viele Jahre analysiert.

Frankfurt - Warum gerade eine Graphic Novel über Erdogan? Can Dündar antwortet ruhig und sachlich: „ Erdogan hasst Graphic Novels und Cartoons. Er verbietet humoristische Darstellungen von sich und steckt Cartoonisten ins Gefängnis. Wir dachten, dass das ein guter Grund wäre, diese Form zu wählen." Er lächelt fast ein bisschen schelmisch dabei, als wäre das ein gelungener Schachzug gegen einen Kontrahenten. Doch, dass es sich um kein harmloses Comic handelt, war allen klar, die am Samstag (23.10.2021) bei der Präsentation des über 300 Seiten dicken Buches auf der Frankfurter Buchmesse waren.

Mit Polizeischutz sitzen Dündar und der Zeichner Mohamed Anwar am Stand des „KulturForums Türkei". Das Publikum steht eng zusammengedrängt davor und lauscht dem Gespräch, das die ehemalige Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, Bascha Mika, mit den beiden führt. Mehr als drei Jahre haben der türkische Journalist und der ägyptisch-sudanesische politische Karikaturist damit verbracht, akribisch das Leben des türkischen Präsidenten auseinanderzunehmen.

Comic über Erdogan: Journalist und Zeichner unter Polizeischutz bei Frankfurter Buchmesse

„Wir wollten verstehen, wie solche Menschen ticken. Erdogan wollte schließlich mal Fußballer werden", sagt Dündar. Die heutige Figur Recep Tayyip Erdogan sei das Resultat einer Entwicklung. Diese Mechanismen müsse man verstehen, um das System bekämpfen zu können, so Dündar. Zusammen mit Anwar, den er über das Recherchezentrum Correctiv kennengelernt hat, ist er tief in Erdogans Biografie getaucht, sie haben versucht nachzuzeichnen, was ihn zum Autokraten macht.

Dabei seien sie streng journalistisch vorgegangen, so Anwar: „Wie haben versucht, uns objektiv zu nähern, und sehr lange recherchiert, bevor überhaupt die erste Skizze entstanden ist." Ein leicht satirischer Unterton sei aber auch zu spüren. Während sie Erdogans Geschichte nachzeichnen und die Wendepunkte in seinem Leben, beschreiben sie gleichzeitig, wie sich die Türkei von einem säkular geprägten in einen autoritär-islamistischen Staat entwickelte.

Erdogan-Comic bei der Frankfurter Buchmesse: Beide Kritiker leben in Deutschland im Exil

Can Dündar ist als Erdogan-Kritiker bekannt, war Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet" in der Türkei, wurde verhaftet, überlebte einen Attentatsversuch und lebt seit fünf Jahren in Deutschland im Exil. „Über eine Person zu schreiben, die dich hasst und die du ebenfalls hasst, die dein Leben und dein Land zerstört hat, ist herausfordernd. Doch als Journalist und Aktivist musste ich versuchen, meine Gefühle zurückzuhalten", so Dündar.

Auch Anwar lebt in Deutschland im Exil. Er arbeitete in Ägypten als politischer Karikaturist, und wurde, nachdem die Reformen des Arabischen Frühlings von 2011 gescheitert waren, verhaftet und gelangte über den Libanon nach Berlin.

Ein zweites Buch über den Untergang Erdogans sei schon geplant. „Das erscheint noch nicht so bald. Erst müssen wir das Ende von Erdogan abwarten", sagt Dündar. (Eileen Kelpe)

Die Frankfurter Buchmesse verursachte in diesem Jahr auch wegen der Anwesenheit rechter Verlage Diskussionen. Ein Politiker sprach sogar von einer „Nazimesse in der Buchmesse".

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